Livereview: Defeater + Support, Schlachthof Wiesbaden 10.08.2016

Es ist Urlaubszeit! Doch nicht im Schlachthof in Wiesbaden. Dort hat nämlich die aktuelle Tour von Defeater und Giants halt gemacht. Als Opener durften die Bad Nauheimer Tourist. das Kesselhaus, in dem die Show statt fand, vorheizen.

Tourist.

Mäßig gefüllt war der Saal, als das Schlagzeug die ersten Takte des Intros spielte. Nach diesem zurückhaltenden Start fuhren Tourist. umgehend die volle Tempo-Offensive. Ein schneller Punk-Part rüttelte die ersten Besucher wach, die aber insgesamt noch sehr zurückhaltend auf den Hessischen Support reagierten. Da passten die ruhigen melodic-Parts doch ein ganzes Stück besser, die immer wieder zwischen den stampfenden Parts ertönten und eine melancholische Atmosphäre schufen. Dazwischen Gimmicks wie unverzerrte Gitarrenrhythmen und schneller Sprechgesang, der ziemlich tiefgründig klang, auch wenn man eigentlich nicht wirklich etwas verstehen konnte. Sei’s drum. Immerhin waren die Ansagen klar verständlich, in denen die Band Kritik an unserer Konsumgesellschaft und dem Umgang mit flüchtenden Menschen übte. Vielleicht war es dieser tiefgründigen Stimmung geschuldet, dass sich das Publikum auch durch direkte Aufrufe kaum zum Tanzen bewegen lassen wollte. Nichtsdestotrotz ein guter Auftakt.

Giants

Einen gänzlich anderes Klima schufen Giants. Von der ersten Sekunde an fetzten die Herren mit vollem Einsatz los. Durch diese Energie und einen Sound, irgendwo zwischen Punk, Hardcore und Metal, wurde auch die Crowd vor der Bühne immer dichter und bewegungsfreudiger. Abwechslungsreich gestaltete sich die Musik der Briten, da die pumpenden Drums und rohen Gitarren stetig von klassischem Punk-Rock-Gesang der Gitarristen abgelöst wurden. Mit voran schreitendem Set wurde es auch immer moshiger vor der Bühne. Die Truppe lieferte eine super eingespielte Show ab, obwohl der Drummer eigentlich nur als Aushilfe an der Schießbude saß und sich die teils schön chaotischen Grooves innerhalb von einem Monat ins Gedächtnis geprügelt hat. Beim letzten Song wurde dieses Engagement dann noch mit einem kleinen aber feinen Circlepit belohnt. Well done!

Defeater-1

Nach dem üblichen Treiben zwischen den Auftritten standen sie dann endlich auf der Bühne: Defeater. Noch ein kurzes Shakehands auf der Bühne und es ging los. Mit einer brachialen midtempo-Nummer und gewohnt wütend zogen die Jungs aus Boston die Leute in ihren Bann. Die Zurückhaltung der Crowd fand abrupt ein Ende, als ,,Bastards“ als nächstes ertönte – fast schon ein kleiner Hit der Band. Völlig zurecht, denn die Geschwindigkeit und Härte dieses Songs brachten endlich die ersten Stagedives über die Köpfe. Auch Sänger Derek war mit ganzer Seele dabei und animierte die Crowd zum Mitsingen.

Defeater-2

Von Song zu Song wurde das Set schneller und die Menge rasender. Drummer Joe ließ sich vom hohen Tempo der Songs wenig beeindrucken und setzte mit schnellen Fills und kleinen Variationen dem Ganzen ständig noch einen drauf. Doch auch der Rest der Truppe konnte mit extrem hoher Präzision und ordentlich Leidenschaft begeistern. Mit fies zerrenden Gitarren und donnernden Drums neigte sich die Show den letzten Songs entgegen und Sänger Derek schrie nochmal aus voller Kehle ,,all I see is that bastard in me“. Vor lauter Euphorie jubelte eine kleine aber lautstarke Gruppe die Band für noch eine letzte Nummer auf die Bühne. Nach dankenden Worten prügelten Defeater die Zugabe durch den Raum – bis zuletzt mit höchster Qualität und Power.

Ein geiler Abend mit Defeater und den ebenso großartigen Giants und Tourist.. Die Kult-Band aus Boston wusste mit ihrem markanten Post-Hardcore-Sound genau, wie man das Publikum abholt. Schade nur, dass an diesem Mittwochabend nicht so viele zum Abholen da gewesen sind. Verwunderlich, waren doch einige Konzerte auf der letztjährigen Defeater-Tour in Deutschland ausverkauft. Dennoch hatten sich genug Gäste im Kesselhaus eingefunden, um den Abend als gelungen zu bezeichnen. Und weniger schwitziges Kuscheln ist vielleicht auch im Sinne des ein oder anderen Besuchers (wie mir!).

© Fotos von Joshua Lehmann