Noch während der Promophase zu Nothing Left To Love, dem im November erschienenen sechsten Album von Counterparts, erklärte Frontmann Brendan Murphy, dass er bislang nicht das Gefühl habe, dass seine Band auf dem europäischen Festland groß wahrgenommen wird. Dieses Gefühl dürfte sich nach der aktuellen Europatour der Kanadier geändert haben.
Bereits vor dem Beginn der zweiwöchigen Tour meldeten alle drei Konzerte in Deutschland ausverkauft und für acht von elf Konzerten im Vereinigten Königreich gab es nur noch wenige oder gar keine Tickets mehr. Natürlich muss man dazu erwähnen, dass neben einer Show im niederländischen Alkmaar zum Tourauftakt keine weiteren Länder auf dem Reiseplan stehen, für Counterparts stellt diese Entwicklung dennoch so etwas wie einen finalen Durchbruch in Europa dar. Während bei allen Konzerten im Vereinigten Königreich zusätzlich Static Dress im Vorprogramm auftreten, dürfen Chamber bei den vorherigen Shows eröffnen. Das bereits früh sehr gut gefüllte – und natürlich ausverkaufte – Kesselhaus bekommt von dem US-Quintett aus Nashville die volle Hardcore-Schlagseite entgegen, der es allerdings noch an Feinschliff fehlt.
An Qualität und Erfahrung mangelt es Can’t Swim trotz erst fünfjährigen Bandbestehens dagegen nicht. Das ebenfalls aus den USA stammende Quintett hat bereits zwei Alben veröffentlicht, die zwischen süßlichem Pop-Punk und pumpendem Hardcore changieren, während die im vergangenen Oktober erschienene und heute im Show-Mittelpunkt stehende EP Foreign Language mehr in die Hardcore-Kerbe schlägt, was Features von unter anderem Frank Carter und Stray-From-The-Path-Frontmann Drew Dijorio verdeutlichen. Die sind heute Abend natürlich nicht dabei, Can’t-Swim-Sänger Chris LoPorto muss deswegen aber nicht alles alleine stemmen, sondern wird kräftig von seinen Bandmitgliedern unterstützt. Das äußert sich im Falle von Bassist Greg McDevitt dann auch mal in einem rot anschwellenden Kopf, wenn dieser energiegeladen ins Mikrofon schreit. Während des halbstündigen Auftritts beginnt der Moshpit vor der Bühne leicht zu brodeln, von der später austretenden Lava ahnt man zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nichts.
Being As An Ocean, Stick To Your Guns, Architects: Die Liste der Bands, die Counterparts auf dem europäischen Festland bereits supportet haben, ist lang. Dass eine Hardcore-/Metalcore-Band aus den USA, Kanada oder Großbritannien teilweise mehr als ein Jahrzehnt braucht, um sich hierzulande ein Publikum zu erspielen, zeigt nicht nur das Beispiel Stray From The Path, sondern eben auch das von Counterparts. Als das Quintett zum Album- und Konzert-Opener Love Me die Bühne betritt und zahlreiche Fans vor der Bühne den Text innig mitbrüllen, scheint es fast absurd, dass die Band aus Hamilton erst jetzt so richtig in Europa durchstartet. Dieses Gefühl überwiegt die komplette folgende Stunde und ganz egal, ob Counterparts gerade einen Song von Nothing Left To Love oder dem 2013 veröffentlichten dritten Album The Difference Between Hell And Home spielen: Der Moshpit scheint vor Energie nur so zu brodeln und aus den hinteren Reihen liest sich das Unterfangen äußerst brutal.
Als absolutes Live-Highlight erweist sich das Song-Trio No Servant Of Mine, Bouquet und Swim Beneath My Skin vom fünften Album You’re Not You Anymore, das in der Mitte der Show in eben jener Reihenfolge rezitiert wird. Nach zwölf Songs ist vorerst Schluss und dass die Konzertbesucher daraufhin nach einer Zugabe lechzen, ist für die Band laut eigener Aussage nicht selbstverständlich. Was zuerst nach PR-Maschinerie klingt, wirkt im Rahmen des Konzertes und der zahlreichen aufrichtigen Ansagen von Murphy komplett ehrlich und nicht vorgespielt. Mit dem brutalen Choke und The Disconnect, dem heute ältesten Song der Setlist, beenden Counterparts ein bärenstarkes Konzert so, wie es begann: mit zahlreichen Stage Divern und dem Gefühl von Empowerment, das Hardcore-Konzerte in der Regel anstreben, aber nur selten auch erreichen.
© Fotos von Joshua Lehmann