Am Dienstag, den 06.03., spielten Fjort mit den Briten We Never Learned To Live im Club Stereo in Nürnberg. Nachdem das Trio aus Aachen letztes Jahr um die selbe Zeit schon einmal in der Noris Halt gemacht hatten, haben sie uns wieder beehrt. Wie das Konzert war, erfahrt ihr im folgenden Livebericht.
Im Rahmen der Deutschlandtour zu ihrem neuen Album „Kontakt“ beackerten die drei Aachener Jungs sämtliche Clubs der Nation und besuchten auch die Bratwurstmetropole, welches sogleich den drittletzten Stopp markierte. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sammelte sich schon vor Einlass eine kleine Menschentraube, um die momentan wohl beliebteste, deutschsprachige Post-Hardcore Formation zu erleben. Das Publikum war gut durchmischt, was heißt, dass sich sowohl das gerade volljährig gewordene Hardcore-Kid und der Kuttenträger gesetzteren Alters im gemütlichen Club Stereo die Klinke in die Hand gaben. Gerade die geschätzte Kapazität von 150 Leuten machte das Konzert zu einem besonderen, fast schon persönlichen Erlebnis.
Um Punkt 20 Uhr wurde das Licht gedämmt und die Post- / Math-Rock Formation We Never Learned To Live aus Brighton, England (übrigens stammen die Modern Metalcore Mogule Architects ebenfalls von dort) begannen. Mit einem kurzen, aber nicht minder knackigen Set von sechs Songs überzeugten sie auf voller Linie. Anfangs reagierten sie noch etwas verhalten auf Grund der unmittelbaren Nähe zum Publikum, aber tauten nach dem ersten Song auf und lieferten eine durchwegs überzeugende Performance ab, die einige Kiefer nach unten sacken ließen.
Jemanden aus der Band hervorzuheben, wäre unsinnig, da das Quintett auf allen Fronten exzellent besetzt war und als Kollektiv funktionierte. Emotionale Musik, geleitet von der hervorragenden Stimme des Shouters. Wenn das eine neue Ära des Emo-Cores einleitet, bin ich extrem gespannt! Für Fans von Empty Handed, My Chemical Romance oder Hawthorne Heights ein dringlicher Anspieltipp. Nach gut dreißig Minuten war auch schon Schluss und die Bühne wurde für den Headliner geräumt.
Nach zwanzig minütiger Umbau- und Verschnaufpause wurde das Licht gedimmt und die Aachener Prügelphilosophen enterten, gebadet in blauem Licht, die Bühne. Dröhnender Bass wummerte durch die Boxen und leitete sogleich den Opener „In Balance“ ein. Bassist David riss die Menge, die nun beinahe auf der Bühne stand, mit dem ersten Ton mit und leitete so das wohl schönste und intensivste Konzert seit Langem ein. Ohne viel Federlesen wurde gleich im Anschluss die erste Single-Auskopplung „Anthrazit“ von „Kontakt“ hinterher geschossen und der Mob schrie nach mehr. Wo man zuvor noch anerkennend mitgenickt hatte, da brachen nun alle Dämme und die Crowdsurfer stapelten sich bis an die Decke. „Du malst nur in Anthrazit!“ schrien Gitarrist David und die Menge im Chor und sorgten für die erste Gänsehautattacke des Abends.
Die folgenden Lieder „Fauxpas“, „Belvedere“ und „Kontakt“ wurden nicht minder leidenschaftlich ausgeführt und befeiert. Einfach immer wieder ein schönes Erlebnis, wenn man sich einen Raum mit gleich gesinnten Menschen teilen und einfach loslassen kann. Leidenschaft teilen und leben. Darauf kommt es doch an. Vor dem nächsten Stück „Paroli“ räusperte sich Bassist David kurz und machte seinem Ärger über die erschreckende Rechtsverschiebung in Deutschland Luft und erntete brausenden Applaus vom Nürnberger Publikum. Eine Band, alle samt großartige Musiker und eine Message!
Wütend ging es mit „Abgesang“ weiter und die Stimmung, schon die ganze Zeit auf dem Siedepunkt, ließ nicht nach. Wie soll sie auch, wenn man bedenkt, dass die beiden Frontmänner Charisma für zwei Fußballmannschaften besitzen und das Spiel mit der Menge einfach beherrschen. „Tod den anderen, das gibt Sinn“, schallte es durch den Kellerclub und man fühlte sich in das lyrische Amokläufer – Ich sofort hineinversetzt. Noch so eine Qualität des Dreiers, die man heute leider nur noch selten findet. Die Texte leben und leben lassen. „Gescholten“, „Kleinaufklein“ und „D’accord“ folgten und wurden gleichermaßen gefeiert, was zeigte, dass hier nicht nur Laufkundschaft zu Besuch war. Sondern, dass das Debütalbum „D’accord“ zur Grundlektüre eines jeden im Raum gehörte.
Mit „Lebewohl“, das auf gefühlt zehn minütige Länge gezogen wurde, schlossen sie das Set vorerst, nur um der Meute mit „Lichterloh “ und „Valhalla“ den musikalischen Gnadenstoß zu verpassen. Abschließend kann man sagen, dass es bisher mein Konzerthighlight 2016 war. Obwohl ich gedacht hatte, dass das Stick To Your Guns Konzert in der Posthalle nur schwer zu toppen sei. Falsch gedacht. Ausschlaggebend war die überraschend angenehme Bandkonstellation. Da We Never Learned To Live Englisch und Fjort auf Deutsch singen, machte man sich im Vorfeld Gedanken darüber, ob sich das nicht beißen würde, aber es ist vollends aufgegangen. Beide Bands sind für die Bühne gemacht und transportieren die Emotionen mit doppelter Intensität in eines jeden Großhirnrinde. Fjort gehören wahrscheinlich zu den besten Musikern der Szene und man kann nur drauf hoffen, dass sie eines Tages Deutschlands Stadien füllen werden.
© Fotos von Michel Müller