The Rival Sons are in town. Genauer gesagt in der Frankfurter Batschkapp. Die Band mit dem Retro-Rock-Charme fährt, nachdem sie als Support auf der Abschiedstournee von Black Sabbath unseren Kontinent gerade erst ausgiebig bereist haben, mit eigener ,,Teatro Fiasco“-Tour nochmal eine ordentliche Runde. Im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen von Sabbath haben sich die Amerikaner aber gegen Support-Bands entschieden. Was daran so besonders ist und wer stattdessen die Band auf Tour begleitet, erfahrt ihr im folgenden Review.
Während sich die Halle füllt ertönt ungewohnte Aufwärmmusik: ein Mix aus obskurer 60er-Surfmusik mit Interpreten wie Johnny Thunder oder den Sonics gibt einem das Gefühl, in einem frühen Tarantino-Film gelandet zu sein. Als dann Rival Sons-Sänger Jay Buchanan auf die Bühne tritt, erklärt er die Motivation hinter der eigentümlichen Musik des Abends: für ihre Headlining-Tour wollen die Kalifornier dem Publikum etwas außergewöhnliches bieten. Statt der üblichen, ermüdenden Vorbands möchte man mit einem breiteren Programm den Abend gestalten. Dafür wurde neben Dj Howie Pyro, der für die Kultfilm-Atmo verantwortlich ist, der Poetry-Slammer Derrick C. Brown als Special Guest mit auf Tour genommen.
Das Filmgefühl reißt auch beim Auftritt von Derrick C. Brown nicht ab, der sein Set mit alten Horrorfilm-Tonspuren eröffnet. Bevor es mit Gedichten losgeht folgt jedoch noch ein Song, den der moderne Poet am Keyboard begleitet – zumindest zum Schein. Denn bei Erläuterungen über die alltäglichen Lügen des Lebens folgt der Satz ,,I don’t even play the piano“, worauf er aufspringt und das Klavier unbeirrt weiterspielt. Der erste Lacher des Abends sitzt. Danach entführt er die Zuhörer in seine Gefühlswelten und verschiedene Schauplätze, wie beispielsweise Long Beach, California. Zu den Klängen eines Polizeihubschraubers, was in Long Beach anscheinend ein vertrautes Geräusch sein muss, verliest er sein erstes Gedicht. Die Mischung aus Stand-Up-Comedy und Poetry mag interessant und für ein Konzert neu sein, die Rival Sons-Fans werden davon jedoch nur mäßig mitgerissen. Nach einer amüsanten Überleitung folgt ein weiterer, melancholischer Poem. Die Stimmung im Saal bleibt dabei weiterhin verhalten, obschon einige Browns Dichtung lautstark bejubeln. Vor seinem letzten Text weist er auf sein Bewusstsein darüber hin, dass diese Art von Support-Act nicht jedermanns Sache sei, er selbst seine Show aber für Motörhead halte. Sein Auftritt sei wie ein Vorspiel, wie kurz bevor man „ihn“ reinstecken würde. Passend dazu schließt er mit einem etwas anderen Text, vor welchem er anwesende Kinder ausdrücklich warnt: ein fiktives, erotisches Erlebnis in einem Hotelzimmer. So viel sei gesagt: die exzessive Verwendung des F-Wortes und die Darstellung eines ungestümen Liebesaktes bringt sogar Sänger Jay, der sich zwischenzeitlich hinter Brown gestellt hat, nach fortgeschrittener Tour immer noch zum schmunzeln. Dementsprechend ,,erregt“ ist auch das Publikum und bereit für den Höhepunkt des Abends.
