„Da sitzt man zwei Jahre in seinem stillen Kämmerchen und dann das – als wäre nichts gewesen“, fasst Van Holzen-Frontmann Florian Kiesling den mehr als geglückten Tourauftakt seiner Band zusammen.
Für ihre erste Tour seit über zwei Jahren haben sich die Ulmer als Support Torn Palk eingeladen. Das Projekt von Heisskalt-Gitarrist Philipp Koch ist trotz zahlreicher Veröffentlichungen – darunter mehrere Alben – bislang eher unter dem Radar gelaufen. Zu Unrecht, wie die enorme Spielfreude des Quartetts belegt, das musikalisch zwischen Fuzz, Krautrock, Garage, Psychedelic und Punk angesiedelt ist. Findet auch das Publikum, dass die Band lautstark feiert und bereits andeutet, wie hoch das Energielevel an diesem Abend werden würde.
Im Hause Van Holzen besitzt DIY noch einen Stellenwert: das Trio hat nach zwei Alben beim Major sein drittes Album Aus der Ferne selbst produziert und kümmert sich heute neben dem Merch-Verkauf nach der Show auch um das finale Checken des Sounds davor. Danach wird sich kurz umgezogen und zu einem sirenenartigen Intro geht es pünktlich um 21 Uhr zurück auf die Bühne. Van Holzen eröffnen mit dem treibenden Schlafen, bevor nach dem Albumopener Gini mit Regen der erste ältere Song folgt. Während die Band von der ersten Sekunde an eine unglaubliche Energie ausstrahlt, dauert es ein paar Songs, bis das Publikum seine Zurückhaltung ablegt. Spätestens zum vierten Song Arche hat sich aber der erste Moshpit gefunden. Dass der nicht wieder verschwindet, liegt auch am Live-Sound von Van Holzen. Der Bass von Jonas Schramm knarzt und das Schlagzeug von Daniel Kotitschke, der pünktlich zur Mitte des Sets mit nacktem Oberkörper den deutschen Ben Johnston gibt, poltert ordentlich, während Kieslings Gitarre in indierockigeren Songs wie Nagel oder Gras näher am Fuzz ist, in Biss etwa aber ordentlich Metal-Schlagseite gibt.
Mit seinen Ansagen hält sich der Sänger und Gitarrist eher zurück, bedankt sich aber mehrfach für den gut besuchten Yuca Club, sodass deutlich wird, wie kathartisch dieser Abend für seine Band sein muss. Die Pandemie spielt in seinen Ansagen ebenso eine Rolle wie die Klimakrise, die Van Holzen auf Aus der Ferne gleich in mehreren Songs behandeln. Für alle, die noch nicht mitbekommen haben sollten, wie ernst die Lage ist, stellt die Band mit Mars einen Song mit klarer Botschaft ans Ende des regulären Sets. Einige Songs zuvor dürfen Dreiviertel von Torn Palk nochmal auf die Bühne, um die vor wenigen Tagen veröffentlichte, wirklich starke gemeinsame Coverversion von Guten Tag von Wir sind Helden zu performen. Dass selbst so ein Song Van Holzen – wenn auch mit Unterstützung – so leicht von der Hand geht, zeigt auf, wie sehr die Band durch ihr drittes Album gewachsen ist. Die gesellschaftskritischen Stücke von Aus der Ferne bilden mit der jugendlichen Chiffrierung von Anomalie sowie dem Selbstfindungsprozess von Regen ein bislang hervorragendes Œuvre, mit dem sich Van Holzen eine eigene bundesweite Fangemeinde erspielt haben. Anno 2022 stellt das Trio aus Ulm also eine gewichtige Stimme für junge Menschen am Ende ihrer Teenager- und zu Beginn ihrer Zwanziger-Jahre dar. So eine Erkenntnis muss ein Tourauftakt erstmal liefern.