Auf der Tour zu ihrem brandneuen Album Darker Still stellen Parkway Drive einmal mehr unter Beweis, warum sie zu den allerbesten Live-Bands ihres Genres gehören, ohne jedoch die Superlative vergangener Touren zu erreichen.
Bevor die zigtausenden Konzertbesucher*innen jedoch in den Genuss der Live-Show der Australier oder ihrer beiden starken Vorgruppen kommen, heißt es erst einmal warten. Geschlagene 75 Minuten, bevor statt wie angekündigt ab 17 Uhr der Einlass erst ab 18:15 Uhr erfolgt, sodass nicht wenige bis dahin vom Regen völlig durchnässt sind. Dass trotz des verspäteten Einlasses am Zeitplan festgehalten wird und Lorna Shore wie geplant um 18:30 Uhr die Bühne betreten, während ein Großteil noch vor der Halle wartet, zeugt von einer eher unglücklichen Organisation. Dabei hätten es die US-Amerikaner verdient, vor einer vollen Halle aufzutreten. Zwar leidet die Performance der Deathcore-Band zunächst und immer wieder unter einem sehr breiigen Sound, das Quartett – Schlagzeuger Austin Archey ist aufgrund eines Bandscheibenvorfalls nicht dabei und wird von Bassist Michael Yager an den Drums ersetzt – und insbesondere ihr neuer Frontmann Will Ramos zeigen dennoch, dass der aktuelle Hype um sie gerechtfertigt ist. Insbesondere die gutturalen Gesangstechniken von Ramos und seine Pig Squeals gehören zu dem Besten, was Deathcore aktuell zu bieten hat, auch wenn seine Stimme immer wieder von dem zu lauten Schlagzeug oder den ebenfalls zu lauten Epic-Metal-Streichern aus der Büchse erdrückt wird.
Glücklicherweise wird der Sound anschließend deutlich besser. Was bei Lorna Shore mitunter wie ein einziger Brei gewirkt hat, gleicht bei While She Sleeps einer Wucht, sodass sich die Energie auf der Bühne rasant vor die Bühne überträgt, wo gleich mehrere große Moshpits entstehen. Die Band aus Sheffield spielt in einer Dreiviertelstunde ganze 10 Songs aus den letzten drei Alben, von denen sich auch die vier Songs (Eye To Eye, Sleeps Society, Systematic und You Are All You Need) vom im vergangenen Jahr veröffentlichten und kürzlich neuaufgelegten Album Sleeps Society als absolute Live-Highlights entpuppen. Dass über die gesamte Auftrittslänge höchstens Silhouetten der Musiker zu erkennen sind, macht das Quintett mit einem imposanten Bühnenbild wieder wett: neben zwei roten Flaggen mit dem darauf abgebildeten Logo der Band thronen gleich zwei riesige Boxentürme, auf die das Bandlogo aufgesprüht ist. Sänger Loz Taylor springt gleich zweimal ins Publikum und im finalen Systematic schaffen es While She Sleeps, dass sich die gesamte Festhalle hinsetzt und zusammen wieder aufspringt. Eigentlich kaum zu glauben, dass das hier noch nicht der Höhepunkt des Abends war.
Der Auftritt von Parkway Drive beginnt schließlich imposant: nach einem auf der LED-Leinwand gezeigten Video-Intro, betreten zahlreiche Fackelträger*innen sowie die vier Instrumentalisten der Band die Bühne, bevor das Intro von Glitch erklingt und nach explodierender Pyrotechnik auf einmal Frontmann Winston McCall auf der vorderen Kante des ins Publikum reichenden Laufstegs steht. Während sich erste Moshpits formieren, schießt zum Breakdown des Songs erstmals Feuer über die Bühne und zum letzten Ton des Songs gibt es nochmal ohrenbetäubende Pyrotechnik. Prey setzt anschließend die ganze Festhalle in Bewegung, bevor Carrion zu lautstarken Singalongs führt und anschließend zu Vice Grip wieder wild umhergesprungen wird. Dedicated beschwört daraufhin wieder die auf der Bühne positionierten Flammenwerfer, bevor sich der ob der rappelvollen Festhalle immer wieder ungläubige McCall vor Ground Zero nach einigen kürzeren Ansagen etwas ausführlicher ans Publikum wendet. Der Opener von Darker Still stehe für den Zusammenhalt innerhalb der Band und verdeutliche, dass es wichtig sei, sich in schlechten Zeiten an seine Mitmenschen zu wenden. Schade, dass im ersten Wellenbrecher zu dieser perfekten Festivalhymne ein Ruderboot gestartet wird und insgesamt eher wenig Bewegung im Publikum herrscht, was allgemein für die neuen Songs gilt.
