Livereview: Das Trebur Open Air 2018

Das 26.Trebur Open Air 2018 fand vom 27.-29.07. in Trebur bei Rüsselsheim statt. Das ganze Wochenende brennt die Sonne runter auf das Festivalgelände inklusive Besucher und die vielen Bands aus aller Welt. Wir haben von Anfang an mitgeschwitzt und haben eine Menge zu berichten!

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Das TOA ist ein besonderes Festival, weil alles liebevoll und ehrenamtlich organisiert wird und das Angebot für Besucher und Camper so weit gefächert ist. Wer die Idylle in Ruhe genießen will, campt „green“, der Rest des Pöbels ist einige hundert Meter weiter auf einem Feld untergebracht. Neben dem Line-up der Bands aus verschiedenen Genres, bieten die drei Bühnen eine noch bessere musikalische Durchmischung. Tagsüber scheint das Festivalgelände wie leergefegt, da die meisten Camper und Besucher im Freibad direkt neben an sind. Ohne diese unschlagbare Oase wären die Temperaturen bis zu 39°C nicht auszuhalten gewesen.

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Den musikalischen Auftakt des Festivals bilden am Freitag Abend die Bands Montreal, Helmet und Deaf Havana. Die dreiköpfigen Montreal kommen aus Hamburg und statten dem TOA ihren zweiten Besuch ab. Auch wenn sie als eine der bekanntesten deutschsprachigen Punkbands gefeiert werden und die Masse vor der Bühne anerkennend zum Rhythmus der Songs mit dem Kopf nickt, so kann man nicht behaupten, dass der Funke übergesprungen ist bei diesem Konzert. Auch wenn die Texte starke Zeilen enthalten, so erscheint das Gesamtbild zu brav und könnte den Soundtrack eines „Die Wilden Kerle“ Films liefern. Zur gleichen Zeit spielt Lukas Jäckel ein akustisches Set auf der Freibadbühne, welches eine entspannte Alternative darstellt. Er ist ein junger Künstler, der auf dem Trebur Open Air die Chance hat, Bühnenerfahrungen zu sammeln.

Laut geht es weiter mit der amerikanischen Rockband Helmet auf der Hauptbühne, die mit Crossover Metal definitiv der härtesten Headliner verkörpern. Die Band um Page Hamilton ist ein wenig in die Jahre gekommen, genau wie ihr Sound. Für alle Metal Fans ist dieses jedoch Konzert ein Muss. Wer statt Rock oder Metal eher Lust auf elektronische Klänge hat, tanzt wie wir nach ein paar Songs hier. Die TOAelectrics sind ein Format, dass es auf wenigen kleinen Festivals in vergleichbarer Form gibt.

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Der niederländische Tim Vantol lockt uns mit seiner Gitarre und unendlichen Energie zurück zur Livemusik. Der Singer/Songwriter mit den authentischen Liedern gehört genau dort hin ins Scheinwerferlicht. Er erinnert stark an Frank Turner, da auch dieser einzelne Situationen, Schicksale von Freunden mit allgemeingültigen Aussagen, die jeden erreichen, zu Songs mit hymnenähnlichem Charakter verflicht. Tim Vantol versteht, wie man mit einem Publikum umgeht und nach seinem Konzert wandert es gut gelaunt vor die Hauptbühne, um Deaf Havana zu lauschen. Sie verteten musikalisch den Alternative-Indie-Post-Hardcore, doch hören sie sich gleichzeitig auch sehr poppig an- wer hätte gedacht, dass man so viele Genres kreuzen kann? Vor allem sind sie eines: tanzbar! Aber nach einigen Minuten bleiben die Überraschungen aus. Das britische Quintett wirkt nach wenigen Titeln leider etwas monoton und wie eine typische Indie-Pop Band mit E-Gitarre und Pop-Refrains.

Der Samstag beginnt träge mit Temperaturen jenseits der 35°C und einem kollektiven Strom Menschen, der in Richtung Schwimmbad wandert. Zwar wird auch auf dem Festivalgelände versucht das Publikum abzukühlen, doch sind nur vereinzelte Personen zwischen den Bühnen in den Schatten geschart zu erkennen. Eine Band, deren Sound bis auf die Wiese unleugnebar interressant klingt, ist My Friend The Immigrant. Die Wiesbadener Jungs sind stehen noch ganz am Anfang, doch haben sie viel Potential, zu den großen Indie/Alternative Vertretern des Landes zu gehören. Die Band, bestehend aus vier Brüdern und einem Kanadier, dem „Immigrant“, überzeugen neben ihrer Hitzebeständigkeit durch starke Songs, die sogar in der brennenden Sonne zum Tanzen verleiten! Wir sind gespannt, was wir von My Friend The Immigrant noch hören werden!

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Auf der Hauptbühne spielen am frühen Abend Mono und Nikitaman, die sozialkritische Texte mit Dancehall- und Reggaeelementen zusammenführen. Jeder Song erzählt eine eigene Geschichte und das Duo sendet ein Signal, indem sie politisch und im wörtlichen Sinn Farbe bekennen! Als Zuschauer sieht und hört man gleich, dass die 14 Jahre des gemeinsamen Musizierens Mono und Nikitaman zu einem eingespielten Team haben werden lassen, die eine Lässigkeit verkörpern aber musikalisch völlig auf dem Punkt landen.

