Impericon Festival Leipzig, 23.04.2016

Wenn die Sonne allmählich ihre wohlig-warmen Fühler ausstreckt und auch die Metalheads aus dem Winterschlaf aufwachen, um bei den ersten Sonnenstrahlen neue Kraft für’s Headbangen und Crowdsurfen zu tanken, dann ist es wieder soweit: Die Festivalsaison beginnt! Am vergangenen Samstag, den 23.04. haben auch wir uns aus unserer Redaktionshöhle begeben, um uns zum Impericon Festival in Leipzig zu begeben. Dort sollte uns ein ganzer Tag vollgepackt mit hochkarätigen Bands, Bier und der ein oder anderen Überraschung auf die kommende Festivalsaison 2016 einstimmen.

PublikumEs war etwa halb 10, da öffneten sich die Pforten der AGRA, dem Gelände des Tagesfestivals, zu dem dieses Jahr Veranstalter Impericon zum sechsten Mal einlud. Tickets wurden gegen Festivalbändchen eingetauscht, man stärkte sich mit alternativem Metalfrühstück bestehend aus Bratwurst und Bier vor der Konzerthalle. Für das leibliche Wohl war gesorgt, nun fehlten nur noch die Bands, derentwegen man angereist war.

Trotz der frühen Tageszeit und dem ein oder anderen noch verschlafenen Gesicht, wurde dem Festivalbesucher schon nach den ersten Acts der Schlafsand förmlich aus den Augen geblasen.

VITJADie Hardcore-Formations Hellions begrüßte die Leipziger Menge nämlich um circa kurz nach 10 mit ein paar freundlichen, aber lauten “GUTEN MORGEN, AUFWACHEN! Stücken“. Im Herzen anspruchsvoller Hardcore, aber darüber hinaus gespickt mit rockig-punkigen Gitarrenriffs, die das Gesamtpaket deutlich melodiöser klingen ließen. Rundum ein passender Einstieg, der den Besucher sogleich daran erinnerte, dass wir nicht gekommen waren, um den Morgen mit der verweichlichten Leier von Morningshows zu beginnen. Nein! Es war Zeit für Metal, Hard- und WasauchimmerCORE! (Man beachte, die mittlerweile bestehende Bandbreite vom klassischen Metalcore bis hin zum Ultrabrutalpartydeathcore).

Es folgten die deutschen Djentlemen von VITJA, die aktuell auch Teil der Impericon Progression-Tour sind. Mit viel Einsatz auf der Bühne vermochten sie das noch lahme Publikum dazu zu bewegen, die ein oder andere Pit zu initiieren und etwas aktiver am Geschehen teilzunehmen.

ColdburnDie Leipziger Menge wurde so langsam warm und das merkte man auch. Während den Auftritten der lokalen Leipziger Gruppe Coldburn und den Amerikanern von Hundredth wurde das musikalische Spektrum auf rauere Töne der Hardcore Strömung ausgedehnt und die ersten Fäuste flogen durch die Luft. Erste Tritte wurden kassiert.

Doch noch durfte man nicht schlapp machen! Wer nicht gerade Mittagspause bei den Fressbuden vor der Konzerthalle machte, erlebte mit Any Given Day eine deutsche Durchstarterband, die seit Gründung auf einen konstanten Wachstum zurückblicken kann. Erst der Durchbruch mit einem Rihanna-Cover zu „Diamonds“, das im Übrigen grölend zelebriert wurde, Auftritte auf diversen namhaften Festivals wie dem With Full Force und nun die anstehende zweite Platte. Das alles von einer Band deren kompromisslose Härte vor vier Jahren im Ruhrpott geboren wurde. Sich als deutsche Band im weiten Feld der Metalszene abzugrenzen und herauszustechen ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Mit einem Frontmann, der live wie die tätowierte Version eines Hulk Hogans ohne Bart aussieht, fällt man jedoch definitiv auf! Der beschriebene Sänger Dennis Diehl besaß aber auch eine feinfühlige Ader, welche in Songs wie „Home is where the heart is“ zum Vorschein kam.

Der Preis für die „brutalste“ Show ging wohl an Chelsea Grin! Die kreischende Stimme des Vokalisten Alex Koehler zeigte dem ein oder anderen Besucher, der bisher die Härte seiner Musik vielleicht mit Asking Alexandria definierte, zu welchen extremen Leistungen das menschliche Stimmorgan fähig ist. Für den einen oder anderen der Szene vielleicht zu extrem, aber darin lag der Vorteil des Festivals. Jeder musikalische Geschmack sollte auf seine Kosten kommen!