Es folgt mit dem ruhigen und eher marginalen Cemetery Bloom eine Überleitung zu The Void, der sich inzwischen als starker Live-Song etabliert hat, bevor Karma die größten Circlepits des Abends beschwört. Das vom neuen Album stammende The Greatest Fear verdeutlicht hingegen ebenfalls den heutigen Anspruch von Parkway Drive, Metal-Hymnen für die größten Bühnen der Welt zu schreiben und überzeugt zudem mit gelungener Animation auf der LED-Leinwand. Anschließend betreten vier Streicherinnen die Bühne und liefern sich ein kurzes Duell mit Schlagzeuger Ben Gordon, ehe für Schattenboxen, die deutsche Version von Shadow Boxing, ein bekanntes Gesicht die Bühne an der Seite von McCall betritt: Casper! Der Berliner Rapper und der australische Frontmann liefern sich ein fantastisches Duett und insbesondere Casper scheint voll in der kurzzeitigen Performance mit einer Metal-Band sowie einem kleinen Streichorchester aufzugehen. Es ist ein Coup, dass er Parkway Drive auf dieser Tour bei allen Shows im deutschsprachigen Raum für lediglich diesen einen Song unterstützt.
Mit der Stadionballade Darker Still folgt im direkten Anschluss ein weiteres Highlight. McCall und Gitarrist Luke Kilpatrick – mit Akustikgitarre – begeben sich hierfür auf den Laufsteg, bevor sie nach der Hälfte des Songs für Gitarrist Jeff Ling Platz machen, der zum besten Gitarrensolos des Abends ausholt und dabei mit einer Hebebühne in die Höhe gefahren wird. Zum Breakdown von Bottom Feeder schießt noch einmal alles an Pyrotechnik über die Bühne, ehe sich Parkway Drive vor den Zugaben kurz hinter die Bühne zurückziehen. Es folgen noch einmal mehrere Fackelträger*innen, während die Mönchschöre von Crushed erklingen und die gesamte Bühne in Flammen steht. Zum finalen Riff des Songs lodert nicht nur die Bühne, es schießen auch noch einmal die Flammen vom Bühnenboden in die Höhe und auch von der Seite gibt es feurigen Beschuss. Nach diesem vorletzten Song begibt sich die ganze Band auf den Laufsteg, wirft Plektren und Drumsticks in die Menge und stellvertretend für das Quintett zeigt sich McCall äußerst dankbar für die langjährige Unterstützung seiner Band. Es sind Momente wie diese, die zeigen, warum Parkway Drive nicht nur viel Sympathie versprühen, sondern ihnen auch viel Zuneigung entgegengebracht wird. Wer, wenn nicht diesen fünf Jugendfreunden und australischen Surferboys, gönnt man sonst den Aufstieg zu einer der größten Metalbands des 21. Jahrhunderts? Während sich McCall an das Publikum wendet, wird er recht schnell von den Zuschauer*innen abgewimmelt, die anfangen, das Gitarrenriff von Wild Eyes lautstark zu singen, was sie bereits bei zahlreichen anderen Songs im Verlauf der 90 Minuten praktiziert haben. Ling erhört schließlich ihre Gebete und stimmt das Riff an, ehe die ganze Band einsteigt. Ein fantastisches Ende einer starken Show, die jedoch nicht an den Bombast eines rotierenden Schlagzeuges oder fliegenden Molotowcocktails heranreicht.
© Fotos von Valentin Krach