Mit ihrem dritten Album “Couleur“ hat die Aachener Post-Hardcore-Band Fjørt im November ihr Meisterstück veröffentlicht. Die Folge: Eine fast restlos ausverkaufte Tour.
Insgesamt drei Bands durften während dieser im Vorprogramm auftreten. Nach Être und East in den ersten beiden Abschnitten eröffneten Lirr die Show im prall gefüllten Wiesbadener Kesselhaus. Das Quintett hat im vergangenen September sein Debütalbum “God’s On Our Side; Welcome To The Jungle“ veröffentlicht und präsentierte vornehmlich Songs aus diesem. Zwar sind die Kieler ebenfalls dem Post-Hardcore zuzuordnen, arrangieren diesen aber weitaus experimenteller als die gefeierten Kollegen. Der Klangteppich von Lirr wimmelte nahezu von EDM-Fusseln und Indie-Staub. Vergleiche zu anderen Bands fallen demnach schwer, am ehesten liegt das britische Trio Arcane Roots auf einer musikalischen Wellenlänge mit den Newcomern. Mit ihrer ganz eigenen Melancholie erzeugten Lirr eine packende Atmosphäre, die bis in die hinterste Ecke des Clubs jeden Besucher packte.
Zu den Klängen von “Naskur“, einer Piano-Interlude, betraten Fjørt die Bühne. “Südwärts“ eröffnete brachial die Show, gefolgt von “Eden“ und “Anthrazit“, dem ersten alten Song auf der Setlist. Dem Trio eilt schon länger der Ruf voraus, eine erstklassige Liveband zu sein und dies bestätigte es eindrucksvoll. Der Sound war druckvoll, perfekt abgemischt und fing die ganze Wucht der Musik ein. Insbesondere Bassist David Frings schaffte es immer wieder, das Publikum mitzureißen, indem er den Leuten in den ersten Reihen ins Gesicht schrie und diese an den Köpfen packte. Zahlreiche Songs erweiterten Fjørt zudem mit einleitenden Instrumental-Parts, wie “Magnifique“ oder “Couleur“. Das Publikum zeigte sich nicht nur bewegungsfreundlich, sondern auch textsicher – ganz egal, welcher Song gerade losgelassen wurde.
Schon auf dem zweiten Album “Kontakt“ fand sich mit “Paroli“ ein eindrucksvolles Statement gegen die rechte Szene, auf “Couleur“ dachten Fjørt diesen Ansatz in “Raison“ weiter. Während erstgenannter Song eine packende Rede von Frings vorausgeschickt bekam, mit der er Mut machte und zum Kämpfen motivierte, ließ die Band zweitgenannten komplett für sich stehen. Mit “Valhalla“ und “Lebewohl“ beendeten Fjørt das reguläre Set, während “Lichterloh“, “Kleinaufklein“ – von der Debüt-EP “Demontage“ – und “Karat“ als Zugaben das Konzert nach 90 Minuten beendeten.
Fjørt sind die deutsche Post-Hardcore-Band der Stunde. Galten die Aachener vor nicht allzu langer Zeit noch als ultimativer Geheimtipp, verkaufen sie nun lange im Voraus Club nach Club aus. Neben der brachialen Musik sind es vor allem die politischen und sozialen Werte, die Fjørt vermitteln und sie zu einer immens wichtigen Band machen. 300 Konzertbesucher sind auf den ersten Blick eine kleine Zahl, doch wenn diese die Gedanken des Trios weiterführen, ist das alles, was es braucht, um die “Renaissance von Menschenhass“ wieder in die Vergangenheit zu rücken.
© Fotos von Valentin Krach