Livereview: Caliban, Suicide Silence + Support, Batschkapp Frankfurt 13.12.2016

Ein Auto ist ein kostspieliges Objekt. Man muss es kaufen, versichern, betanken und ab und an Verschleißteile austauschen. Fährt man damit auch noch auf ein Konzert in Frankfurt, kommen weitere Kosten hinzu: Zeit und Musik. Zeit, weil der Frankfurter Stadtverkehr unter der Woche zu großen Teilen einem Stillleben gleicht und Musik, weil man dadurch zu spät zum Konzertbeginn erscheint. Deshalb wird es in diesem Review über den Abend mit Caliban, Suicide Silence, Any Given Day und To The Rats And Wolves in der Batschkapp Frankfurt leider keinen Einblick in die Show von To The Rats in Wolves geben. Sorry! Natürlich gibt’s über die restlichen Bands und Eindrücke hier genug zu lesen.

Any Given DayIn völliger Dunkelheit und zu den Klängen eines melodiösen Intros betreten Any Given Day die Bühne. Mit brachialen Akkorden fügt sich die Band im Introsong ein, um danach umso gewaltiger los zu spielen. Die Bass Drum donnert und drückt im Brustkorb. Der mächtige Gesang des breitschultrigen Sängers Dennis Diehl übermannt die Zuhörer, bis harmonische Clean Vocals ertönen, die absolut souverän zweistimmig von Dennis und Bassist Michael Golinski ausgeführt weden. Das anschließende Gitarrensolo geht durch die wummernden Drums leider etwas unter, was dem Publikum jedoch nicht die Motivation zum Abgehen nimmt – ganz im Gegenteil. Entsprechend groß ist der Jubel nach den ersten Songs der Gelsenkirchener, obwohl die Stimmung noch nicht ganz auf der Höhe ist. Die Stimmung bei der Band scheint aber groß zu sein und so rennen die Herren begeistert über die Bühne. Trotz all der Bewegung sitzt jeder Schlag perfekt und entsprechend genau passen die Einspieler in die kurzen Breaks mancher Songs. Zwischendurch bekundet Dennis immer wieder die Dankbarkeit der Band, auf dieser Tour dabei sein zu können und heizt die Menge für die noch anstehenden Acts an. Belohnt wird dies mit einem amtlichen Circle Pit während der ersten Takte des Songs, der auf dem Album von Szenegröße Matt Heafy von Trivium untersützt wird. Zum Abschluss wird die Menge noch zu einer Wall of Death geteilt, die in einem riesigen Moshpit endet. Nach einem relativ kurzen Set pflegen die Westfalen dann ihre Social-Media-Präsenz mit dem obligatorischen Foto von Band und Publikum und hinterlassen begeisterte Fans.

Suicide SilenceKaum ist die letzte Band runter, erheben sich ominöse Gestalten auf der Bühne. Suicide Silence wollen ihrer Co-Headliner-Stellung auf der Tour anscheinend gerecht werden und haben deshalb vier weiße, meterhohe Mönchspuppen zur Deko aufgebaut. Nach einem kurzen Intro positionieren sich die Bandmitglieder vor diesen Figuren und bringen einen echten Dampfhammer mit. Durch die wahnsinnig schnellen Blastbeats, tief röhrenden Gitarren und mächtig langsamen Breakdowns überbieten sich die Kalifornier in Sachen „heavyness“ schon im ersten Song. Beeindrucken kann auch die Performance des neuen Sängers Hernan „Eddie“ Hermida, der mit tiefem Gebrüll und irre hohen Schreien dem ganzen Deathcore-Paket die Krone aufsetzt. Eddie ist seit 2013 Teil der Band und ersetzt den verstorbenen Sänger Mitch Lucker, welcher 2012 durch einen Motorradunfall ums Leben kam. Auch wenn viele Fans von dieser Tragödie geschockt waren und den charismatischen Mitch bei Suicide Silence vermissen, ist die Stimmung im Publikum ungetrübt. Lässt es das Gewitter aus pulsierenden Drums, tief zerrenden Saiten und drückenden Basswellen zu, brüllt die Crowd jede prägnante Gesangspassage mit. Daher fällt es der Band auch nicht schwer, erneut eine lange Schneise in die Menge zu schneiden und auf Eddies Kommando wieder zu schließen. Weniger martialisch gibt sich der Sänger dann bei etwas holprigen Deutschversuchen, die selbstverständlich auf viel Sympathie und Belustigung stoßen. Doch genug der Blödeleien, es muss ja noch ein Konzertsaal eingerissen werden. Dafür spielen die fünf noch einen neuen Song, welcher mit dem angekündigten Album am 24. Februar erscheinen wird und der die allseits beliebten flinken Blasts im Kontrast mit mörderlangsamen Breakdowns mitbringt. Zum Abschluss des Sets ertönt die Hit-Single ,,You Only Live Once“, bei der nochmal fleißig mitgeschrien wird und die großen Beifall erntet.

