Counterparts, Justice For The Damned und Thrown – Knüppelnacht im Wiesbadener Schlachthof.
Ursprünglich sollten Counterparts heute im Vorprogramm von The Amity Affliction in der Halle des Schlachthofs auftreten. Die Australier haben ihre Europatour aufgrund ihrer angeschlagenen mentalen Gesundheit jedoch auf Januar und Februar verschoben und Counterparts stattdessen kurzfristig eine eigene Europatour anberaumt. Dass für die Show im Kesselhaus innerhalb von sechs Wochen alle Tickets vergriffen sind, beweist, dass es trotz zahlreicher akuter Probleme auch Hoffnungsschimmer für die Livemusik-Industrie gibt und zeigt einmal mehr, was für ein Standing Counterparts mittlerweile in der Szene haben. Das müssen sich Thrown aus Schweden erst noch erarbeiten. Das Quintett ist jedoch auf einem guten Weg dahin. Dafür, dass sich die Band erst 2020 gegründet hat, wirkt die Performance bereits routiniert und immer wieder blitzt im Hardcore der Skandinavier Groove auf. Recht schnell bewegen sich zudem Band und Teile des Publikums in Beatdown-Manier einstimmig zur Musik. Mit einem Label-Vertrag bei Arising Empire und der in diesem Jahr erschienenen Debüt-EP Extended Pain im Rücken darf man auf die Zukunft von Thrown gespannt sein. Für den Moment ist jedoch nach diesem 20-minütigen Auftritt alles gesagt.
Deutlich mehr Erfahrung können dagegen Justice For The Damned vorweisen. Die Australier sind bereits seit 2011 aktiv und haben mit Dragged Through The Dirt (2017) und Pain Is Power (2020) bereits zwei Alben veröffentlicht, letzteres produziert von Counterparts-Stammproduzent Will Putney. Das Quintett spielt darauf mächtigen Deathcore mit Blastbeat-Gewittern, der im Vergleich zu den bereits guten Thrown nochmal ordentlich Qualität draufsetzt. Da ist es dann auch nicht verwunderlich, dass sich Frontmann Bobak Raffiee auf der Bühne erst nochmal ausführlich dehnt, bevor seine Band diese musikalische Urgewalt auf das Publikum loslässt. Raffiee pusht die Konzertbesucher*innen während des halbstündigen Auftritts immer wieder, indem er zum Two Step oder Circlepit auffordert. Wie auch Thrown-Sänger Marcus Lundqvist teilt Raffiee immer wieder das Mikrofon mit seinen Fans. An einer Stelle übernimmt schließlich ein Fan das Mikro, begibt sich auf die Bühne, meistert den Part und stürzt sich dann als Stagediver wieder von der Bühne. Das wird nur noch vom anpeitschenden letzten Song Final Cataclysm überboten, bei dem sich noch einmal die ganze Wucht von Justice For The Damned entfaltet.
Was sich bereits in Ansätzen bei den Auftritten der Vorgruppen zeigt, gilt dann vor allem für die Show von Counterparts: auch als eine Kamera in der Hand haltender, deutlich erkennbarer Fotograf ist man heute nicht sicher und wird teilweise zu Beginn des Auftritts von Counterparts nur so von Stagedivern umgeräumt. Das kann man als Berufsrisiko bezeichnen, andererseits ist es so wenig verwunderlich, dass es heute Abend nicht ohne Verletzungen im Publikum zugeht. Ihr Set beginnen die Kanadier nach dem Intro 07/26/2020 mit Whispers Of Your Death und Bound To The Burn, die auch das vor anderthalb Wochen veröffentlichte siebte Album A Eulogy For Those Still Here eröffnen. Es ist erstaunlich, wie textsicher ein Großteil des Publikums bereits ist und wie schnell sich das Kesselhaus mit Energie füllt. Schon beim ersten Song regnet es Stagediver und der Pit steht regelrecht in Flammen. Nach den beiden neuen Songs geht es weiter mit Wings Of Nightmares und Paradise And Plague vom sechsten Album Nothing Left To Love, bevor zum Beginn von Monument mehrere Stagediver gleichzeitig die Bühne erklimmen.
Die 18 Songs starke Setlist lässt nur das Debütalbum Prophets außen vor, bis auf das nur einmal vertretene zweite Album The Current Will Carry Us sind alle weiteren Platten zweimal und Nothing Left To Love viermal vertreten, während Counterparts von A Eulogy For Those Still Here heute sechs Songs spielen. Schade, dass das fantastische Sworn To Silence nicht darunter ist und auch You’re Not You Anymore nur mit zwei Songs vertreten ist und Bouquet, Haunt Me oder Swim Beneath My Skin somit nicht Teil der Setlist sind. Das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau, denn mit anderthalb Dutzend Songs ist die Setlist außergewöhnlich lang für Hardcore-Verhältnisse und das Verhältnis zwischen alten und neuen Songs perfekt ausbalanciert. Beim brutalen Thieves steht auf einmal Thrown-Schlagzeuger Buster Odeholm auf der Bühne und unterstützt Counterparts-Frontmann Brendan Murphy beim gutturalen Gesang. Im neuen Flesh To Fill Your Wounds wechselt Murphy anschließend gekonnt zwischen Geschrei und Gesang, bevor der Breakdown alles zermalmt. Das wird nur noch vom Breakdown in Unwavering Vow getoppt, der einem Erdbeben gleichkommt. Vor dem A Eulogy For Those Still Here abschließenden und heute letzten regulären Song A Mass Grave Of Saints bittet Murphy das Publikum darum, ihm bei den Gesangsparts auszuhelfen, da er nicht singen könne, was dieser jedoch auch so meistert. Danach folgt mit The Disconnect noch eine Zugabe, an deren Ende der Sänger den Gesang komplett dem Publikum überlässt. Ein perfektes Ende einer 75-minütigen Melodic-Hardcore-Machtdemonstration.