Interview mit Mine

Neuer Albumzyklus, neues Glück: Wir durften uns letzten Samstag bereits zum zweiten Mal mit der deutschen Popkünstlerin Mine unterhalten. Diesmal ging es um das neue Album Klebstoff, Gandalf, warum ihr Kollaborationen wichtig sind und mehr!

SL: Herzlich willkommen Mine! Wie geht es dir?

Mine: Ja gut! Ich bin aufgeregt und noch ein bisschen im Stress, weil ich ordentlich Promo gemacht habe und dementsprechend nicht so viel Zeit für die Tourvorbereitung hatte, wie mir lieb gewesen wäre. Deswegen muss ich jeden Tag alles aufholen, was noch fehlt und es ist ein bisschen stressig, aber ansonsten geht es mir gut!

SL: Was musstest du denn alles an Vorbereitungen treffen? Du hast dieses Mal eine andere Produktion mitgebracht. Bei den letzten beiden Touren hattest du mehr mit Stehlichtern und LED-Balken gearbeitet, nun ist es eine LED-Wand. Was hat dich dazu bewegt und wieviel Zeit wurde dafür aufgewendet?

Mine: Naja, das mache ich zum Glück nicht selber, sondern nur den kreativen Teil dahinter. Ich wollte schon sehr lange eine LED-Wand haben, nur die sind arschteuer. Nun haben wir doch eine gefunden, die passt. Was ich mehr machen musste war Noten rausschreiben, Samples bouncen, Proben organisieren, Playlisten und Setlists bauen und so weiter. Alles in allem ist es super viel einfach, die im Vorfeld auch seitens der Orga ansteht.

SL: Wie war denn die Tour bisher und was steht noch alles an?

Mine: Voll klasse! Es läuft im Hinblick auf den Kartenverkauf auch viel besser, als erwartet. Die Clubs sind bisschen größer, das Publikum macht Spaß, und die neuen Sachen live auch. Ich freue mich am meisten auf das Mojo und das Huxleys, Wiesbaden ist auch immer ein Highlight – es kommen nur geile Sachen! lacht

SL:Du bist nun zum 4. Mal im Schlachthof. Würdest du den Schlachthof gewissermaßen als Heimat für deine Konzerte beschreiben?

Mine: Ja, das kann man so sagen. Ich habe ja vorher in Mainz gewohnt, und da gibt es eben sonst nur das KUZ, in dem ich seit der Neueröffnung auch erst ein Mal drin war. Ich gehe grundsätzlich auch danach, welche Anlage am besten für mich geeignet ist, inwiefern Ideen umsetzbar sind, etc. Aus diesem Grund haben wir wieder Wiesbaden gewählt. Nicht zuletzt, weil sowohl Team als auch Atmosphäre einfach klasse sind. Eine Tour ohne Schlachthof kommt für mich – zumindest jetzt – nicht in Frage.

SL: Du hast es eben schon angerissen bei den Tourvorbereitungen, aber kommen wir zur Musik selbst: Du hast neulich dein drittes Werk Klebstoff veröffentlicht und erwähnt, dass es ein sehr schneller Entstehungsprozess gewesen ist. Woran lag das?

Mine: Es war eigentlich nicht so schnell, aber der Unterschied war, dass ich bei diesem Album mein Songwriting über einen längeren Zeitraum gestreckt habe und am Ende alles schneller zusammenkommen musste. Dieser Prozess hat mir entgegen meiner eigenen initialen Vorstellung gut gefallen. Die neueren Songs der CD sind alle Singles bis auf Klebstoff. Eigentlich waren immer eineinhalb Jahre Zeit zwischen den Alben, nur das Writing habe ich dieses Mal eben in Blöcken gemacht. Bei den beiden Vorgängern hatte ich quasi zur Zeit der Studioaufnahmen schon das nächste Paket an Songs in petto. Ich finde eben auch, dass wenn man sich noch zum Schreiben eines Songs zwingen muss, um ein Album zu füllen, das einfach unpraktisch ist. Man gelangt aus dem kreativen Prozess heraus und muss sich stärker motivieren. Mittlerweile kann ich mir meine Tage glücklicherweise so bauen und gestalten, wie ich es will.

