Livereview: Leoniden + Support, KUZ Mainz, 20.10.2019

Während auf der ersten Tour zum zweiten Album Again vor fast einem Jahr eher die Songs des nach den Leoniden benannten Debütalbums für die große Euphorie im Publikum sorgten, sind es im ausverkauften Mainzer KUZ heute vor allem die Songs von Again, die wüste Moshpits evozieren.

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Egal, ob man heute in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt oder in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden auf ein Indie-Konzert geht, falsch machen kann man nur wenig, denn sowohl Von Wegen Lisbeth – auf ihrer Zusatzshow im Schlachthof (hier findet ihr unser Livereview von der regulären Show) – als auch die Leoniden – im noch brandneuen wiedereröffneten KUZ – gehören zu den besten deutschen Livebands des Genres. Was beide Bands verbindet, ist der stetige Wachstum, den sie seit der Veröffentlichung ihrer Debütalben 2016 beziehungsweise 2017 erleben. Obwohl es bei den Leoniden etwas langsamer als bei den Senkrechtstartern Von Wegen Lisbeth vorangeht, muss man dennoch den Hut vor den Kielern ziehen, doch dazu später mehr. Für ihre 24 Konzerte lange Tour haben sich die Leoniden sieben Support-Acts ins Boot geholt, Go Go Berlin dürfen auf den ersten vier der in Deutschland stattfindenden Shows eröffnen, der Stopp in Mainz ist der letzte davon. Dass die Dänen noch einmal alles raushauen wollen, was nur geht, ist ihnen über die gesamte halbe Stunde ihres Auftritts anzumerken, in der insbesondere Frontmann Christian Vium einige Meter auf der Bühne zurücklegt. Der Indierock des Quartetts und Live-Quintetts pendelt zwischen dramatisch und krachend, dankbar und überwältigt. Die gesamte Attitüde der Band schreit nach großer Festivalbühne und es dürfte nicht verwundern, wenn Go Go Berlin in naher Zukunft dort wiederzufinden wären.

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Das zweite Zuhause der Leoniden sind inzwischen die Festivalbühnen Europas geworden und diese Entwicklung scheint kein Ende zu nehmen. Die aktuelle „Kids Will Unite Tour“ ist die bereits dritte eigene Konzertrutsche zu Again und bevor diese überhaupt vorbei ist, hat das Quintett seine bislang größte Tour für den Oktober 2020 angekündigt und ist auch schon für neue Festivalauftritte bestätigt. Ob bis dahin ein mögliches drittes Album erschienen sein wird, ist aktuell nicht bekannt, aber sehr wahrscheinlich, schließlich lagen zwischen Leoniden und Again auch nur anderthalb Jahre. Zu einer ungewöhnlich frühen Uhrzeit (20 Uhr) betreten Leoniden die Bühne des erst vergangenen Dezember wiedereröffneten KUZ und nach dem obligatorischen Intro zieht Colorless das Tempo direkt an und leitet mit einem amtlichen Moshpit einen regelrechten Abriss ein. Die erste Konzerthälfte gehört zwar eher ruhigeren Songs wie Why oder The Tired, rockigere Nummern wie 1990, Kuhglocken-Exzesse oder kurz eingestreute Schnipsel bekannter Songs wie Samba De Janeiro halten aber die Spannung hoch, bis Down The Line nach ungefähr der Hälfte des 75-minütigen Auftritts in einer Wall Of Death mündet.

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Das anschließende People dürfen die rund 1.000 Konzertbesucher bis zum Refrain ohne musikalische Begleitung anstimmen, bevor die Leoniden wieder übernehmen. Härter als im Refrain von River und tanzbarer als in Alone wird es heute nicht mehr und nach einer kurzen Anekdote zu einem exklusiven Mini-Konzert in New York covern die norddeutschen Shootingstars Empire State Of Mind, ersetzen das „New York“ im Refrain aber durch „Mainz“. Solche Spielereien funktionieren im Gesamtkontext des Konzertes, weil sie die Barriere zwischen Bühne und Innenraum, Band und Fans aufheben und sich wie die regulären Songs als einzelne Teilchen zu einem ungemein ausgelassenen Konzerterlebnis fügen. Mit Kids und einem kleinen Funkenregen auf der Bühne verlassen die Leoniden erstmals die Bühne und nach einer kurzen Pause kehrt nur Frontmann Jakob Amr auf die Bühne zurück, um Storm alleine als Klavier-Ballade auf seinem Keyboard zu spielen. Anschließend kehren die übrigen vier Bandmitglieder ebenfalls auf die Bühne zurück und mit Nevermind und Sisters wird noch einmal ordentlich durch den Tisch getreten. Danach haften Konfetti und Schweiß an der Decke und die Betreiber des KUZ können froh sein, ihr Kulturzentrum nicht erneut sanieren zu müssen.
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© Fotos von Valentin Krach