Review: Wheel – Moving Backwards

Aus der Motivation, Musik als Karriere einzuschlagen, begibt sich der britische Sänger James Lascelles vor einigen Jahren nach Finnland, um die Verwirklichung seiner kreativen Projekte zu ermöglichen. Nach zwei EPs ist es 2019 soweit und das erste Album von ihm und seinen in Helsinki kennengelernten Kollegen steht kurz vor der Veröffentlichung. Doch was macht Wheel besonders?

Mit einer angenehm vertrauten Mischung aus bretternden Gitarren, seichtem Klargesang und Hang zum rhythmisch komplexen Zusammenspiel entpuppt sich „Vultures“, das erste Lied des neuen Albums Moving Backwards, als relativ verzierungsfreier Anfang eines Albums, das mit einer Spielzeit von nahezu 49 Minuten und nur 7 Songs Gefahr läuft, langatmig zu werden. Zumindest in der Theorie: Nach einem ersten Hördurchgang vergehen die darauf folgenden Durchläufe wie im Flug und offenbaren Einflüsse aus allen Schienen des Rock und Prog; ja sogar World Music Anleihen werden mit dem Titelsong herbeigezogen. Bei diesem Lied wird zum ersten Mal deutlich, warum Prog so oft vorgeworfen wird, musikalische Abschnitte zu extensiv zu gestalten: Das erste Viertel des 10-minütigen Opus kommt gänzlich ohne Gesang aus, und wenn Lascelles so richtig in Fahrt kommt, ist das leider auch schon schneller vorbei, als es angefangen hat. Man hat den Eindruck, die Band würde Lieder wie diesem ohne Grund zusätzliche Teile hinzufügen, obwohl das Grundgerüst eigentlich schon Ausdruck genug wäre. Dadurch geht im Verlauf des Albums an einigen Stellen die Eingängigkeit komplett verloren und die Komposition fühlt sich mehr wie eine dauerhafte Entwicklung eines Motivs als ein klar strukturierter Song an.

In Sachen Flow hingegen spielen die Herren in der obersten Liga mit: Ist man dazu bereit, sich vom konventionellen Denken zu trennen und die Musik sich einfach entfalten zu lassen, fällt auf, dass die gesamte Platte wie aus einem Guss klingt. Ähnlich zur Plansequenz aus der Filmindustrie finden sich so gut wie keine Verschnaufspausen auf der CD wieder, jeder Part klingt wie in einem Take eingespielt und makellos. Die Band setzt in ihrer Instrumentation gekonnt auf Atmosphärik, die in ruhigeren Passagen den Gesang im Hintergrund begleitet („Tyrant“). Allein „Skeletons“ wagt den Schritt in die pure Instrumentalmusik und erweist sich als ein klasse komponiertes Stück Progrock. „Where the Pieces Lie“ teilt innerhalb von nur vier Minuten wunderbare brutale Fausthiebe aus, „Lacking“ ist im Kontrast dazu das stärkste der langen Stücke und baut sich bis zum finalen Crescendo so episch auf, wie man es sonst nur von Tool kennt.

Insgesamt bleibt dennoch der Kritikpunkt, dass Wheel die etwas langwierigen Instrumentalpassagen etwas kürzen könnte, um besser auf den Punkt zu kommen. Betrachtet man das Debütalbum für seine Soundästhetik, hat man mit Moving Backwards ein sehr gut produziertes Werk sowie eine äußerst solide Basis geschaffen für das, was die Band in Zukunft noch abliefern wird. Alles, was sie nun braucht, ist eine stärkere eigene Identität.

Label: Oddysey Music / Rough Trade / GoodToGo
VÖ: 22.02.2019

Genre: Progrock, Alternative Metal

Vergleichbar:
Tool – 10.000 Days
Karnivool – Themata

Wertung:
10/15