An diesem eigentlich recht warmen Montag Anfang Februar peitscht am frühen Abend ein ekliger Nieselregen die wenigen Konzertbesucher in das Wiesbadener Kesselhaus im Kulturzentrum Schlachthof. Dort wird man je nach Erscheinen entweder durch absolut irrwitzigen Psychedelic-Irgendwas oder erstklassigen Indie-Garage-Punk aufgewärmt.
Ersteres bieten Lingua Nada aus Leipzig den handgezählten 59 Konzertbesuchern. Das Quartett hat sein Potpourri aus Psychedelic-, Noise-, Math- und Indierock auf bislang zwei Alben gepresst, live überrascht Sänger, Gitarrist und Keyboarder Adam Lennox Jr. Unwissende beim zweiten Song erstmal mit Autotune, bevor er sich die Gitarre auf Achselhöhe um den Hals hängt und diese für den Rest der Show nicht mehr auszieht. Der 45-minütige Auftritt wird leider vermehrt von ausschweifenden Übergängen zwischen einzelnen Songs beeinträchtigt, was laut Band daran liegt, dass sie in dieser Besetzung zum ersten Mal zusammen spielen. Gen Ende ihrer Show streuen Lingua Nada vermehrt einzelne Metal-Momente ein, besonders erinnerungswürdig ist dagegen ein lyrisches, ostdeutsches Einsprengsel von Schlagzeuger Felix Kothe, dessen Hintergrund sich wahrscheinlich nur er selbst bewusst ist.
Dass Gender Roles mit ihrem Bandnamen die damit verbundenen Stereotypen von Geschlechterrollen kritisieren und sich darüber mokieren, zeigt schon das Design eines heute am Merchandise-Stand zu erwerbenden T-Shirts, auf dem die Köpfe der drei Bandmitglieder als Comicfiguren so abgedruckt sind, dass man auch denken könnte, es würde sich um drei Frauen anstelle von drei Männern halten. Und wem das nicht genug Beweismaterial ist: Das Trio kommt aus Brighton, der UK-LGBTQ-Hauptstadt. Aufgrund ihres Wohnortes wird der nahende Brexit-Vollzug der Band das Touren natürlich erschweren, Zukunftsängste zeigt die gutgelaunte Band heute Abend allerdings nicht. Sänger und Gitarrist Tom Bennett wird dagegen von einer Erkältung heimgesucht, die sich leider auch auf seine Gesangsqualitäten auswirkt. Wie ihr Debütalbum Prang eröffnen Gender Roles das heutige Konzert mit dem sich behutsam aufbauenden You Look Like Death, dessen Songstruktur sinnbildlich für den Auftritt der Briten steht: Nach einem verhaltenen Beginn spielen sie sich in einen kleinen Rausch, der im Publikum genug Euphorie für das Fordern einer Zugabe auslöst. Die gibt es dann auch in Form von Skin, der es heute Abend als einziger Song von der im Januar 2017 veröffentlichten Debüt-EP Planet X-Ray auf die Setlist geschafft hat. Vorher gibt es sieben der zehn Songs von Prang und die komplette Lazer Rush-EP auf die Ohren, die sich allesamt wie fluffige Zuckerwatte in den Gehörgängen festsetzen. Vielleicht erinnern Bennetts Haare auch deswegen an die beliebte Jahrmarkt-Süßware.
© Fotos von Valentin Krach