Livereview: Wish You Were Here + Support, Museum Wiesbaden, 03.12.2018

Jesse Barnett ist ein Name, der in der Hardcoreszene wohl allen bekannt sein dürfte. Der Frontmann von Trade Wind und Stick To Your Guns scheint eigenen Angaben nach schnell gelangweilt zu sein, weswegen dieser neulich die Formation namens Wish You Were Here ins Leben gerufen hat. Wir berichten vom schönen Abend im Wiesbadener Museum.

WYWH-1Ein Hausklavier muss benutzt werden! Dieser Devise nach betritt zu Beginn der Pianist und Keyboarder von Wish You Were Here Noah die Bühne und nutzt den vorhandenen Flügel für eine einmalige Performance auf der Tour. Präsentiert werden zwei kurze Stücke, von denen eines seiner Mutter gewidmet ist. Die kurze Performance ist zwar von Verspielern heimgesucht, aber alles in Allem sehr süß und ein passender Einstieg in einen angenehmen Abend. Schon hier fällt positiv auf, wie ruhig das Publikum bleibt und sich vollkommen in der Musik fallen lassen kann.

WYWH-2Nach einer kurzen Umbaupause nimmt das zweite Mitglied der Band den Platz auf der Bühne ein. Scott Ruth verzaubert das Publikum eine halbe Stunde lang mit Eigenkompositionen seines Soloprojekts und zeigt sich dabei ebenso technisch versiert wie auch greifbar. Der Einsatz eines Rückkopplungspedals entpuppt sich als das perfekte Tool, um Atmosphäre zu kreieren: Zu Beginn einiger Songs werden Akkorde auf ein sanft hallendes Gitarrenecho gestützt, was kombiniert einen homogenen und warmen Klang ergibt. Ruth spielt seine Gitarrenparts sowie auch ein späteres Klavierstück mit betörender Eleganz und Präzision. Die Musik kommt gut beim Publikum an, welches Ruth nach dem letzten Lied mit tosendem Applaus dankt. In diesem Sinne ist es für jeden Folkfan definitiv empfehlenswert, sich mehr von ihm anzuhören. Chapeau!

WYWH-4Zu guter Letzt steigt Jesse Barnett breit grinsend auf seinen Hocker und stimmt seine etwas zickige Akustikgitarre, die im Verlauf des Abends nicht so Recht in Stimmung bleiben möchte. Das tut aber der Performance überhaupt keinen Abbruch, denn mit „The Reach For Me: Forgiveness of Self“ fließen direkt die erste Tränen im Publikum. Die Mischung aus altbekannten Stick To Your Guns und Trade Wind Liedern ist perfekt: Sowohl „Lowest Form“, „Nobody“ oder auch „Left You Behind“ erblicken an diesem Abend das schummrige Museumslicht und klingen einfach brilliant. Der normalerweise von Stimmproblemen betroffene Barnett singt sauber und angenehm, was als völliger Kontrast zu den Auftritten seiner sonstigen Projekte zu verstehen ist. Nach ein Paar Stücken betreten die beiden Herren aus dem Vorprogramm auch die Bühne und steuern sowohl flächige Keyboardsounds als auch gelungene Gitarrenlicks bei. Das Material von Wish You Were Here ist ebenso wirklich herzerwärmend und angenehm zu hören: „No Say“ klingt auf der Bühne des außergewöhnlichen Konzertortes äußerst filigran und lädt zum Mitsingen ein, während andere dem Publikum noch unbekannte Lieder auch mit starkem Applaus bedient werden. Barnett zeigt sich gesprächsfreudig und bietet immer wieder sowohl Hintergrundgeschichten zu den Liedtexten oder auch Schabernack über seine Kollegen. Am Ende des Abends verabschiedet sich die Band nach 75 Minuten mit „We Still Believe“ und Barnetts Versprechen, im Anschluss am Merchandise zur Verfügung zu stehen.

WYWH-10Jesse Barnett zählt mit seinen zahlreichen Projekten zu einem der wohl produktivsten Musiker der härteren Rockszene. Umso erfreulicher und schöner ist es, wenn jede Formation durchwegs gut ist. Wish You Were Here und die Opener haben gezeigt, dass ruhige Musik auch mal sein muss – und sogar von jemandem stammen kann, der sonst gerne zehntausende Menschen anschreit.