Auf ihrer ersten Europatour seit 2019 bringen Press Club kurz nach der Veröffentlichung ihres neuen Albums Endless Motion alles auf die Bühne, was sie auch in den Jahren vor der Pandemie ausgezeichnet hat – melodische Musik zwischen Punk und Garage Rock, durchgängig mitsingbare Texte und eine mit Enthusiasmus geladene Bühnenpräsenz, die ansteckend ist.
Bevor es jedoch im zu diesem Zeitpunkt noch sehr leeren Chelsea – was mit Sicherheit auch an der im Vorfeld nicht wirklich klar kommunizierten Startzeit liegt – dazu kommt, eröffnen die Wiener Lokalmatadore von Small Hours den Abend. Aus dem Post-Hardcore des 2013 gegründeten Trios sind viele Grunge-Einflüsse herauszuhören und dank effektgeprägter, melodischer Ausläufer erinnert die Musik zeitweise auch an Shoegaze. Je mehr sich der Saal füllt, desto mehr Stimmung kommt auf, auch wenn sich bis zum Ende des Sets niemand so wirklich auf die Tanzfläche wagt. Die Band zeigt sich davon unbeeindruckt und präsentiert eine Auswahl von teils auf Deutsch, teils auf Englisch getexteten Songs, die eine emotionale Bandbreite von Melancholie bis Wut abdecken und auch vor vielen wichtigen politischen Botschaften gegen alle Formen von Diskriminierung nicht zurückschrecken. Höhepunkt des Sets ist ein erst kürzlicher verfasster Song über Depressionen, der in der einzigen längeren Wortmeldung des Frontmanns und Gitarristen Christian Wallner mit einer Widmung an eine anwesende befreundete Person der Band angekündigt wird. Wenige Songs später verabschieden sich Small Hours auch schon wieder von der Bühne.
Ebenjene wird unter großem Jubel der geschätzt 100 bis 150 anwesenden Gäste kurze Zeit später von Press Club betreten, die sich von Beginn an nicht anmerken lassen, dass dies ihr allererster Auftritt auf österreichischem Boden ist, schließlich hatten die Australier*innen erst eine Tour durch das europäische Festland 2019 hinter sich. Waren sie damals nur mit den beiden in Europa mit bloß einem Jahr Abstand veröffentlichten Alben Late Teens und Wasted Energy unterwegs, startet die vierköpfige Band aus Melbourne heute mit Eugene und Coward Street aus ihrem erst im Oktober erschienenen dritten Album Endless Motion. Dieses macht im Verlauf des Abends knapp die Hälfte der Setlist aus, doch auch Fans, die sich noch nicht mit dem neuen Material beschäftigen konnten, kommen nicht zu kurz: spätestens als Sängerin Natalie Foster Passagen von Seperate Houses und Headwreck kopfüber von der kleinen Bühnenbarriere hängend und in der Menge tanzend performt, ist ein erster Stimmungshöhepunkt im Publikum erreicht. Dieser resultiert jedoch nicht nur aus dem durchaus rauen und tanzbaren Sound der beiden Songs, sondern auch durch die folgende Begrüßung Fosters, die vielleicht eine der wenigen Musiker*innen ist, der man eine Liebesbekundung an die Stadt und ihre Konzertbesucher*innen als komplett authentisch abnehmen kann.
Etwas Zeit zum Verschnaufen bietet sich kurz darauf während Less These Days, dem Album-Closer der neuen Platte, dessen eher gesprochene Textpassagen Foster mit mehr Energie als in der aufgenommenen Version vorträgt. Gitarrist Greg Rietwyk und Bassist Iain Macrae nutzen die Gesangspausen, um die melodischen Intermezzos routiniert auf die Bühne zu bringen. Nach den ohne Pause anschließend gespielten Late Teens und Untitled Wildlife hat Foster sicherlich jedes Bühnenaccessoire gefunden, von dem sich irgendwie in ein Mikrofon singen lässt, und wenn sich die Mitglieder*innen der Band während instrumentaler Parts gegenseitig aufheizen, scheint auch ein Funke in die kleinen, aber feinen Moshpits in der Menge überzuspringen, die sich bei My Body’s Changing äußerst textsicher präsentiert. Es folgt eine weitere Ansprache von Foster, die sich nach den üblichen Danksagungen einmal mehr über den erneuten Europabesuch ihrer Band freut, der sich auch schon langsam den letzten Konzerten zuneigt – diesmal hoffentlich mit einem angenehmeren Ende als 2019, als sich die Frontfrau vor der finalen Show den Fuß brach, sodass diese schließlich abgesagt werden musste.
Das Wiener Publikum tut dafür auf jeden Fall sein Bestes und lässt sich beim folgenden Endless Motion wie so oft an diesem Abend nicht anmerken, dass sich dieser noch nicht lange in seiner Streaming-Rotation befindet. Auf den ernsten Text von Twenty-Three folgt in Kontrast dazu ein spielerischer Affront Fosters an die Bandmitglieder, der gleichzeitig auch den letzten Teil der regulären Setlist einläutet. Cancelled und I Can Change zeigen nochmals die musikalische Weiterentwicklung auf, welche die Melbourner Musiker*innen mit ihrem neuen Material genommen haben. Foster ist trotz des energischen Auftritts wenig Müdigkeit anzumerken, sodass sie vor dem letzten geplanten Song sogar gleich zwei Zugaben verspricht, was der im Hintergrund der Bühne sichtlich schwitzende Schlagzeuger Frank Lees nur mit einem lächelnden Kopfschütteln zu kommentieren weiß. Während Suburbia brechen im Publikum erwartungsgemäß alle Dämme und auch Foster bewegt sich energisch zwischen einer eigens zur Standbühne umfunktionierten Monitorbox und der durchweg tanzenden Menge hin und her. Nachdem sich die Band halbherzig von der Bühne verabschiedet und diese nur wenige Sekunden später wieder betritt – schließlich war die Zugabe schon gewissermaßen beschlossen – geben sie noch Crash und ein wuchtiges, energiegeladenes Cover von Hate To Say I Told You So von The Hives zum Besten. Was bleibt, sind noch lange durch die Venue hallende Rufe nach einer weiteren Zugabe sowie die dringende Empfehlung, das kürzlich erschienene Album so oft zu hören, wie es ihm gebührt, auch als Vorbereitung auf hoffentlich bald folgende Europashows.
© Fotos von Leni Kohlfürst