SL: Kommen wir nochmal auf die Songauswahl und das Album selbst zurück. Du hast im Huxleys 2017 einen Orchesterauftritt gespielt. Bereits dort hast du Songs gespielt, die nun auch auf der Platte gelandet sind (Schwer bekömmlich und Guter Gegner). Was war der Grund, diese mit auf die CD zu nehmen? Waren sie zu dem Zeitpunkt bereits dafür intendiert?

Mine: Ne, bei Schwer bekömmlich war es so, dass ich ihn zuerst für die Dead Rabbit Platte geschrieben hatte, er es aber nicht darauf geschafft hat. Dann habe ich mich einfach dazu entschlossen, ihn mit auf mein Album zu packen, da ich ihn gut finde und er auch schon äußerst lange existiert. Ich hatte wirklich Ewigkeiten darauf gewartet, ihn zu veröffentlichen, aber das Lied war lange Zeit nicht ausgereift und durchproduziert genug, weswegen ich zum Werkeln immer wieder darauf zurückkam. Für Guter Gegner war ich im Studio bei Raffi von Grossstadtgeflüster, wo sie mir ein Paar Sachen gezeigt haben, woraufhin dieser Song rauskam. Dann haben wir überlegt, ob wir ihn wirklich als Single veröffentlichen, am Ende hat er sich jedoch homogen in die Platte eingefügt. Ich bin außerdem kein Fan davon, so lange mit der Songveröffentlichung zu warten, eben weil sie mich zu einem bestimmten Zeitpunkt widerspiegeln. Man wird sonst in der Zwischenzeit ein anderer Mensch, und ist gefühlt im Kopf schon ein bisschen weiter als der Song es ausdrückt.

SL: Wo wir gerade von Entwicklung sprechen: Meiner Ansicht nach ist das Album ein bisschen zugänglicher geworden. War das eine bewusste Entscheidung, oder eher Einfach so?

Mine: Haha, ne das war keine bewusste Entscheidung. Ich finde es einfach schön, neue Dinge auszuprobieren und bin überrascht, dass viele Leute es als so zugänglich empfinden. Bei 90 Grad zum Beispiel weiß ich, dass es voll der Popsong ist, was ich aber auch gut finde. Ich höre selber auch gerne Jessie J und Lady Gaga. Es ist meiner Meinung nach schon möglich, gleichzeitig kryptische Jazz, Indiepop und billige Plastiksachen zu hören. Das hat irgendwie alles seinen Reiz. Normalerweise schaue ich mir meine Songs im Nachhinein an und denke „Wow, das könnte ein Popsong sein“. Genau das war jedoch bei 90 Grad zum ersten Mal der Fall und öffnete eine neue Tür für mich, da es mir mehr kreative Möglichkeiten gibt und ich im Endeffekt schmunzelt mein Team besser bezahlen kann!

SL: In Sachen Experimentierfreude hast du erneut interessante Instrumente verwendet. Du kommst nicht vorbei beispielsweise enthält einen Dudelsack. Warum hast du dich für speziell dieses Instruments entschieden?

Mine: Ich glaube es lag an der Inspiration Gandalfs aus dem ersten Herr der Ringe Teil, eben genau die Stelle mit dem Riesenmonster, wo er als kleiner Zauberer „DU KOMMST NICHT VORBEI!“ gröhlt und anschließend einfach herunterfliegt. Ich fand das damals schon so beeindruckend wie man sich einfach so hingebungsvoll gegen jemanden wehren kann und will, trotz des Bewusstseins, dass man sowieso nie dagegen ankommen wird. Ich liebe weiterhin auch Enya, die auch den Soundtrack zu Braveheart gemacht hat inklusive Dudelsack. Als ich Frodo und co. auf den grünen Wiesen Neuseelands habe lang laufen sehen, hörte ich eben schon im Kopf einen Dudelsack. Thomas Zöller hat dann einen aufgetrieben und eingespielt.

SL: Das macht das ganze auf jeden Fall ein wenig plastischer! Ansonsten hast du ja bei Alle Liebe nachträglich quasi ein ganzes Featurealbum gemacht. Klebstoff enthält mit Abstand die meisten Kollaborationen bisher. Warum bist du dabei geblieben, Lieder mit anderen Künstlern zu machen und noch mehr als zuvor?

