Mitski ist ein Idol der Generation Z. Das erklärt den am heutigen Abend recht jungen Altersdurchschnitt der Konzertbesucher*innen als auch deren frenetische Reaktionen auf den lange ausverkauften Auftritt der 31-Jährigen in der Domstadt.
Doch nicht nur die amerikanisch-japanische Sängerin wird von den 1600 Leuten lautstark bejubelt, auch die ebenfalls 31-jährige Sasami wird so ohrenbetäubend gefeiert, dass man entweder meinen könnte, es wären zehnmal so viele Menschen in der Halle oder die nächsten Nirvana würden gerade auf der Bühne stehen. Letzteres erscheint nach einem geradezu elektrisierenden Auftritt von Sasami, die mit bürgerlichem Namen Sasami Ashworth heißt, gar nicht mal so abweichend. Als Anführerin einer vierköpfigen Live-Band macht sich die US-Amerikanerin die Bühne in Windeseile zu eigen, wirft ihre langen Haare immer wieder in Metal-Manier zurück, setzt auf den Knien sitzend zum Gitarrensolo an und spielt dazu noch Musik wie aktuell kein/e Zweite/r. Die acht Songs der Setlist gehen allesamt auf das Ende Februar erschienene zweite Album Squeeze zurück, mit dem sich Sasami von sämtlichen Genrezuschreibungen verabschiedet hat. Der Konzert-Opener The Greatest ist eine Grunge-Hymne, Need It To Work und Sorry Entertainer gehen als Metal durch, Make It Right drückt das Fuzz-Pedal nach unten und Call Me Home ist ein Singer/Songwriter-Stück, brodelt dabei aber ebenso fies vor sich hin. Dass Sasami diesen höchst erfrischenden Genre-Mix live nochmal energetischer rüberbringt und als Support-Act so einen Abriss zementiert, beweist, dass ihr die Zukunft gehört.
Mitski gehört dagegen bereits die Gegenwart. Durch das Carlswerk dröhnen während der Umbaupause die ersten „Mitski! Mitski“-Sprechchöre und als sie um 21:30 Uhr mit Love Me More ihre Show eröffnet, singen ihre Fans so laut mit, dass man sie zuerst kaum versteht. Das bessert sich zum Refrain, der live weitaus weniger poppig klingt als auf ihrem aktuellen, ebenfalls im Februar erschienenen Album Laurel Hell. Nach dem live recht funkigen Should’ve Been Me wird es zu Francis Forever wieder unglaublich laut. Schon beeindruckend, mit was für einer Leidenschaft ihre Fans die Songs mitsingen. Da müsste Mitski noch nicht einmal selbst zum Mikrofon greifen, sondern könnte sich vollkommen ihren exzentrischen Tanzbewegungen hingeben. Das macht sie auch so zur Genüge, singt und schwebt dabei aber auch noch wie ein Engel über die Bühne. Vor dem mit Discolichtern verstärkten Nobody fragt Mitski ihr Publikum, wie viele denn zum allerersten Mal ein Konzert besuchen würden, wobei im vorderen Halbteil der Halle nahezu die Hälfte aller Menschen die Hand heben. Dass darunter vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind, zeigt, was für ein Loch die Pandemie bei Konzerten und Festivals gerissen hat. Den Konzert-Frischlingen gibt Mitski auf den Weg, nett zueinander zu sein und aufeinander aufzupassen. Nach 19 Songs – alle nahezu gleichmäßig auf ihre letzten vier Alben verteilt – spielt sie mit Two Slow Dancers und einem auf die Bühne geworfenen Blumenstrauß im Arm eine Zugabe, die vom Publikum mit Handylichtern hell erleuchtet wird, bevor sie nach 75 Minuten die Bühne verlässt. Dass sie zuvor noch einmal mehrere lautstarke Liebeserklärungen von ihren Fans erhalten hat, versteht sich von selbst.
© Fotos von Romy Weidner