Stick To Your Guns, Knocked Loose und Landmvrks – eine bessere Hardcore-Tour gab es dieses Jahr wohl nicht. Das Line-up hält, was es verspricht und liefert eine erinnerungswürdige Nacht für alle Fans härterer Gitarrenmusik.
In dieser Szene sind auch Soul Blind verankert, der Sound der New Yorker erinnert jedoch deutlich mehr an Stoner Metal, Grunge sowie Deftones und Korn. Das hätte deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient als luftige Reihen zu dieser noch frühen Stunde am Abend. Während es bei Soul Blind noch an Bewegung mangelt, ist der Schlachthof ab dem Auftritt von Landmvrks deutlich voller und zum Metalcore der Franzosen öffnet sich der erste Moshpit des Abends. Wohingegen Soul Blind mit einem körnigen Sound bestechen, klingen Landmvrks phasenweise etwas blechern – und wie nahezu alle Bands am heutigen Abend etwas leise für eine Hardcore-Show. Die Breakdowns des Quintetts knallen trotzdem gewaltig und Frontmann Florent Salfati zeigt einmal mehr eindrucksvoll, dass er sowohl schnellen Sprechgesang, gutturalen als auch Klargesang beherrscht. Bis auf Blistering vom zweiten Album Fantasy besteht die sieben Songs lange Setlist ausschließlich aus Songs des dritten Albums Lost In The Waves, mit Death und dem abschließenden Self-Made Black Hole finden sich darunter zudem zwei Songs der in diesem Jahr veröffentlichten Deluxe Edition.
Deutlich ausgeglichener verteilt sich dagegen die Setlist von Knocked Loose, die ganze 13 Songs in 45 Minuten durchknüppeln. Jeweils vier Songs gehen auf die beiden Alben Laugh Tracks und A Different Shade Of Blue sowie auf die vergangenes Jahr veröffentlichte EP A Tear In The Fabric Of Life zurück und mit All My Friends gibt es auch einen Song der Debüt-EP Pop Culture auf die Ohren. Nicht nur deswegen, auch aufgrund des riesigen Bühnenbanners, der Bühnenpräsenz der Band sowie der Härte der Musik als auch der Pits ist der Auftritt der US-Amerikaner eines Headliners würdig. Das gilt nun auch für den Sound, auch wenn die Ansagen von Frontmann Bryan Garris kaum verständlich sind. Dafür nimmt ihm das Publikum insbesondere bei den älteren Songs die Wörter aus dem Mund. Während zu Deadringer das Publikum die Arme mal nicht im Pit, sondern in Zeitlupe über den Köpfen kreisen lässt, erreicht die Energie im Moshpit spätestens zum vorletzten Song Counting Worms und dem Gebelle von Garris ihren Höhepunkt, bevor sich Knocked Loose mit Permanent von der Bühne verabschieden. Vorher betritt aber nochmal Landmvrks-Sänger Salfati für einen kurzen Gastauftritt die Bühne. Es ist schön zu sehen, dass sich alle Bands gegenseitig abfeiern und sich die Auftritte der anderen Bands – wie Soul Blind im Fall von Knocked Loose – von der Seite der Bühne aus anschauen.
Fünf Jahre lagen nicht nur zwischen True View und dem im Juli erschienenen Spectre, sondern sind auch seit der bis dato letzten vollwertigen Headliner-Tour von Stick To Your Guns vergangen, sieht man einmal von zahlreichen Festivalauftritten und einzelnen Shows ab. Schuld daran ist einzig und allein die Pandemie, denn ihr siebtes Album hatten die US-Amerikaner bereits vor dieser fertig aufgenommen. Die Live-Performance der neuen Songs bestätigt den Eindruck vom Zeitpunkt der Albumveröffentlichung: während sich insbesondere das Hardcore-punkige A World To Win als auch Weapon und Who Dares Wins gut zu den alten Songs schmiegen, erinnert Hush eher an stumpfen Hardcore der Marke Lionheart. Macht in Summe ein gutes, aber kein sehr gutes Album. Das gilt auch für den Auftritt von Stick To Your Guns, der vor allem routiniert wirkt. Das mag auch darauf zurückzuführen sein, dass das Quintett bereits seit drei Wochen durch Großbritannien sowie das europäische Festland tourt, andererseits hält sich Frontmann Jesse Barnett mit seinen Ansagen zurück, da ihm seine Stimme etwas zu schaffen mache, wie er betont. Dennoch kauft man ihm die Dankbarkeit für den jahrelangen Support, der dieses Jahr in einem sensationellen vierten Platz in den deutschen Albumcharts gegipfelt ist, ab. Zuvor durchbricht The Suspend mit seinem Spoken-Word-Outro die Routine, sodass der gesamte Schlachthof Barnett am Ende an den Lippen hängt. Vier Songs vorher spornt Barnett zu The Bond einen von vielen Circlepits des Abends an, ehe Knocked-Loose-Gitarrist Isaac Hale zum finalen Breakdown des Songs auf die Bühne stürmt und das Mikro übernimmt. Nach The Suspend beenden Doomed By You, Amber und Against Them All nach 55 Minuten die Show ohne Zugabe. Die 16 gespielten Songs hinterlassen dabei zwei Impressionen: wie viele Hits Stick To Your Guns mittlerweile haben! Und wie gut die Show mal wieder das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und den inneren Dämonen etwas entgegengesetzt hat.
© Fotos von Maximilian Klapdar