Nach zwei Konzerten im vergangenen Juni hat Indie-Darling Courtney Barnett Deutschland für erneut zwei Konzerte einen Besuch abgestattet.
Nach Sommershows im Berliner Astra Kulturhaus und der Kölner Live Music Hall (mit jeweils einer Kapazität von ca 1.500 Besuchern) hat sich mit dem Schlachthof Wiesbaden sowie dem Huxley’s in Berlin die Kapazität der Venues für die Wintershows auf über 2.000 Besucher erhöht. Zumindest in der hessischen Landeshauptstadt wäre dies nicht nötig gewesen, sogar die leicht verkleinerte Halle wird von der Australierin nicht ganz gefüllt. Die, die da waren, wurden dagegen Zeuge von einer der besten Shows des Jahres. Doch von vorne. Während Barnett mit einer dreiköpfigen Liveband auftritt, hat Laura Jean die Bühne ganz für sich alleine. Viel bewegt sich die ebenfalls aus dem australischen Melbourne stammende Künstlerin allerdings nicht. Geht auch schlecht, wenn man musikalisch an den Synthesizer gefesselt ist und eine experimentelle Soundkulisse nach der anderen auffährt, unterbrochen von Saxofon-Soli. Experimental Folk, auf den man sich einlassen muss.
Das mit dem Einlassen gilt auch für die Musik von Courtney Barnett, jedoch auf eine andere Weise. Auf ihren bisherigen zwei Alben „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ von 2015 sowie dem im vergangenen Mai veröffentlichten Nachfolger „Tell Me How You Really Feel“ singt die schüchterne Künstlerin nicht nur über den Herzschmerz, sondern vor allem über Alltagsbeobachtungen, Abneigungen gegen Sexismus („Nameless, Faceless“) oder auch mal die #metoo-Bewegung („I’m Not Your Mother, I’m Not Your Bitch“). In ihrem Heimatland konnte sie damit bereits die Vizeposition der Albumcharts einnehmen, hierzulande reicht das immerhin schon zu Platz 24. Dass es Barnett bei genug Gerechtigkeit früher oder später auf die Pole Position verschlagen wird, können alle Konzertbesucher schon im Opener „Hopefulessness“ erahnen. In dem zunächst ruhigen und später wüsten Stück schimmert ihre raue, aber beruhigende Stimme bereits durch und alle Töne sitzen perfekt. Die starke Liveband tut dabei ihr Übriges.
Das 90-minütige Set wird zu Beginn vom neuen Album bestimmt, während ältere Songs erst später vorgetragen werden. Vom gemeinsamen Album mit Slacker-Kollege Kurt Vile gibt es nichts zu hören, dafür ein Cover vom The Go-Betweens-Song „Streets Of Your Town“. Ganz egal welchen Song Barnett gerade auspackt, alles daran ist großartig, weil sie nicht erst versucht, krampfhafte Ansagen nach jedem Song zu machen, sondern die lässige Musik mit den wichtigen Themen für sich sprechen lässt. Dass es dazu noch eine fantastische Lichtshow zu bewundern gibt, ist das i-Tüpfelchen der Show. Für den größten Gänsehaut-Moment sorgt Barnett sogar mit einem weiteren Cover: Als erste Zugabe performt sie ganz alleine „Everything Is Free“ von Gillian Welch. Der komplette Schlachthof hängt an ihren Lippen und man könnte die altbekannte Stecknadel fallen hören. Weil das Konzert nach „Anonymous Club“ mit ihrem vielleicht größten Hit „Pedestrian At Best“ endet, betritt man die frische Winternacht mit einem Lächeln auf den Lippen. Erfolgreiche Therapiesitzung.
© Fotos von Valentin Krach