Caliban-2Etwas betäubt von der Reizüberflutung des letzten Auftritts lässt sich der Umbau der Headliner Caliban verfolgen. Nachdem alle Habseligkeiten der letzten Band von der Bühne geräumt sind, kommt als erstes das gigantische Schlagzeugpodest zum Vorschein, auf dem in leuchtenden Buchstaben der Bandname fast die ganze Bühnenbreite einnimmt. Das Intro ertönt und wird prompt von den „Maria (I Like It Loud)“-Fußballgesängen des Publikums übertönt – für ein Konzert eine etwas ungewöhnliche Situation. Die Lautstärke des Einspielers gewinnt dann jedoch die Oberhand und unter violetten Lichteffekten auf der ansonsten dunklen Bühne tritt die Band vor die Crowd.

Caliban-1Der erste Song wirkt zunächst viel zurückhaltender als das, was Suicide Silence gerade durch die Anlage geballert haben. Die präsenten Synthie-Sounds vom Band machen den Gesamtsound zudem etwas mainstream-mäßiger als die rohe Gewalt der Vorband. Unter den Besuchern scheint das aber kein Thema zu sein: vom Bühnenrand bis zum Mischpult hat sich die ohnehin schon dichte Menge noch mehr zusammen geschoben und man erkennt, wegen welcher Band die Leute hauptsächlich gekommen sind. So kann das Quintett direkt im dritten Song abermals eine mächtige Wall of Death lostreten. Auch auf der Bühne gibt es viel Action, wobei die Performance zu keinem Moment leidet. Nach und nach wird der Gesamtsound immer runder und fetter, wodurch das anfängliche Schwächeln vergeben und vergessen ist. Generell beeindruckt die hohe Professionalität der Band, vor allem für Metal-Verhältnisse. Kein Wunder, bedenkt man die fast zwanzigjährige Bandgeschichte der Nordrhein-Westfalen.

CrowdDie hymnenartigen Stücke werden von den Fans mit Springen und Mitklatschen belohnt. Sänger Andreas Dörner heizt die Stimmung zusätzlich mit den allseits beliebten Bierzeltchorälen an und stürzt auch mal ein Bier als Dankeschön. Doch bei ,,Broken“ kommt auch die filigrane Seite der Band zum Vorschein, die ein Meer aus Feuerzeugflammen (keine Smartphone-Bildschirme!) hervor bringt. Gegen Ende des Auftritts stürmen dann noch die Sänger von Any Given Day und To The Rats And Wolves auf die Bühne und der eigentliche Frontmann Andreas bekommt die Gelegenheit zum Stage Dive. Dem nicht genug wird anschließend auch noch ein bekannter Hit von Rammstein gecovert, was den Laden selbstverständlich zum eskalieren bringt. Ein Highlight jagt das nächste. Der letzte Song wird angestimmt, es gibt Glückwünsche für’s neue Jahr und ein Social Media-gemäßes Abschiedsfoto wird geknipst.

Ein Abend voller Highlights geht zu Ende. Any Given Day boten mit einem soliden, wenn auch etwas standardmäßigen Programm, eine gute Grundlage für die beiden Topacts, die diese Tour gemeinsam bestreiten. Suicide Silence hat die Deathcore-Messlatte durch spielerische Qualität und wahnsinniger Brachialität mächtig hoch gehangen und eine Show für nahezu alle Sinne geboten. Kein Wunder, dass sich der Bandname auf jedem zweiten T-Shirt bei einem szenetypischen Konzert finden lässt. Doch auch Caliban sind ihrem großen Namen gerecht geworden: die Professionalität des Auftritts mit sämtlichen Showeinlagen, die einer Band zur Verfügung stehen, findet sich vor allem im Metal-Genre nicht allzu häufig. Die gelegentliche Bierzeltatmosphäre aber auch nicht. Nur das ist ja bekanntlich Geschmacksache.

© Fotos von Joshua Lehmann