Und so ging es weiter mit einem sehr vorantreibenden Set von Blessthefall. Breakdowns gepaart mit dem ein oder anderen clean gesungen Part scheinen immer irgendwie zu funktionieren. So wirkte jedenfalls der Tenor des Publikums.

NorthlaneDespised Icon überzeugte mit dem gewohnten Sängerduo und Publikumsnähe von Growler Alex Erian, der sich mit Hardcore-Attitüde auf den ersten Wellenbrecher stellte und den einen oder anderen Fan am Gesang ins Mikro partizipieren ließ.

Bury Tomorrow hingegen fuhren die von ihnen gewohnte Metalcore-Schiene, die nichtsdestotrotz nur so vor Energie strotzte. Mit einer wilden und bunten Lichtshow sowie allseits bekannten Singalongs wie „Man on Fire“, aber auch neuen Titeln vom aktuellen Album „Earthbound“, konnten sie die Herzen der AGRA höher schlagen lassen.

Für eine erfrischende Alternative abseits des „klassischen“ Metalcore sorgten Northlane. Die fünf Australier, allesamt in schwarz umhüllt, spielten ihren unverwechselbaren Sound aus experimentellem Riffing, umwoben mit einem Schleier aus sphärischen Klängen. Lila-blaue Lightshow, die manchmal auch in Rottöne abdriftete, verstärkten den Gesamteindruck eines Weltraumspaziergangs.

NastyGanz andere Saiten wurden mit Nasty und Emmure aufgezogen, die durch bekannte Härte in der Pit sowie auf der Bühne für einen vorläufigen Höhepunkt sorgen konnten. Emmure zeigte sich am Abend in Leipzig das zweite Mal in der neuen Besetzung, nachdem im vergangenen Jahr alle Musiker bis auf Sänger Frankie die Gruppe verließen. So sind aktuell Joshua Travis (Gitarre), Phil Lockett (Bass), Josh Miller (Schlagzeug) und der erhalten gebliebene Frankie Palmeri (Gesang) Teil der aktuellen Emmure-Aufstellung.

Die Bühne wurde erneut umgebaut, doch dieses Mal erwartete den Zuschauer ein ganz neues Bühnenbild, fern von dem bloßen Banner mit Bandlogo im Hintergrund der Bühne. Ein Bartresen aus Holz wurde auf den hinteren Teil der Bühne positioniert, wo sonst der Drummer auf leicht erhöhter Position seinen Platz findet. Links und rechts der Bar wurde je ein Schlagzeug aufgebaut. Als der Schriftzug mit den Namen der zwei Bands, die im Folgenden performen (oder soll man besser sagen, sich herausfordern) sollten, über die Bühne gehangen wurde, war auch dem letzten Festivalbesucher klar, was ihn erwartete: Es war Zeit für ein Duell! Callejon in der linken Ecke vs. Eskimo Callboy in der Rechten. Die beiden deutschen Bands teilten sich einen Slot und spielten abwechselnd jeweils 4-5 Titel ihres musikalischen Repertoires.

Eskimo CallboyEskimo Callboy eröffnete den Kampf mit Krachern wie „Crystals“ und „We are the mess“. Callejon erwiderte mit „Dunkelherz“ und „Porn from Spain“. Ein relativ ausgeglichenes Rennen. Als kleine Überraschung coverten sich die beiden befreundeten Bands in, einer ihrer Meinung nach, besseren Version der jeweils anderen Band. Die Callboys spielten „Blitzkreuz“ und die vermeintlichen Spanier gaben „Is anyone up“ zu ihrem Besten.

Der letzte Bühnenumbau war vollzogen und der finale Act des Tages betrat die Bühne. Hierfür hatte es Impericon geschafft, die amerikanischen Dampfwalzen von Hatebreed für das eigene Festival zu buchen. Die Amerikaner glänzten mit abgeklärter Liveerfahrung und eingespielter Bühnenshow. Was soll man da mehr sagen?

HatebreedIhre gespielte Hymne „Destroy everything“ beinhaltete wohl Vieles, womit ein gelungener Festivaltag zu Ende ging: Ein letztes Mal kollektives Grölen von Metalparolen, ein letztes Mal Kung-Fu Moves in der Pit, ein letztes Mal das Gefühl, trotz unterschiedlicher Subgeschmäcker, einer gemeinsamen, großen Familie anzugehören. Metal and Hardcore lives!