Livereview: Muff Potter + Support, Schlachthof Wiesbaden, 02.02.2019

Eines ihrer letzten Konzerte vor ihrer Auflösung hatten Muff Potter am 30. November 2009 mit ihren langjährigen Freunden Hot Water Music im Wiesbadener Schlachthof gespielt. Logisch, dass die Deutschpunk-Band aus dem westfälischen Rheine auf ihrer ersten Tour seit ihrer Reunion beim Anti-Nazi-Festival Jamel rockt den Förster im vergangenen August auch im Schlachthof Halt macht und ihre insgesamt 13.! Show im Kulturzentrum der hessischen Landeshauptstadt spielt.

Muff Potter

Wer das heute erleben darf, darf sich äußerst glücklich schätzen, denn so wie fast alle der sieben Konzerte war auch die heutige Show nach weniger als 48 Stunden ausverkauft. Und dass bald ein 14. Mal für Muff Potter im Schlachthof ansteht, ist auch schon sicher: Am 20. Juli kehrt das Quartett mit Frank Turner im Gepäck für ein Open-Air-Konzert nach Wiesbaden in den Kulturpark des Schlachthofs zurück. Doch bleiben wir erstmal in der Gegenwart. Leider haben es Muff Potter verpasst, sich einen von unzähligen neuen deutschen Punk-Hoffnungsträgern als Support ins Boot zu holen, dafür darf Stage Manager Felix Gebhard für eine halbe Stunde das erwartungsvolle Publikum mit meditativem Noise umgarnen. Den Großteil der Spielzeit verbringt der Berliner alleine auf der Bühne, am Ende wird er noch von den Muff-Potter-Mitgliedern Dominic ,,Shredder“ Laurenz (Bass) und Thorsten ,,Brami“ Brameier (Schlagzeug) unterstützt, was den Lautstärkepegel zwar in die Höhe treibt, allerdings ohne den Unterhaltungswert mitzuziehen.

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Als sich Muff Potter am 12. Dezember 2009 aufgelöst hatten, sah die deutsche Punk-Landschaft noch gänzlich anders aus: Feine Sahne Fischfilet waren noch lange kein landesweites Phänomen, sondern noch eine frisch gegründete Provinz-Band, die Donots haben noch auf Englisch gesungen, Felix Schönfuss‘ Augenmerk lag noch auf Escapado und weder auf Frau Potz noch Adam Angst und Itchy hatten noch ein ,,Poopzkid“ im Namen. In der Zwischenzeit sind Muff Potter zu echten Ikonen der Szene geworden, Alben wie Bordsteinkantengeschichten oder Von wegen zählen heute zu absoluten Klassikern des deutschen Punkrock. So überrascht es nicht, dass im Publikum mehrere Generationen vertreten sind. Also auch Leute, die damals noch zu jung waren, um die Band noch live zu erleben, heute aber so inbrünstig mitsingen, als hätten sie neun Jahre lang nichts anderes gemacht, als auf diesen Abend zu warten.

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Und Muff Potter machen alles richtig. In knapp zwei Stunden spielt sich die Band um das einzig verbliebene Gründungsmitglied Thorsten ,,Nagel“ Nagelschmidt durch ein Set, das alle fünf Alben seit 2000 einbezieht und sogar noch Zeit für die B-Seite 23 Gleise später von der Raritäten-Compilation Colorado (erschienen im vergangenen Oktober) findet. Schon beim Opener Born blöd glaubt man schon nicht mehr, dass diese Band neun Jahre lang nicht zusammen auf der Bühne gestanden hat. Nichts wirkt gewollt, alle Hits sind mit dabei, das Publikum sowieso und vor allem hat die Band noch wahnsinnigen Spaß an der Sache. Nagel erzählt reichlich Anekdoten aus der langen Bandgeschichte und im Wechsel mit Dennis Scheider tragen die beiden Gitarristen die vielleicht tiefgründigsten Texte deutscher Punkgeschichte vor. Übertönt werden sie spätestens in Wir sitzen so vorm Molotow von über 2.000 Besuchern, denen das Lachen für lange Zeit nicht mehr aus dem Gesicht weichen wird und die im Moshpit, so scheint es, eigenhändig dafür sorgen wollen, dass das Kapitel Muff Potter so schnell nicht wieder vorbei ist. Doch für den Moment sind sie einfach wieder da.