Livereview: A Perfect Circle + Support, Palladium Köln, 10.12.2018

Bereits im Sommer haben A Perfect Circle ihren Weg durch Europa gemacht und Festivals wie Rock am Ring bespielt. Im Winter fand die Band aus Kalifornien nun nochmals ihren Weg hierher für eine eigene Headline Tournee. Wir berichten vom tollen Abend im Kölner Palladium.

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Es fühlt sich schon etwas spät an, als um 20 Uhr Singer-Songwriterin Chelsea Wolfe die Bühne betritt. Doch was sich vorher in Gestalt einer Liedermacherin ankündigt, stellt sich als volle Band mit Doom und Black Metal Einschlag heraus. Das Quartett spart sich Investitionen in aufwendiges Licht und genießt für weiteste Teile des Auftritte fast vollkommene Dunkelheit mit Rotlicht im Nacken. Musikalisch kreuzen sich Popanleihen mit experimentellen Gitarren und wummernden Synthesizern, während Wolfe darüber engelhaft singt. Das kreative Mastermind ist im Verlaufe der 45 Minuten äußerst wortkarg und lässt bis auf eine kurze Verabschiedung die Musik allein für sich sprechen. Der wohl größte Kritikpunkt ist das langsame Tempo aller Lieder, welches im Publikum vermehrt für Müdigkeit sorgt. Der suboptimale Sound des Palladiums trägt in diesem Falle leider auch nicht wirklich zu weiteren Pluspunkten bei, da sowohl Wucht als auch Differenziertheit im Raum verloren gehen. Was aber von der Musik erkennbar ist, ist interessant und ein innovativer Impuls für alle die sich fragen, was einem als Singer-Songwriter alles an Möglichkeiten zusteht.

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Nach einer halbstündigen Umbaupause ertönt zusätzlich zu den vielen Postern noch eine Ansage, die verkündet, man solle sein Handy während des Auftrittes nicht für Bilder oder Videos benutzen. Die A Perfect Circle Fanbase entgegnet dieser Ankündigung mit starkem Applaus und Jubel und in der Tat, es tut gut, einfach mal abzuschalten und das Konzert nur mit sich selbst und der eigenen Erfahrung zu verbringen. um 21:15 Uhr betreten A Perfect Circle zu einem dem Song „Get The Lead Out“ ähnelndem Intro die Bühne. Sanft und dynamisch wählt das Quintett den Titelsong des jüngsten Albums ‚Eat The Elephant‘ als Einstieg. Von Sekunde eins an gehen Keenans Gesangspassagen durch Mark und Bein, und im Verlaufe des Abends zeigt sich, dass der gleichzeitige Frontmann von Tool und Puscifer einfach nicht gut darin ist, Fehler zu machen. Unterstützt von seiner starken Band bestehend aus Mitgliedern großer Projekte wie die Smashing Pumpkins oder Failure nimmt die Gruppe den Zuhörer mit auf eine gut ausgewogene musikalische Reise durch alle Alben. Hierbei fällt direkt beim zweiten Song ‚Disillusioned‘ auf, dass mehr Dynamik im Spiel ist als zuvor: Ein von Klavier begleiteter Zwischenteil bringt das Palladium vollends zum Schweigen, was erneut bestätigt, dass A Perfect Circle Meister der Atmosphärik sind. Billy Howerdels Gitarrenleads stechen an jenem Abend aufgrund ihrer angenehm hohen Lautstärke besonders heraus, während der Rest der Band gut zusammenspielt. Ältere Lieder von ‚Mer de Noms‘ (siehe ‚Thomas‘, ‚Judith‘ oder ‚The Hollow‘) betonen die härteren Seiten der Band und vermitteln Ansporn zum Kopfnicken während die neuen Songs sich auf eine Ausweitung der verwendeten Instrumente fokussieren. So springt Howerdel beispielsweise bei ‚The Contrarian‘ zwischen einem kleinen E-Piano und seiner E-Gitarre hin und her, was dem mit bewegungsaffinsten Mitglied der Gruppe noch mehr Beschäftigung erlaubt.

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Wo wir schon von Bewegung sprechen ist an dieser Stelle Keenans teils gruselige, komische und zugleich einzigartige Performance zu erwähnen. Der im Nebenberuf als Weinbauer beschäftigte Sänger dürfte allen dafür bekannt sein, am hinteren Bühnenrand auf einer Plattform zu stehen, wild zu gestikulieren und zu tanzen, während er seine Musik absolut sauber herüberbringt. Das Bühnenbild unterstützt hierbei elegant das musikalische Geschehen: Eine Leinwand, die in mehrere Splitterstücke aufgeteilt wurde, ziert wie von der Decke hängende Dekoration alle Teile der Bühne und projiziert Dinge wie optische Spielereien mit Licht und Schatten, riesigen Unterwasserbildern (‚So Long, and Thanks for All the Fish‘) oder auch den vom Albumartwork bekannten Oktopus in ‚Delicious‘. Es fällt äußerst positiv auf, dass die Band sich ein Design ausgesucht hat, das die Musik nicht überlagert und nur die wesentlichen, nötigen visuellen Komponenten beisteuert. Härtere Schnitte wie ‚Counting Bodies Like Sheep to the Rhythm of the War Drums‘ werden von schwarz-weißen Lichtkegeln und staccato Strobo begleitet. Das Quintett verabschiedet sich mit drei starken Liedern inklusive einem Cover von ACDCs ‚Dog Eat Dog‘, welches dank Keenans Stimme schon fast nach einem eigenen Lied klingt. Das anschließende hypnotisierende ‚The Package‘ baut sich fortwährend bedrohlich auf, um in einen harten Break auszubrechen und – einer Spannungskurve ähnelnd – anschließend wieder zu vollkommener Ruhe zurückzukehren. In der Tat schaffen es A Perfect Circle irgendwie, die bestmögliche Akustik aus dem Palladium herauszuholen, was den Auftritt umso genießbarer macht. Im finalen ‚Delicious‘ gibt es dann vom Frontmann auch die Erlaubnis, Videos oder Bilder zu machen.

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Nach knapp einer Stunde und fünfundvierzig Minuten ist für mich ein scheinbar perfekter Auftritt einer Gruppe bestehend aus Meistern ihres Handwerkes vorbei und es gibt keine wirklichen Kritikpunkte, an denen man irgendwie festmachen könnte, dass A Perfect Circle mit ihrem neuen Album ihre Livequalitäten verloren hätten, im Gegenteil: Der nun noch stärkere Kontrast zwischen ruhigen Klavierparts und gitarrenlastigen Ausbrüchen wie in ‚TalkTalk‘ tut der Konzerterfahrung gut und macht den Auftritt rund. Wer die Chance hat, dieses Projekt live zu erleben, sollte sich diese Chance auf keinen Fall entgehen lassen. Ansonsten darf man sich ja schon auf die Wiederkehr von Tool freuen – hoffentlich diesmal auch mit einem neuen Album.

Bilder von Valentin Krach ©