Livereview: The National + Support, Jahrhunderthalle Frankfurt, 15.07.2019

The National sind die derzeit vielleicht am kontinuierlich größer werdende Indie-Band der Welt – und untermauern aktuell mit fantastischen Konzerten den Anspruch, auch die derzeit beste Indie-Band der Welt zu sein, so auch in der nahezu ausverkauften Frankfurter Jahrhunderthalle.

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Das Quintett ist schon aus Sicht der Bandbesetzung als äußerst familiär zu bezeichnen: Sänger und Gesicht der Band Matt Berninger wird umrahmt von den Gitarristen und Brüdern Aaron und Bryce Dessner sowie Schlagzeuger Bryan Devendorf und dessen Bruder und Bassisten Scott Devendorf. Für ihre aktuelle Europatour haben sich die US-Amerikaner zudem keine unbekannte Künstlerin ins Boot geholt: Im Vorprogramm tritt mit Adia Victoria eine Künstlerin auf, die im Februar ihr zweites Album Silences veröffentlicht hat, welches Aaron Dessner produziert hat. Für ihren vom Blues infizierten Indierock wird Victoria von zahlreichen Livemusikern unterstützt und schafft es auch aufgrund einer stimmungsvollen Lichtshow mühelos, die knapp 5.000 Konzertbesucher in wohlige Stimmung zu bringen. Dabei ist es allerdings mehr als schade, dass einige wenige das Konzerterlebnis ihrer Mitmenschen durch ununterbrochenes Quasseln stören. Wir sind eben (leider) nicht im Theater.

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Dabei hat das Erlebnis einer The National-Show schon fast etwas Theatralisches: Man ist heute vor allem hier, um sich audiovisuell begeistern zu lassen, kann die kryptischen Texte Berningers versuchen zu analysieren oder lässt sich einfach von diesen beeinflussen und darf einem Spannungsaufbau vergleichend dem Theater folgen und quittiert all dies mit euphorischem Applaus. Natürlich steht das neue, achte Album I Am Easy To Find heute im Mittelpunkt des Abends und wird bis auf die Interludes Her Father In The Pool und Underwater sowie die Songs Dust Swirls In Strange Light und Hairpin Turns komplett gespielt. Das ergibt in der Praxis ein Dutzend Songs – bei insgesamt 26 Songs also knapp die Hälfte der Show. Das funktioniert natürlich nur mit der Unterstützung von einem Teil der sechs Gastsängerinnen, welche I Am Easy To Find verziert haben. Heute Abend werden The National von Gail Ann Dorsey (von 1995 bis 2016 in David Bowies Band) und Mina Tindle (Ehefrau von Bryce Dessner) unterstützt und in neuen Songs wie Where Is Her Head oder Oblivions harmonieren die Stimmen der beiden Frauen mit der von Berninger so gut, dass man glauben könnte, The National hätten nie etwas anderes gemacht. Den größten Moment sparen sich Dorsey und Tindle für die erste Zugabe Not In Kansas auf, wenn sie auf den Spoken-Word-Part Berningers sakral anmutende Chöre folgen lassen, die komplett ohne Instrumentierung auskommen.

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Die zweifellos stärksten Momente der 140-minütigen Show gehören allerdings ganz alleine Berninger. Der 48-Jährige mit der unverkennbaren Bariton-Stimme ist für seine Wutausbrüche bei Konzerten seiner Band bekannt, zum Glück äußern sich diese nur dadurch, dass sich sein Gesang in lautes Schreien verwandelt, so unter anderem im neuen The Pull Of You und dem schon fast legendären Mr. November, welcher durch seine damalige Instrumentalisierung für die Präsidentschaftskandidatur Barack Obamas schon lange politische Züge angenommen hat. Das gilt natürlich auch für The System Only Dreams In Total Darkness und Fake Empire, welche zunächst die Gitarren und dann die Bläser in den Vordergrund rücken. Trotz einer Erkältung Berningers spult seine Band zusammen mit den fünf zusätzlichen Livemusikern das volle Programm ab und streut mit dem neuen Roman Holiday und About Today von der 2004er EP Cherry Tree zwei Songs ein, welche damit ihr Debüt auf der laufenden Tour feiern.

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Dass bei The National mittlerweile auch das Visuelle in den Fokus gerückt ist, dürfte nicht zuletzt an dem Kurzfilm I Am Easy To Find liegen, welcher das gleichnamige Album begleitet. Live äußert sich das in Form von drei riesigen LED-Leinwänden, welche nuanciert bespielt werden und mit Live-Bildern des Auftritts die Konzertatmosphäre sinnvoll unterstützen. Zum Glück gibt es auch am Sound nichts auszusetzen, stattdessen ist Berninger mit einem extralangen Mikrofonkabel ausgestattet. Diese Mobilität nutzt der Frontmann in Terrible Love vollkommen aus und läuft zuerst einmal quer durch den Innenraum, nur um dann die Tribüne der Halle zu betreten. Dort lässt er sich auch von einem kurzen Sturz nicht aufhalten und meistert den Spagat zwischen emotionalem Gesang und darin, Selfies mit einigen Fans zu machen. Auf der Bühne wieder angekommen, folgt noch Light Years, welcher I Am Easy To Find abschließt, sowie Vanderlyle Crybaby Geeks, natürlich komplett akustisch und gesungen von den Fans, während Berninger am Bühnenrand dirigiert. Ein Monstrum von einem Konzert – für The National ein gewöhnlicher Abend, für die Leute vor der Bühne dagegen ein selten grandioses Erlebnis.

© Fotos von Valentin Krach