1978 gegründet, zweimal aufgelöst und seit 1986 in unveränderter Besetzung. Die Descendents gehören zweifelsfrei zu den Urvätern der Hardcore-Szene. Wir waren bei der exklusiven Deutschlandshow im Wiesbadener Schlachthof vor Ort und berichten über die ,,Hypercaffium Spazzinate Tour’’.
Not on Tour sind auf Tour und bekommen den Ehrenpreis des Tages. Das Quartett aus Tel Aviv tritt auf der Tour eigentlich als zweite Vorgruppe nach The Real Danger auf, da diese jedoch mehrere Stunden im Stau standen, erklärten sich die Israelis bereit, ihren Slot spontan zu tauschen. Chapeau!
Musikalisch lassen sich die drei Herren und Frontfrau Sima in die selbe Sparte wie der Headliner des Tages einordnen. Das schlichte, schwarze Bühnenbild gab den Takt für den restlichen Abend vor und auf einen schnellen und kurzen Hardcore-Punk Song folgte – Überraschung – ein schneller und kurzer Hardcore-Punk Song. Vielmehr gewann die Band das Publikum mit ihren Ansagen für sich. Zwischen Songwidmungen und Begeisterung für die Descendents machten sich Sängerin Sima und Bassist Nir unter anderem darüber lustig, dass jeder Deutsche seinen Job liebt. Nach gut 35 Minuten und einem regen Wechselspiel der Bühnenbeleuchtung machten Not on Tour Platz für den eigentlichen Anschwitzer.
In der mit 10 Minuten sehr kurzen Umbaupause konnte man so einige Dinge tun. Während die einen den Stand der Hardcore Help Foundation begutachteten und sich einer guten Sache verschrieben, nahmen die anderen die übergangsmäßigen Toiletten-Countainer unter die Lupe.
Auch The Real Danger kommen aus einem eher untypischen Land für eine Hardcore-Band: Der Niederlande. Das Quintett knüpfte musikalisch dort an, wo die Band, die nicht auf Tour ist, aufhörte: Schneller Hardcore-Punk. Schnell bedankte sich die Band bei Not on Tour ,,for saving our asses’’. Auch die Holländer kamen immer wieder auf die Descendents zu sprechen. Frontmann Michiel gestand, dass er heute mit seiner Lieblingsband auftritt. Michiel war es auch, der bei seiner Bühnenperformance am meisten auffiel. Während er seinen Kopf immer wieder nach hinten neigte, hielt er auch das Mikro nach hinten geneigt. Schlagzeuger Robert wirkte an den Drums hingegen wie ein Riese, der versuchte, Workout-Übungen von deutlich kleineren Menschen zu meistern. Was er auch schaffte. Auch am Ende des 30 Minuten langen Sets wirkte die Band trotz neunstündiger Autofahrt und fünfstündigem Stau fit und verließ mit ,,No Way Out’’ die Bühne.
Die Uhr schlug 21:45 Uhr, als die nächste Packung Hardcore-Punk die Bühne des inzwischen sehr gut gefüllten Schlachthofs betrat. Zeit für die Descendents und den Hauptact des Abends! Doch bevor die alten Herren mit dem musikalischen Teil begonnen, machte sich Sänger Milo Aukerman zunächst über die Namen der Vorbands lustig. Mit ,,Everything Sux’’ vom 1996 erschienenen Album ,,Everything Sucks’’ (welch Überraschung) eröffneten die Legenden ihre Show. Ohne große Anlaufzeit starteten die ersten Fans einen Moshpit, warfen Bierbecher und sangen lauthals zu den Hardcore-Hymnen der Kalifornier mit. Von allen drei Bands zeigten die Descendents die geringste Bühnenbewegung. Doch wer kann es ihnen nach 39 Jahren Bandgeschichte verübeln? Während andere Bands sich nach der zweiten Auflösung nie wieder in die Augen geschaut hätten, haben die Descendents im vergangenen Jahr nochmal ein richtiges Brett herausgehauen. ,,Hypercaffium Spazzinate’’ vereint erneut alle Eigenschaften der Hardcore-Ikonen zu einem kurzweiligen Album mit viel Charme. Den Schwerpunkt des Konzertes bildete dementsprechend das aktuelle Album. In gut 75 Minuten begeisterten die US-Amerikaner mit einem enormen Pensum und spielten weit mehr als 30 Songs. Das Quartett löste live das ein, was es auf Platte verspricht: Power, Power und nochmals Power. Trotz weniger Ansagen zeigte sich Milo Aukerman publikumsnah, indem er einen Song im Fotograben performte. Während der Show befanden sich am Rand der Bühne immer wieder tanzende Bandmitglieder der Vorgruppen und sangen jede einzelne Songzeile innig mit.
Ein Abend von Fans für Fans.
© Fotos von Valentin Krach