Harte Arbeit zahlt sich aus: Nach der nervenreibenden Eigenproduktion von You Are We spiegelt sich While She Sleeps‘ Erfolg in weitaus höheren Ticketverkäufen wider. In einer nahezu ausverkauften Batschkapp präsentierte das Quintett ein energetisches Set voller Hits.
Als erste Band eröffnen die vier Jungs von Landmvrks den Abend. Mit einer Mischung aus recht einfach gestricktem, teilweise repetitivem Metalcore-Sound und Sprechgesangseinlagen stimmen sie die Fans, die zu Anfang noch recht ruhig sind, gegen Ende des 30-minütigen Openers aber wach werden, auf das, was am Abend noch folgen soll, ein. Publikumsmotivatoren sind auch Trash Boat, die in gleichen Teilen mit einer Affinität zu Pop-Punk wie auch Post-Hardcore aufmarschieren. Sichtlich motiviert, den Laden abzureißen, stampft Sänger Tobi Duncan über die Bühne und schreit sich die Seele aus dem Hals, nur um Millisekunden später in melodischen Gesang umzuschwenken – eine Formel, die man im Post-Hardcore quasi als das alte Testament bezeichnen kann. Die starke Zuneigung zu eingängigen Refrains erinnert an Genrekollegen wie Neck Deep oder As It Is und läuft Gefahr, dass man der Band als Zuhörer nichts Individuelles abgewinnen kann. Dennoch macht die Musik ordentlich Spaß und weiß, die zunehmend vollere Batschkapp zu begeistern.
Ganz anders gehen die New York Hardcore-Prügeler Stray From The Path an die Sache heran: Während Melodiegespür meist auf saftige Riffings verlagert wird, dominiert der vom Flow durchtriebene Screamer Drew Dijorio den Sound der Band, der definitiv voll auf die Zwölf geht. Wie im Handumdrehen verwandelt sich die Konzertlocation in einen schwitzigen Moshpit, in dem Violent Dancer, fröhlich pogende Menschen als auch Headbanger aufeinander treffen. Das Alleinstellungsmerkmal von Stray ist das mit Hip-Hop fusionierte Songwriting als auch das wohl durchdachte Image einer Band ohne Gimmicks, die einfach Musik spielt, weil es ihnen Spaß macht. Auf gut Deutsch kann man zum Livesound der Band sagen, dass dieser ordentlich klatscht. Besonders Drummer Craig Reynolds weiß, die Band mit komplexen rhythmischen Fills solide durch das 45-minütige Set zu geleiten. Ein Gast Feature mit Landmvrks Sänger Florent, unfassbar tightes Zusammenspiel bis zur letzten Note als auch eine einprägsame Hook („Every rich white kid’s got something to say / shut the fuck up!“) im Abschlusssong „First World Problem Child“ fassen erfolgreich alles an der Band zusammen, was sie live zu einem Powerpaket macht. Man darf gespannt sein, welche politischen Inhalte das Quartett mit dem nächsten Album adressiert, aber solange die Musik angepisst bleibt, kann man hier eigentlich nicht viel falsch machen.
Vorhang auf für While She Sleeps: Mit drei vorab veröffentlichten Singles gibt es bereits schon seit einigen Monaten neues Material aus Sheffield. „Anti-Social“, eines der drei Liedern, leitet das Set treibend und ohne viel Schabernack ein. Die Band spielt auf den Punkt und transformiert die Batschkapp – zumindest für einen Großteil des Songs – in eine gigantische Hüpfburg. Grundsätzlich sind an diesem Abend alle Alben zu gleicher Maßen in der Setlist vertreten; selbst vom Debüt This Is The Six gibt es „Our Courage, Our Cancer“ zu hören. Wenngleich alle Platten eine Progression aufweisen, scheinen die verschiedenen Lieder nebeneinander live doch perfekt zusammen zu passen. Frontmann Lawrence „Loz“ Taylor gönnt sich mit Gitarrist Mat Welsh über 80 Minuten hinweg ein stimmliches Battle, bei dem einander Clean- wie auch gutturale Vocals in Ping-Pong Manier zugespielt werden.
„Four Walls“ oder auch „You Are We“ beweisen die Stärke für Melodieführung in ihrer Musik, während Lead-Gitarrist Sean Long jeden Refrain mit abartig perfekten Licks und Soli spickt. Live kommt deswegen letzteres Lied äußerst stark auf der Anlage an und kreiert bereits zu Beginn des Sets eine Hymnenstimmung im Saal, die nicht nachlassen will. Generell ist zu While She Sleeps Konzerten zu sagen, dass trotz brutalen Moshpits eine positive Grunddynamik vorherrscht. Die sich in Ekstase spielenden Musiker bieten auch Einiges für’s Auge, wie zum Beispiel Taylor’s kleinen Spaziergang zum Balkon und seinen anschließenden Sprung ins Publikum, oder auch Aaran Mckenzie’s unstillbare Lust auf wildes Herumschwingen seines Basses, während er, den Text mitkreischend, jeden Zentimeter der Bühne erkundet. „Haunt Me“ sieht Stray From The Path Frontmann Drew noch einmal das Mikro ergreifen und fügt dem Song ein vollkommen unbenötigtes, aber definitiv willkommen geheißenes i-Tüpfelchen hinzu.
Mit „Hurricane“ beendet das Quintett seinen Abend mit großer Publikumspartizipation und einer glücklich gestimmten Menge. Was So What? zu bieten hat, ist noch nicht ganz fest, aber wenn die Vorabsingles ein Vorgeschmack sein sollten, darf man sich erneut auf Musik einer Band freuen, die live jede Minute auskostet und ihr Genre perfekt beherrscht.
© Fotos von Valentin Krach