Als Von Wegen Lisbeth vor ziemlich genau zwei Jahren das rund 1.300 Leute fassende FZW in Dortmund ausverkaufen konnten, fragten wir uns im Anschluss an die Show, ob die Berliner Indie-Durchstarter bei ihrem nächsten Erscheinen in unserem Magazin bereits die nächste Stufe auf der steil nach oben ausfahrenden Karriereleiter genommen hätten. Heute muss man sich eher fragen, wie viele Stufen das Quintett seitdem erklommen hat.
Geht man noch etwas weiter zurück, fällt der Popularitätsanstieg noch eine Spur größer aus: Im Februar 2017 haben Von Wegen Lisbeth noch das benachbarte Kesselhaus (Kapazität: 400) ausverkauft, etwas mehr als zweieinhalb Jahre später spielen sie aufgrund der hohen Nachfrage gleich zwei ausverkaufte Konzerte in der großen Halle, zu denen insgesamt knapp 5.000 Leute kommen. Als Say Yes Dog um 20 Uhr die Bühne betreten, steht ein Großteil der heutigen 2.400 Konzertbesucher*innen allerdings noch vor der Halle. Das ebenfalls aus Berlin stammende Trio landete 2015 mit dem Song A Friend vom Debütalbum Plastic Love einen kleinen Hit, 2016 dürften dank des gemeinsamen Songs Before I Lose My Mind mit Claptone weitere Fans hinzugekommen sein, die vergangenen Mai nun endlich die Veröffentlichung des zweiten Albums Voyage bejubeln durften. Say Yes Dog klingen ungefähr so wie Joy Division, wenn die nicht nur Pioniere des Post-Punk, sondern auch des House gewesen wären. Dazu kann man sich nicht nur gut in der Indiedisco warmmachen, sondern auch wunderbar raven.
Gleiches lässt das elektronische Intro von Von Wegen Lisbeth erahnen, die Rave-Schlagseite fällt allerdings zusammen mit dem Vorhang, der bis zu den ersten Tönen des Openers Wieso das Bühnenbild verdeckt. Der Song ist zugleich auch der erste Song des zweiten Albums sweetlilly93@hotmail.com, auf dem die Gruppe aus der Hauptstadt nicht an die Hitdichte vom Debütalbum Grande herankommt, dafür aber etwas mehr mit Post-Punk-Elementen experimentiert und sich mindestens genauso wortgewandt und gesellschaftskritisch zeigt wie zuvor. Zeilen wie „Und warum ist die AfD immer noch da/ Obwohl ich heut‘ beim Yoga war?“ gehen in der Masse der 24 Songs langen Setlist natürlich unter, dass alte Lieblingssongs wie Meine Kneipe oder Bitch deutlich lauter mitgebrummt werden als neue Favoriten wie das eben zitierte Alexa gib mir mein Geld zurück! beweist aber auch, dass viele Fans mit dem Album noch nicht besonders warmgeworden sind.
Produktionstechnisch spielen Von Wegen Lisbeth mit einer großen halbkreisförmigen LED-Leinwand nun auch in einer höheren Liga, ihre Bodenständigkeit haben sie sich dagegen bewahrt. Das vermittelt nicht nur das Streunen einzelner Bandmitglieder durch das Publikum während des Auftritts von Say Yes Dog, sondern auch die ungezwungenen und dennoch humorvollen Ansagen von sowohl Frontmann Matthias Rohde als auch Multiinstrumentalist Robert Tischer, der zu Beginn des 105-minütigen Auftritts auch auf die langlebige Fehde zwischen den Landeshauptstädten Wiesbaden und Mainz eingeht, was für leichtes Raunen im Zuschauerraum sorgt. Im Gegensatz zu vorherigen Konzerten der Tour spielen Von Wegen Lisbeth heute kein Cover von Lena Meyer-Landruts Eurovision-Song-Contest-Siegerlied Satellite, sondern besinnen sich auf ihre eigenen Songs. Die finden mit Sushi einen würdigen Abschluss, bei dem noch einmal kräftig das Tanzbein geschwungen wird. Die Frage nach dem weiteren Popularitätswachstum erübrigt sich vorerst, da Von Wegen Lisbeth für den Oktober 2020 eine weitere und die größte ihrer bisherigen Touren angekündigt haben. Vielleicht reicht das Produktionsbudget dann schon aus, um die Titel einiger Songs für die Liveshow aufzugreifen. Ein Lieferandomann auf oder Freigetränke vor der Bühne wären jedenfalls keine schlechte Sache.
© Fotos von Valentin Krach