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Der energetische Höhenflug des Konzerts von RDGLDGRN ist unverwechselbar und atemberaubend begeisternd. Wer zu Anfang noch mit verwirrter Miene das Chaos an Konsonanten, welches anscheinend ein Bandname sein soll, im Programmheft studiert, wird den Namen wenige Minuten später verzückt gen Bühne grölen und ihn danach noch auf den Lippen tragen, während er in Erinnerungen an dieses Konzert schwelgt. Lange Rede, kurzer Sinn: RDGLDGRN (gesprochen: Red Gold Green) sind live ausgezeichnet wunderbar. Jedes Mitglied des Trios trägt Red, Gold, oder Green als Pseudonym und jeden Tag in Form von einfarbiger Kleidung am Körper. Egal, was die persönlichen Präferenzen im Alltag sind, man mag das, was die Musiker aus DC auf der Bühne tun. Mit dem Mix aus Hip-Hop und Rock treffen sie einen Nerv. Keine Sekunde sind die Zuhörer unaufmerksam. Auch wenn sie noch vor dem großen Erfolg stehen, so haben sie schon mit Pharell und Dave Grohl zusammengearbeitet. Musikalisch sind sie so ausgereift und spezialisiert, dass man kaum glauben kann, noch nie einem Song von ihnen im Radio gehört zu haben.

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Im Laufe des Tages wird zum entsetzen vieler Fans bekannt, dass die deutschsprachige Post-Hardcore Band Heisskalt nicht wie geplant auftreten kann, wegen der Verletzung eines Bandmitglieds. Frontsänger Mathias Bloech steht für ein kurzes Set mit E-Gitarre und Looppedal auf der Bühne und die wenigen Songs, darunter auch Lieder vom neuen Album „Idylle“, scheinen ganz neue Facetten zu haben. Die Meinungen der Besucher differenzieren stark. Von Aussagen wie „unfassbar wunderschön“ bis hin zu „sehr enttäuschend“ ist alles dabei. Viele Liebhaber der Band vermissen den heiß ersehnten Moshpit und die lauten harten Stellen der Songs. Andererseits bietet sich hier auch die Chance einer absoluten Premiere zu lauschen. Die Emotionalität des Sängers auf der Bühne, in bunt gemusterter Badehose und mit verunsichertem Blick, ist eine ganz andere, als auf einem „normalen“ Konzert in Standardbesetzung. Chapeau an Mathias, der erst mit dem Looppedal kämpft, um dann eine atmosphärische Ausnahmesituation zu erzeugen, rau und ungeschminkt. Er und die verwinkelten hervorragenden Texte lassen es doch als etwas Ganzes erscheinen.

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Danko Jones, Vertreter des Hard Rocks und Headliner des diesjährigen Trebur Open Airs erzeugen über eine Stunde einen homogenen unverwüstlichen Klangteppich. Der Stil der einzelnen Songs unterscheidet sich leider nicht übermäßig und die Menge vor der Bühne besteht größtenteils aus Männern mittleren Alters, die entweder mit einem Füß oder dem Kopf wippen. Die Kanadier können leider nicht alle Festivalbesucher abholen und mitreißen, aber sie wirken von sich selbst sehr überzeugt.

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Am Sonntag boykottieren wir mit Grossstadtgeflüster die Realität samt der Aussicht dem TOA für dieses Jahr Adieu sagen zu müssen. Das Trio aus Berlin motiviert die Masse zum Springen und lauten Mitsingen. Unheimlich sympathisch wirkt die Elektropop-Band mit den mitreißenden Songs. Bei so viel Energie auf der Bühne vergessen wir unseren Sonnenbrand und das nahende Ende des Wochenendes.

Nach dem traditionellen Konzert von Elfmorgen, die soetwas wie die musikalischen Cheerleader des Festivals verkörpern und die Liebe für das TOA jedes Jahr zelebrieren, geht es groß weiter auf der Hauptbühne. Mit Shantel & Bucovina Club Orkestar dürfen wir ein würdiges Finale miterleben und werden musikaisch entführt in die Provinz von Bukovina. Man wünscht sich das die „Disko Partizani“ nie enden mag. Die neuen Interpretationen von osteuropäischer Tanzmusik mit Bläsern sind gespickt mit ausergewöhnlich unterhaltsamen Texten. Immer wieder überteffen sich die Musiker selbst und bannen die volle Aufmerksamkeit der Meute vor der Bühne.

Wir hatten ein wunderschönes Wochenende, gefüllt mit Bands, deren Musik wir entdecken durften. Jedes Jahr gelingt es dem TOA einen Ort für die internationalen und lokalen Musiker zu bieten und die Tage mit mühsam ausgewählten Programmpunkten wie einem Poetryslam auszustatten. Die Stimmung unter den Besuchern ist aus diesem Grund so besonders an diesem Wochenende im Jahr!