Livereview: Interpol + Support, Schlachthof Wiesbaden, 05.06.2019

Bevor Interpol in zwei Wochen bei den Zwillingsfestivals Hurricane und Southside auftreten, hat das Trio im Kölner E-Werk sowie im Wiesbadener Schlachthof erneut bewiesen, dass sich seine kühle Musik erst so richtig in voller Dunkelheit entfaltet.

Psychedelic Porn CrumpetsPsychedelic Porn Crumpets sind für den Psychedelic Rock ungefähr das, was Graveyard für den Retrorock sind: Beide Bands lassen sich von mehreren Jahrzehnten voller großartiger musikalischer Schöpfungen innerhalb ihres auserwählten Genres inspirieren und fügen diesem scheinbar leichtfüßig neue Duftmarken hinzu, welche vor allem auf dicken Gitarrenriffs fußen, die nur davon schreien, in möglichst hoher Lautstärke durch den Verstärker gejagt zu werden. Dazu kommt, dass beide Bands gleichzeitig wahnsinnig frisch und dennoch so alt klingen, als sei deren Musik in den 70er- oder 80er-Jahren entstanden. Für die Psychedelic Porn Crumpets stellen die aktuellen Shows die ersten mit dem neuen Album And Now For The Whatchamacallit dar, welches vergangenen Freitag erschienen ist und die Australier so stark wie nie zeigt, was in einer fantastischen Liveshow mündet, in der sich die teilweise drei Gitarristen die Riffs wie Spielbälle leichtfüßig zuwerfen. Ein vergleichsweise unpassender Support-Act für Interpol, welcher dennoch vom Publikum begeistert aufgenommen wird.

Interpol-3Allgemein scheint der heutige Abend äußerst frenetische Reaktionen hervorzurufen, denn auch Interpol brausen während ihres anderthalbstündigen Auftritts regelrechte Jubelstürme ihrer Fans entgegen. Das dürfte natürlich auch an der Auswahl der Setlist liegen, denn von den 20 Songs entfallen jeweils sechs auf die grandiosen ersten beiden Alben Turn On The Bright Lights und Antics, welche auch zurecht zu den Favoriten unter den Interpol-Fans gehören. Eröffnet wird dagegen mit Pioneer To The Falls von Our Love To Admire und schon im Opener gibt es erste Impressionen der folgenden Lichtshow zu bestaunen. Über der Band hängt eine Discokugel, welche von zwei weiteren Artgenossen an den hinteren Rändern der Bühne ergänzt wird. Zusammen kreieren diese ein Meer aus gefühlt tausenden Lichtern, in welchem die Band verschwindet. Atmosphärisch untermalt dieses den Indierock/Post-Punk von Interpol perfekt. Erweitert wird die Lichtshow von insgesamt zehn doppelteiligen LED-Leuchten, welche sowohl am Bühnenrand als auch hinter Schlagzeug/Keyboard aufgerichtet sind.

Interpol-4Frontmann Paul Banks sieht mit seiner Sonnenbrille zwar aus wie Noel Gallagher, live ist die Ähnlichkeit seiner Stimme zu der von Ian Curtis dagegen nur noch frappierender. Vor allem aber ist Banks gut in Form und meistert sowohl die in sich gekehrten, ruhigen Momente als auch die aufbrausenden, in denen Interpol jedes Mal so klingen, als würden sie wirklich gleich jede Indiedisco auf der Welt übernehmen. Die Setlist ist zudem wie ein klassisches Drama aufgebaut, jedoch ohne den vierten und fünften Akt, denn ein Spannungsabfall ist heute nicht zu verzeichnen, stattdessen heben sich Interpol Obstacle 1 für das große Finale und den letzten Song der Zugabe auf. Quasi das i-Tüpfelchen eines grandiosen Konzertes.

© Fotos von Joshua Lehmann