Nach acht Studioalben, vielen Jahren des Tourens und einem starken Album wollen Heaven Shall Burn erstmal eine Pause von den Liveauftritten einlegen. Doch das passiert nicht, ohne vorher noch einmal mächtig Staub aufzuwirbeln. Wir berichten von der „Final March Tour“ im Schlachthof Wiesbaden vergangenen Donnerstag.
Zu einem guten Headliner gehört auch guter Support – so zumindest die Theorie. Was In Hearts Wake abliefern ist Melodic Hardcore / Metalcore, welcher nicht zu anspruchsvoll und dementsprechend leicht konsumierbar, aber leider auch einschläfernd ist. Musikalisch wirkt es, als wäre die Band auf dem Standpunkt eines gerade durchstartenden Projekts Mitte der 2000er. Strophen bauen sich mit Screams zum kitschig gesungenen Refrain auf, der große Breakdown ist der Zenit der Angelegenheit. Und das wieder und wieder über dreißig Minuten hinweg. In Sachen Gesang kommen wir direkt zum nächsten großen Problem, welches auch ungeschulten Ohren wehgetan haben dürfte: Bassist Kyle Erichs Stimme liegt durchweg so arg daneben, dass selbst der Tontechniker einschreitet und diesen ein ganzes Stück leiser dreht. Die Kombination aus dieser erschaudernden gesanglichen Performance und Liedern, die zudem auch nicht ins Ohr gehen, trägt zu einem insgesamt enttäuschenden Auftritt bei.
Den erwarteten Qualitäten als Frontmann wird Phil Bozeman von Whitechapel hingegen mehr als gerecht. Obwohl die Band, welche mit drei Gitarristen ausgestattet ist, leider gegen schlechten Sound ankämpfen muss, durchsticht die messerscharfe Stimme des Sängers immer den matschigen Mix. Egal ob hohe Screams oder absurd tiefe Growls, Bozeman weiß von seinen Stimmbändern Gebrauch zu machen. An dieser Stelle fängt auch das Publikum an ein wenig aufzuwachen und die ersten Ellbogen wirbeln durch die Luft. Das Sextett erwidert diese Aggression und rüstet sich mit wutentbrannten Gesichtern aus, während sich jeder Song wie Butter heruntergespielt wird. An dieser Stelle beeindruckt auch Tourschlagzeuger Ernie Iniguez, dessen triggerlastige Bassdrum die Brutalität der Band im Blitzlichtgewitter umso mehr bestärkt.
Mit August Burns Red betritt anschließend eine Band die Bühne, die keine Einführung benötigt. Vor einem schlichten Banner präsentieren die Jungs aus Pennsylvania ihr komplexes Soundgewand mit höchster Präzision. Von alten Evergreens („Composure“) bis zu neuem Material des jüngsten Albums „Phantom Anthem“ zeigt sich die Band von jeder erdenklichen Seite. Zu den stärksten Momenten zählt wohl das mitreißende „Ghosts“ und Abschlusssong „White Washed“: Der gesamte Schlachthof scheint wie wild herumzuhüpfen (womöglich in der Hoffnung, etwas von Sänger Jake Luhrs‘ genialer Bühnenpräsenz zu ernten), das Gitarrenspiel von Brent Rambler und JB Brubaker ergänzt sich fehlerfrei – August Burns Red sind eine vollkommene Einheit und klingen auch so.
Was vorher eine schlichte Leinwand war verwandelt sich bei den Headlinern Heaven Shall Burn ganz schnell in ein riesiges Spektakel: Unzählige Verfolger, Turbinen, Pyrotechnik als auch eine von Grund auf durchkonzipierte Lichtshow dominieren das Bühnenbild während dem monumentalen, eineinhalbstündigen Set der Band. Die Bühne selbst ist mit Teilen ähnlich einer industriellen Lagerhalle bestückt und wirkt fast schon überdimensional im kuschligen Schlachthof. Doch für den ausverkauften Auftakt der Tour hat das Quintett keine Kosten oder Mühen gescheut – im Gegenteil. Man sieht den Mitgliedern sofort an, dass all ihr Herzblut in ihre Musik fließt. Bereits mit dem Opener „Downshifter“ werden alle Register gezogen und die wilde Bestie auf das Publikum losgelassen. Vollends in rot gekleidet brüllt Markus Bischoff drauflos, wovon ihn auch eine Mandelentzündung nicht abhalten kann. Besonders erfrischend ist die Liedauswahl des Abends, da Stücke jeder Era zum besten gegeben und prächtig gefeiert werden. Das einzige was man Heaven Shall Burn demnach vorwerfen könnte wäre das Fehlen einer kurzen Verschnaufspause. Aber wer will das schon vor einer langen Liveauszeit?! Stattdessen marschieren die Herren durch das gewaltige Set und schmeißen obendrein noch ein Paar Cover in die Runde. „Hunters Will Be Hunted“ schließt den Hauptteil ab, ehe mit den Zugaben „Endzeit“ und Blind Guardians „Valhalla“ noch einmal losgetrampelt wird, damit auch ja nichts übrig bleibt. Im Schweißdunst, Rauchwolken und rotem Licht gebadet verlassen Heaven Shall Burn die erste der deutschen Bühnen in angemessener, ja sogar fast leicht größenwahnsinniger Manier.
Der im Vergleich zum Rest der Tour wohnzimmerähnliche Abend im Schlachthof war ein triumphales Zeichen all dessen, was Heaven Shall Burn sich in ihrer Karriere bisher aufgebaut haben. Mit starker Unterstützung und einer bombastischen Produktion zelebriert sich die Metalcoregruppe zurecht als Fels in der Brandung, wenn es um starke Liveauftritte geht. Für nun ist die Zeit der Band erstmal vorbei, aber wenn es weitergeht, wird das an diesem Tag langsam erstickte Feuer wieder hell lodern – ansonsten würde man gegen seine Prinzipien und den eigenen Bandnamen vorgehen. Bis bald, HSB!
© Fotos von Joshua Lehmann