Um das Mahl Eskimo Callboy zubereiten zu können, benötigt man folgende Zutaten: Teils äußerst verstörende, wilde Screams und Growls, ein bisschen Clean-Gesang in den meisten Refrains, brutale Breakdowns, ein bisschen Electro und Lyrics, die oft von Partys, Alkohol oder auch mal dem verstorbenen Haustier handeln.
Ihr denkt, dass sei eine verrückte Mischung? Dann habt ihr absolut Recht!
Wie sich dieser Mix live anfühlt, haben wir am letzten Wochenende getestet, als wir beim Konzert der Jungs in Mannheim waren.
Bereits lange vor dem Einlass bildete sich eine lange Schlange vor der Alten Seilerei in Mannheim. Größtenteils Menschen im Teenager- oder Studentenalter hatten sich ihr Bandshirt übergestreift und warteten bei äußerst frischen Mai-Temperaturen, dass um 19 Uhr die Tore – oder eher Türen – der 1.200 Personen fassenden Konzerthalle geöffnet wurden. So füllte sich die sehr alte und bröcklige Halle rasend schnell – kein Wunder bei einem ausverkauften Konzert.
Um 20 Uhr wurde das Bühnenlicht dann in rosa getaucht und vier Musiker und eine Musikerin betraten in bester Glamour-Rock-Manier die Bühne: Geschminkte Gesichter und lackierte Fingernägel waren nicht nur bei Frontfrau Jennifer Crush zu sehen, sondern auch bei den übrigen Bandmitgliedern von Supernova Plasmajets. Der Local Support Act hatte bereits vor knapp zwei Wochen in der Alten Seilerei gespielt, damals als Support Act von J.B.O.
Bei ihrem 30-minütigen Auftritt griffen die Mannheimer auf Songs ihrer EP ’’Reign in Plasma’’ sowie einige Cover-Songs zurück. Dabei konnte die Sleaze Rock Formation schon ein paar Fans zum Pogen animieren und zeigte eine insgesamt gute Bühnenpräsenz. Der Sound hingegen war leider nur okay und sollte sich im Verlauf des Abends nicht wirklich bessern…
Nach einer eher kurzen Umbaupause erlosch um 20:40 Uhr das Licht und nach einem mehrminütigen Dubstep-Intro betraten To The Rats and Wolves die Bühne. Bei der Band aus Essen fallen dem Betrachter sofort unüberseh- und unüberhörbare Gemeinsamkeiten mit dem Headliner des Abends, Eskimo Callboy, auf. Beide Bands sind dem Trancecore-Genre zuzuordnen, beide Bands bestehen aus zwei Sängern, zwei Gitarristen, einem Bassisten und einem Schlagzeuger und beide Bands treten in Kostümen oder geschminkt auf. So ist es nicht verwunderlich, dass Eskimo Callboy Gitarrist Daniel Haniß die bisherigen Werke von To The Rats and Wolves produziert hat und die beiden Bands nicht zum ersten Mal zusammen ein Konzert gespielt haben. Im Publikum konnte man eine deutliche Steigerung der Bewegung bemerken und die Band zeigte eine noch bessere Bühnenpräsenz als Supernova Plasmajets.
Auf der anderen Seite war der Sound nicht gut, die musikalischen Qualitäten ließen vor allem bei Sänger Dixi Wu zu wünschen übrig und so war das Highlight des 30-minütigen Sets ein Jump-the-fuck-up-Part. Keine guten Vorzeichen für den Headliner des Abends…
Nach einer für meinen Geschmack zu lang geratenen Pause von 35 Minuten eröffneten die Castrop-Rauxeler Eskimo Callboy ihr Set mit ’’Crystals’’, seines Zeichens namensgebender Song des aktuellsten Albums, mit dem die sechs Jungs im April 2015 Platz sechs der deutschen Albumcharts erreichten. Nach einem Opener-Trio, das des Weiteren aus ’’My Own Summer’’ und ’’We Are The Mess’’ bestand, richteten die Frontmänner der Band, die Sänger Sebastian ,,Sushi’’ Biesler und Kevin Ratajczak, im Minutentakt das Wort an das Publikum. Dabei bekam dieses Sätze wie ,,hier ist es voll, so wie wir’’ zu hören. Während man bei anderen Bands solche Aussagen als Scherze abtuen kann, darf man sich bei Eskimo Callboy sicher sein, dass vor der Show der ein oder andere Tropfen Alkohol fließt.
Apropos Alkohol: Bei ’’Party at the Horror House’’ fand’ nicht nur Wasser den Weg von der Bühne in den Pit, sondern auch Champagner. Es gibt angenehmere Duschen.
Obwohl die sechsköpfige Gruppe Hits wie ’’Muffin Purper-Gurk’’ oder ’’Monster’’ performte, kam bei mir nie das Gefühl auf, voll in der Alten Seilerei angekommen zu sein. Woran das lag?
Ab der ersten Minute war unüberhörbar, dass sich die Band einiger technischer Hilfsmittel bediente. Allerdings übertrieben sie es im gesanglichen Bereich damit eindeutig. Zwar zeigte sich Sänger Sushi crowdsurfend auf einer Luftmatratze im Publikum und zu ’’Best Day’’ nahm die gesamte Halle auf dem Boden Platz, um im nächsten Moment gemeinsam aufzuspringen, jedoch reicht das nicht aus, um von einer gelungenen Liveshow zu reden.
Nach bereits 12 Songs verließ die etwas andere Boygroup zum ersten Mal die Bühne. Es folgten mit ’’Baby (T.U.M.H.)’’, ’’Cinema’’ und ’’Is Anyone Up’’ noch drei Zugaben, ehe Eskimo Callboy ihre Show nach einer Stunde und fünfzehn Minuten beendeten.
Das Konzert in der Alten Seilerei konnte leider nur mit Quantität anstatt Qualität überzeugen. Bei ihrer momentan einzigen Headliner-Show hätte man durchaus mehr von Eskimo Callboy erwarten können. Zwar wurde des Öfteren Konfetti in die Luft geschossen und das Publikum konnte sich für alles begeistern, doch die musikalische Qualität war insgesamt unterdurchschnittlich.
Im Jahr 2016 liegt die Messlatte für Liveauftritte dermaßen hoch, dass sich eine Band wie Eskimo Callboy nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und sich stattdessen mal über eine gescheite Liveinszenierung Gedanken machen sollte.
Ansonsten werden die Jungs eine Band bleiben, die man nur auf Platte hören kann.
Ob das Abendmahl Eskimo Callboy weiterzuempfehlen ist? Definitiv nicht. Wenn einen der Local Opener, der bislang nur eine EP vorzuweisen hat, musikalisch bei Weitem übertrifft, sollte man sich ernsthafte Gedanken machen, ob man knapp 30€ für eine Konzertkarte verlangen sollte…
© Fotos von Anett Schulz