Nach einem weiteren Intermezzo von Dj Howie Pyro verstummt die Konservenmusik. Die Menge jubelt und es ertönt ein weiterer Verweis auf die Filmgeschichte: die Titelmelodie aus ,,The Good, the Bad and the Ugly“ (der miserable deutsche Titel ,,zwei glorreiche Halunken“ nennt übrigens weder alle drei wichtigen Akteurstypen des Films, noch kommt er an die Coolness des Originaltitels ran). Lässig betreten die Rival Sons zu diesem Intro die Bühne und stimmen den Opener des letzten Albums ,,Hollow Bones“ an. Trotz all dem Tamtam sind die ersten Songs recht leise und etwas zu streng an den Albumversionen orientiert. Dem Publikum scheint dies nicht die Laune zu verderben und es feiert die Band von Song zu Song immer lauter. Bis auf den anfänglichen, kleinen Dämpfer ist die Qualität von Auftritt und Sound großartig, obwohl bei allen Anspielungen auf die Musik der 60er und 70er die damalige Improvisationsleidenschaft noch kaum Beachtung findet. Die Gitarre von Scott Holiday ,,fuzzt“ aber wunderbar, das Bonham-esque Schlagzeug von Michael Miley klingt wuchtig und voll. Jays Stimme weiß zu beeindrucken, obwohl sich der Sänger beim Publikum entschuldigt, dass er aufgrund von Krankheit heute nicht die volle Leistung erbringen könne. Understatement pur. Dann folgt das erste Highlight für das Publikum: Gitarrist Scott stimmt das Riff von ,,Electric Man“ an und löst Begeisterungsstürme aus. Ab diesem Moment werden die Songs immer dreckiger, enthalten mehr Variation und das Publikum stimmt immer öfter mit ein. Auch der Applaus nimmt eine ohrenbetäubende Lautstärke an.
Höchste Zeit für die erste Ballade, damit sich die Fans wieder etwas abkühlen. ,,Where I’ve been“ groovt sanft daher und Jay legt volle Emotion in seine Stimme. Alle im Saal sind hin und weg. Naja, fast. Alle bis auf die obligatorischen ,,ich mag keine Balladen“-Deppen, die die ruhigen Passagen des Songs mit ätzenden Kommentaren im Stil von ,,Statler and Waldorf“ (die nörgelnden Rentner auf der Empore bei der Muppet Show) verschandeln. Danke dafür. Danach steigt die Action wieder steil an und gipfelt im Solo von Gitarrist Scott, der mehrere Minuten alles abfeuern darf, was er und sein Effektboard auf dem Kasten haben. Die Zuschauer sind von den hallenden, verzerrten Klängen gefesselt – natürlich bis auf ,,Statler and Waldorf“, die das gleiche von Soli wie von Balladen halten. Zu deren Glück folgt der Solo-Einlage gleich die nächste Ballade, die Jay seinem kleinen Sohn widmet. Durch die ständigen Einschnitte mit Balladen, Soli oder anderen live-Variationen liefern die Westküsten-Amis ein spannendes und abwechslungsreiches Set, was der Menge stetig einheizt. So bilden sich ohne Zutun der Band Chöre, die den Refrain von ,,Torture“ nach dem Song noch weitersingen. Schön auch, dass auf die heutzutage so beliebte Publikumsanimation, mit Ausnahme von mitklatschen und mitsingen, verzichtet wird. Ein paar Rockkonzertklischees müssen eben sein. So bekommt auch Drummer Miley noch Zeit zum Solieren. ,,Statler and Waldorf“ sind begeistert – nicht. Die Show neigt sich dem Ende zu und Jay bedankt sich ausführlich bei wirklich jeder Person, die die Band auf dieser Tour unterstützt. Auch erklärt er nochmal die Idee hinter dem ungewöhnlichen Line-Up und ihrer Dankbarkeit, dass die Zuschauer ihr hart verdientes Geld lieber in ein Konzert, als in ein anderes Konsumgut investiert haben. Den Abschluss bildet der Knaller-Song ,,Keep On Swinging“ und bringt alle Anwesenden ein letztes mal zum Ausrasten.
Mit etwas Fantasie könnte „Teatro Fiasco“ der Name eines Varietés sein, denn dieser Vergleich bietet sich bei der diesjährigen Tour der Rival Sons gerade zu an. Laut Duden handelt es sich bei einem Varieté um ein ,,Theater mit bunt wechselndem, unterhaltendem Programm“ – eine perfekt passende Beschreibung des Abends. Durch den Surf-Dj Howie Pyro und den Ausnahmepoeten Derrick C. Brown wurde man mit dem Betreten des Konzertsaals in eine Atomsphäre irgendwo zwischen Kultfilm und Rock’n’Roll Show der 1960er gezogen. Auch wenn Browns Gedichte bei den Zuschauern nicht immer gezündet haben, hinterließ er das Publikum dennoch in guter Stimmung für die Stars der Tour. Das Zeug für (Rock-)Stars hatten die Rival Sons auf jeden Fall: eine großartige Performance mit allen Finessen und Highlights, die man auf einer derartigen Show erwartet, ein abwechslungsreiches und dynamisches Set und einen abgedrehten Rock’n’Roll-Look samt extremer Coolness. Man darf gespannt sein, was sich die Herren in Zukunft noch so alles einfallen lassen. Keep on swingin‘!
© Fotos von Valentin Krach