Livereview: War On Women & Petrol Girls, Kesselhaus Wiesbaden, 12.06.2019

Laut War-On-Women-Frontfrau Shawna Potter seien Konzerte von mehreren Bands mit Frontfrauen am Mikrofon in ihrer Heimat USA eine absolute Seltenheit. Ein Grund mehr, über diesen fantastischen Abend voll feministischer Botschaften zu berichten.

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Ren Aldridge fühlt sich heute krank. Deshalb lässt sich die Frontfrau der Petrol Girls aber nicht davon abbringen, ihre übliche energische Performance mit zahlreichen wichtigen Ansagen durchzuziehen. Die österreichisch-englische Band hat erst Ende Mai ihr fantastisches zweites Album Cut & Stitch veröffentlicht, auf welchem sie ihrem von Wut angetriebenen Post-Hardcore erstmals auch kurze Verschnaufpausen gönnt. Diese lassen sie heute Abend allerdings musikalisch außen vor, neue Songs wie The Sound oder das nationalkritische No Love For A Nation schmiegen sich perfekt zwischen alte Songs wie Harpy oder Survivor. Höhepunkt jeder Petrol-Girls-Show ist aber weiterhin Touch Me Again, dem eine wutentbrannte Rede von Aldridge vorausgeht, in welcher sie gekonnt jedem Konzertbesucher den ,,No means No“-Slogan ins Hirn brennt. Wenn aus der Sängerin zum Schluss viermal ohne musikalische Begleitung die Zeile ,,Touch me again and I’ll fucking kill you“ herausbricht, ist das nicht nur für sie selbst, sondern auch für betroffene Frauen im Publikum von reinigender Wirkung. Von schönem Charakter ist auch die Tatsache, dass zwar mehr Männer das heutige Konzert besuchen, diese aber den Frauen den Platz unmittelbar vor der Bühne überlassen, damit diese in einem ,,Safe Space“ das Konzert ihrer Lieblingsbands genießen können. Nach der Anti-Unterdrückungs-Hymne Big Mouth beenden Petrol Girls ihren Auftritt mit Naive, welcher zugleich auch Cut & Stitch abschließt. Rund 45 Minuten nach Beginn des Konzertes fühlt sich Aldridge schon deutlich besser – ein Ergebnis von Katharsis in ihrer reinsten Form.
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Als War On Women nach einer viertelstündigen Umbaupause mit dem kurzen Childbirth ihr Set eröffnen, verweilt ein Großteil der Konzertbesucher noch im Sonnenuntergang vor der Tür des Kesselhauses, wird dann aber ganz schnell von den Klängen des treibenden Riot-Grrrl-Thrash-Hardcore-Punkrocks wieder nach drinnen getrieben. Dort angekommen, wird man über die nächsten 40 Minuten vor allem Zeuge von der humorvollen Show von Frontfrau Shawna Potter, welche die durch und durch ernste Musik ihrer Band mit belustigenden Tanzeinlagen untermalt, den direkten Kontakt mit dem Publikum sucht oder einfach mal ein paar Grimassen zieht und in jede aufscheinende Kamera grinst. Zum Running Gag mutiert zudem der frühe Ausverkauf zahlreicher Merchandise-Artikel auf der aktuellen Tour. Dennoch schafft es Potter immer wieder, die Gedanken auf ernste Themen zu lenken und den Feminismus, welchen ihre Band verkörpert, zu feiern. Die letzte Veröffentlichung des Quintetts war vergangenen November die Akustik-EP Live From Magpie Cage, heute verzichten War On Women dagegen auf jegliche Experimente. Der Versuch, sich auf Deutsch mit der Menge zu verständigen, scheitert kläglich, andersherum schafft es diese hingegen, der Band deutlich zu machen, dass diese doch bitte für eine Zugabe auf die Bühne zurückkehren soll. Trotz einer gerissenen Seite von Gitarrist Brooks Harlan kommen die US-Amerikaner diesem Wunsch nach, auch, weil Harlan für den letzten Song die Gitarre von Petrol-Girls-Gitarrist Joe York geliehen bekommt. Das verdeutlicht den immensen Zusammenhalt innerhalb der Punk- und Hardcore-Szene, von welchem sich der Alltag draußen vor der Tür gerne mal eine Scheibe abschneiden könnte.

© Fotos von Valentin Krach