Erst im September waren die sympathischen Engländer auf deutschen Bühnen zu Gast, nun kehren Arcane Roots zum Festland zurück und wollen ihre letzte Tour direkt übertrumpfen. Ob das gelingt erfahrt ihr bei uns.
Ohne großes Vorwort: Der grandiose Ex-Reuben Frontmann Jamie Lenman gleitet im stolzen Schritt zu dem eröffnenden Rhythmus von „Hell In A Fast Car“ auf die Bühne. Der nach eigenen Angaben mit Post-Hardcore großgewordene Multiinstrumentalist bietet neben der Musik selbst auch noch viel für’s Auge: Gänzlich in weiß gekleidet wirken er und Schlagzeuger Dan Kavanagh wie die Antithese zu ihrer Musik, die nur so spuckt und kratzt. Der unverwechselbare, knurrige Gitarrensound, welcher durch ein separates Bass-Pickup noch ein wummerndes Fundament erbt, grollt durch beide Konzertorte und ist kaum zu bändigen. Gespickt von deutschen Ansagen begleitet der Frontmann das Publikum mit Lachen durch seinen kurzweiligen Auftritt. Obwohl die Setlist größtenteils von den Liedern seines alten Trios geprägt ist, mischen sich neue Ohrwürmer wie „Waterloo Teeth“ oder auch „All of England as a City“ ohne Probleme in Lenmans altbekannte Mixtur aus simplem, aber absolut effektivem Songwriting. Eben diese Einfachheit ohne viel Schnickschnack spiegelt sich in unverzeihlich brutalen Riffgewittern und Lenmans nur aus zwei Pedalen bestehender Effektreihe wider. Sowohl im FZW als auch dem Kesselhaus wird er nach dem sumpfig kriechenden „Mississippi“ lautstark vom Publikum verabschiedet.
Den radikalen Gegenweg wählen nach einer kurzen Umbaupause Arcane Roots: Ausgerüstet mit einer breiten Auswahl an Keyboards, Effektpedalen und Lichtequipment zieht das Trio in die Schlacht und eröffnet seine Auftritte mit Single „Off the Floor“. Ein erstaunlich klarer Sound dominiert den im Crescendo konzipierten Song, der erste Tanzwütige Fans vor die Bühnen ruft. In der Konzeption eines sich steigernden Klanges liegt auch womöglich die größte Stärke von Arcane Roots. Lieder wie das zerstörerische „Matter“ oder auch das bisher unveröffentlichte „Landslide“ arbeiten gezielt auf Höhepunkte hin und übertreffen diese live noch mehr als auf Platte. Die Herrschaften erfinden sich während ihrer durchweg überzeugenden, von dramatischem Licht getriebenen Darbietungen auch immer wieder neu: Instrumentalparts werden teils so offen geschrieben, dass sich Sänger und Mastermind Andrew Groves jeden Abend anders austoben kann, von kreativen Gesangseinlagen im ad lib bis hin zu verblüffenden Gitarrensoli, die schiere Probierfreude ausstrahlen. Auch die Alternativversion zu „Before Me“ hebt zwar vor Verwirrung einige Augenbrauen, zeugt aber von dem konstanten Entwicklungsdrang der Band.
Besonders im Midtempo scheinen die Musiker sich wohlzufühlen. „Leaving“ oder „Solemn“ feuern breite Klangwelten auf die Zuhörer los und nehmen diese mit auf eine Achterbahnfahrt, die einen von Wut, Trauer bis hin zu absoluter Entspannung in circa jede Emotion versetzt. Die ruhigere Facette der Band wird wie mit dem Vorschlaghammer brutal von „Triptych“ unterbrochen, welches mit einem unendlichen Breakdown und messerscharfer Präzision ein Easter Egg für die Fans der älteren Tage und der rein gitarrenlastigen Musik hergibt. Die (zum Glück!) nicht zu enden scheinende Setlist balanciert gekonnt beide Enden des Spektrums; sanfte Balladen à la „Indigo“ werden mit dem Finalteil von „Slow Dance“ gekontert – ein Wechselbad der Gefühle. Bei diesem erregenden Erlebnis stört es auch nicht weiter, dass sich die Band mit Ansagen zurückhält und umso mehr Wert auf einen durchdachten Auftritt legt, welcher mithilfe von Zwischenspielen jeden Song mit dem nächsten verbindet. Einen der wohl umwerfendsten Momente formt „Curtains“. Groves‘ aggressives Oktavpedal penetriert sowohl Soundboxen als auch Trommelfelle zugleich und pustet den Betrachter gekonnt weg. Mit dem tanzbaren „If Nothing Breaks, Nothing Moves“ werden noch einmal alle Register im Moshpit gezogen, bevor „Half the World“ nach knapp 95 Minuten den Abend melancholisch und hymnisch abschließt.
Arcane Roots zeigen auf ihrer aktuellen Tour, wie intensiv ihre Musik ist. Kurz formuliert: Die Auftritte sind großes Kino gewesen, welches von starkem Publikum und einer mysteriösen Lichtshow unterstützt wurde. Der Support Jamie Lenmans rundete zwei Abende ab, welche auf eine spannende Zukunft des Trios blicken ließen. Man darf gespannt sein!