Mine: Ich glaube, das hat sich gar nicht geändert, es sagen einfach mehr Leute ja. Ich mag es einfach sehr gerne, mich mit anderen Künstlern zu verbinden und sich gegenseitig hochzupushen, was Kreativität angeht. Weiterhin bin ich ein intuitiver Mensch und bin die erste, die Leute anschreibt und sich trifft mit anderen. Zusammen Texten mißfällt mir eher, aber wenn am Ende alles zusammengeworfen wird, ist das immer klasse. Bei Spiegelbild mit AB Syndrom fällt mir eben immer wieder auf, wie viele Parts dieser hat und wie unlangweilig er ist. Das ist wirklich inspirierend und geht leichter von der Hand, wenn man noch jemanden hat, der einem den Ball zuspielt. Manchmal entwickelt es sich auch aus dem nichts, wie eben bei Guter Gegner . Es kann sein, dass es auf der nächsten CD weniger Features gibt, aber ich probiere es immer wieder, welche mit in das Album zu integrieren. Der ganze Sommer ist bereits jetzt schon ausgebucht, um mit diversen Leuten über Songideen zu diskutieren und zu schauen, was passt.

SL: Kommen wir einmal zum Text: Was ist für dich der lyrische Klebstoff, der das Album zusammenhält? Gibt es ein Hauptthema oder eine -komponente?

Mine: Es gibt eigentlich keine Komponente, so schreibe ich nicht. Trotzdem ist es natürlich, dass die Themen eng nebeneinander zu betrachten sind, weil ich eben alle Ideen in so kurzer Zeit zusammentrage und mich dementsprechend mit ähnlichen Dingen beschäftige. Bei Künstlern Anfang 20 geht es eigentlich immer um Party, mit Mitte 20 um Selbstfindung – Es hängt eben von der Lebensphase ab. Hauptsächlich habe ich mich mit der Auseinandersetzung mit mir selbst beschäftigt, und eine objektive Sicht auf mich selbst in den Vordergrund gestellt. Der Tod meiner Mutter hat auch viel verändert, und hat im Hinblick auf die Thematik auch Folgen mit sich gezogen.

SL: Du hast mit 90 Grad, wie beschrieben, einen richtigen Popsong kreiert. Was denkst du würde dein altes Ich von 2016 zu deinem jetzigen Zukunfts-Ich sagen?

Mine: Es würde sich freuen. Ich glaube, ich wäre wahnsinnig baff zu sehen, dass ich das nun als Beruf machen kann und um ehrlich zu sein, auch ein bisschen beeindruckt. Es ist einfach wunderbar zu sehen, dass ich die Dinge umsetzen kann, die ich schon sehr lange tun wollte, und dass es jetzt überhaupt geht, erschien mir immer unmöglich. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal hier in Wiesbaden vor 1000 Leuten spielen würde. Das ist einfach absurd in meinem Kopf. Außerdem stehe ich auch vollkommen hinter den Songs, habe mehr Fähigkeiten entwickelt, höre manche Aspekte besser – die Qualität ist sozusagen hochauflösender.

SL: Die erste Textzeile spricht von einem „Filter“. Wie ist dieser zu verstehen?

Mine: Für mich geht es hier nicht um den Perfektionsdruck, mit dem man als junge Frau aufwächst, siehe zum Beispiel Germany’s Next Topmodel. Diese Perfektion gibt es in der wahren Welt sonst nicht, und den Wahn danach finde ich schon sehr gefährlich. Aber vielmehr steht hier für mich die reine, positive Lebensessenz im Vordergrund. Die Sicht auf die Dinge ändert wirklich die Sache: zu Zeiten des Schreibens war ich am Tag zuvor wirklich mies drauf, doch der nächste Tag brachte plötzlich gute Laune und hat meine Situation gänzlich zum Positiven verändert; alle Negativität ist mir quasi entwichen. Und das war ein abgefahrenes Erlebnis!

SL: Wo fühlst du dich musikalisch zu Hause? Was ist dein Tour-Soundtrack?

Mine: Uh, dazu zählen für mich das neue großartige Flo Mega Album, Rosalia und Robyn, bei der ich gerade erst auf einem Konzert war.

SL: Danke für das Interview und ein schönes Konzert!

Mine: Danke und viel Spaß dir!