Livereview: While She Sleeps + Support, Schlachthof Wiesbaden, 22.01.2020

Stimmprobleme, aber So What? Mit ihrer bisher längsten Show touren While She Sleeps derzeit durch Europa und spielen in Hallen, die sie vor weniger als drei Jahren nur als Support besuchen durften.

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Das treue Publikum um die selbsternannten „Sleeps Brothers“ scheint bei den ersten beiden Gruppen nicht so wirklich zu wissen, was passiert. So hört man Gemurmel das hinterfragt, wer Vein eigentlich sind, von Every Time I Die ganz zu schweigen. Äußerst schade ist das ganze dann auch noch, wenn die Performance der aufregenden Hardcore-Punk Formation von räudigem Sound in den Matsch getragen wird. Ist man wirklich dazu in der Lage, die schlechte Abmischung zu ignorieren, sieht man eine energetische Performance, die unter besseren Umständen wahrscheinlich genießbar gewesen wäre: Virus://Vibrance beispielsweise integriert Breakbeats in den von Nu-Metal versehenen Chaos Sound der Gruppe, und sorgt für mächtig Aufruhr auf der Bühne, wie man es beispielsweise von Turnstile oder Code Orange kennt. Kein Wunder, dass letztere Vein schon vermehrt auf Tour mitgenommen haben. Die Schablone des Opener Fluchs trifft hier perfekt zu, da das Publikum die heftigen Lieder zwar mit Beifall bejubelt, aber eher statisch dem Geschehen lauscht, als das Konzert auch in der Menge lebhaft zu machen. Bei besserem Sound gerne noch einmal.

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Every Time I Die sollten es ja eigentlich leichter haben. Immerhin haben die Genrepioniere schon ganze acht Alben auf dem Buckel (ein neuntes soll bald aufgenommen werden), ihr eigenes Festival in Buffalo, und einen quasi Legendenstatus in der Alternativen Musikszene für ihre Southern Riffs, die in jedem Lied Einzug finden. Aus irgendeinem Grund scheinen Every Time I Die in Deutschland im Underground stecken geblieben zu sein, was sich in den teils unwissenden und gelangweilten Gesichtern der Masse widerspiegelt. Keith Buckleys stark eigencharakteristische Stimme scheint die Zuschauer nicht sonderlich anzusprechen, obwohl Gruppen wie While She Sleeps wahrscheinlich ebendiesen in in ihren jungen Jahren zum Vorbild hatten. Decayin‘ with the Boys ist wohl einer der ultimativen ETID Lieder, das den frenetischen, hektischen Hardcore Punk der Gruppe zu einem unaufhaltsamen Monster macht. Die Band springt, stampft und rennt über die Bühne, vollkommen unabhängig von den langsam aufwachenden Zuhörern. Aufgrund des erneut suboptimalen Sounds stechen Lieder wie It Remembers oder das abschließende Map Change mit ihrer melodischen Komponente besonders heraus und ernten den stärksten Beifall. Womöglich gibt es ja dank dieser Tour in Zukunft ein wenig mehr Leute, die sich die Musik des Quintetts zu Gemüte führen möchten.

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Wesentlich voller wird es plötzlich zum Headliner While She Sleeps, bei denen zum ersten Mal so etwas wie ein richtiges Konzertfeeling aufkommt. Wider Erwarten startet das massive 16-Song Set mit den ersten drei Liedern des jüngsten Albums So What?. Während Anti-Social gewohntermaßen Bassdrumgewitter loslässt und das Publikum zum Hüpfen anheizt, ist es I’ve Seen it All, das den neugefundenen stärkeren Melodiefokus hervorhebt und sogar vierstimmigen Gesang bietet, wie auch Set You Free. Die neue Single Fakers Plague setzt der Brutalität keine Grenzen und klingt live sogar noch besser als in der Studioversion. Frontmann Loz Taylor screamt sich wacker durch das Set und klingt erstaunlich gut trotz seiner frequenten Stimmbandoperationen, die der Gruppe letztes Jahr das Touren erschwerten. Dennoch war die Entlastung Taylors live abzuwarten, indem die anderen Mitglieder umso mehr zum Mikrofon greifen.

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Ein schöner Bonus für Fans der ersten Stunde sind Death Toll oder der unterbwertete Knaller Trophies of Violence, bei denen der Moshpit mächtig brodelt. Dabei zeichnet sich jedoch auch ab, wie sehr sich While She Sleeps in der Zwischenzeit weiterentwickelt haben: Der Fokus auf Metalcore Breakdowns ist nun einem größeren Melodieverständnis gewichen, welches Gitarrist Mat Welsh mehr Raum gibt, seine wiedererkennenswerten Klargesang zum besten zu geben. Doch das wohl größte Highlight sind Sean Longs fehlerfreie, straffe Gitarrenleads, die förmlich über dem Riffgeschehen schweben (siehe You Are We).

Nach einem Zugabenblock bestehend aus drei Fanfavoriten geht ein gelungenes Konzert von While She Sleeps nach knapp 85 Minuten zu Ende. Obwohl die Supportbands bei einem anderen Headliner wohl besser gepasst hätten, kann die Gruppe aus Sheffield nach der aktuellen Tour mit Sicherheit von sich behaupten, dem Headlinerstatus in größeren Hallen gerecht geworden zu sein. Kritiker, die der Band mit dem neuesten Album eine größere Affinität zum Mainstream vorwerfen, dürften wohl zwei Worte als Antwort hören: So What? While She Sleeps sind besser live als zuvor, und das Konzert stellt eine gute Zukunft für die wachsenden Band in Aussicht.