Livereview: Faber + Support, Schlachthof Wiesbaden, 06.03.2020

Dass Faber zum Beginn seiner Show im ausverkauften Wiesbadener Schlachthof erklären muss, dass seine Texte oft einen mehr als doppelten Boden haben ist eine traurige Randnotiz, die den Schweizer jedoch nicht davon abbringt, ein begeisterndes Konzert über fast zwei Stunden abzuliefern.

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Dass dieses überhaupt stattfinden kann, hat den Sänger und seine vierköpfige Band offensichtlich erleichtert, mussten sie doch ihre Konzerte in der Schweiz wegen einer Anordnung des Bundesrates aufgrund des Corona-Virus in den Juni verschieben. Von den Auswirkungen des Virus kann auch ganz Italien ein Lied singen, glücklicherweise kann Singer/Songwriter Clavdio wie geplant bei sieben Konzerten von Faber im Vorprogramm auftreten. Die Musik des Italieners erinnert zwangsläufig an klassische Singer/Songwriter aus dem Land am Mittelmeer wie Eros Ramazzotti, bricht durch elektronische Einsprengsel aber mit diesem Stil. Insgesamt kommt das zwar gut beim Publikum an, dennoch muss Clavdio stets gegen einen durch Unterhaltungen verursachten Lärmpegel im Publikum ankämpfen.

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Den gibt es bei Faber zwar auch, ist allerdings der Textsicherheit der 2.400 Konzertbesucher geschuldet. Obwohl sich der Sänger zum Beginn des halbstündigen Auftritts von Clavdio schon auf der Bühne blicken lässt, um diesen persönlich anzukündigen, ist die Begeisterung groß, als sich um 21 Uhr der schicke Bühnenvorhang öffnet und somit das Bühnenbild, Faber und seine Band freigibt. Umrahmt von einem Rosenfeld an der Vorder- und Hinterkante der Bühne eröffnet das Quintett mit Highlight noch eher zaghaft, wenn Faber jedoch in der zweiten Hälfte des Songs zur Akustikgitarre greift, kann man gar nicht anders als sich von der Musik mitreißen zu lassen. Mit Jung und dumm ziehen Faber und seine Mitmusiker anschließend das Tempo an, nur um dieses mit Es könnte schöner sein wieder zu drosseln. Diese Entwicklung steht dabei stellvertretend für die musikalischen Pole, die bei Faber aufeinandertreffen: Ruhige und düstere Balladen treffen auf klassischen Chanson, mit einem Bein badet Faber in Wehmut, mit dem anderen möchte er über die verrosteten Tanzflächen vergangener Jahrhunderte fegen.

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„Ich schau‘ dich an und du siehst top aus/ Baby, schau mich an und zieh dein Top aus/ Mach’s wie mit einem Lollipop/ Dann kauf‘ ich dir was Schönes bei Topshop“ singt Faber im Refrain von Top und wenn man es nicht besser wüsste, könnte man den Sänger an dieser Stelle für einen Macho und Sexisten halten. Dass er mit diesen Songzeilen das Auftreten gleichgültiger und sexistischer Männer kritisiert, wird allerdings spätestens im C-Teil der Single klar: „Bin ich so, weil sich meine Eltern streiten?/ Habe ich Schiss nie einen Job zu kriegen?/ Hab‘ ich Schiss mich in ’nen Mann zu verlieben?/ Ich fühl‘ mich schwach und mir ist peinlich, dass ich scheu bin/ Schlag‘ ich deshalb meine Freundin?“ Wie es auch bei K.I.Z der Fall ist, versetzt sich Faber in die Rollenbilder, die er kritisieren möchte, hinein. Zweifel hingegen des Mitsingens derlei Texte beseitigt Faber schnell selbst, indem er von der intimen ersten Tour mit dem zweiten Album I fucking love my life im vergangenen Herbst und davon erzählt, dass er einige Besucher des Raumes verweisen musste, weil diese die Bedeutung der Texte missverstanden und sich respektlos gegenüber anderen Besucher*innen aufgeführt hätten.

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Nach dem Zweiteiler Sag mir wie du heisst tritt Faber alleine und mit Akustikgitarre vor den nun wieder zugezogenen Vorhang. Während die Instrumentierung bei Ihr habt meinen Segen voll aufgeht, wirkt Das Boot ist voll ohne seine Moll-Klavier-Akkorde nicht mehr ganz so düster wie im Original, eindringlich ist der antifaschistische Text aber immer noch. Zum Abschluss der ersten Konzerthälfte zieht die Goran Koč y Vocalist Orkestar Band und ihr Frontmann das Tempo mit Songs wie Generation YouPornNichts und Vivaldi deutlich an, im anschließenden zweiten Teil steht vor allem das Debütalbum Sei ein Faber im Wind und ein leicht verändertes Bühnenbild im Mittelpunkt: Während über die LED-Wand am Bühnen-Backdrop zuvor stimmungsvolle Farben und verschiedene Wetter-Verhältnisse flimmern, ist dort nun ein Mond in Neumond-Lichtgestalt zu erkennen, was seinen Ursprung in der Textzeile „Baby, siehst du nicht, der Mond/ Ich hab ihn für dich aufgehängt“ aus Wem du’s heute kannst besorgen hat. Desto weiter das Konzert fortschreitet, desto mehr spielt sich Faber mit seiner Band in einen regelrechten Rausch, der mit Tausendfrankenlang nur einen logischen Höhepunkt finden kann und mit dem Pulp Fiction-Klassiker Miserlou sogar noch aufgemotzt wird. Danach ist aber immer noch nicht Schluss, das letzte Wort haben Faber und seine Akustikgitarre zum Cover des italienischen Mi votu e mi rivotu, bevor auch er hinter dem Vorhang verschwindet.

© Fotos von Valentin Krach