Interview mit MINE

Offen, schüchtern und ein enormes Multitalent zugleich – das ist MINE. Am vorletzten Termin ihrer Tour haben wir uns mit der Mainzer Popkünstlerin über ihre Musik, Hip-Hop, und die Bedeutung vom Anderssein unterhalten.

SL: Willkommen zurück in Wiesbaden, also quasi daheim! Du bist nun schon am Tourende angelangt. Wie war die Tour für euch?

MINE: Die Tour war sehr schön, es war auf jeden Fall besonders und eine Achterbahnfahrt zwischen kleinen, kuschligen Konzerten und andererseits großen Locations wie in Berlin oder Hamburg. Es war aber durchweg immer eine tolle Stimmung vorhanden, weswegen ich nun ein bisschen traurig bin, dass das Ganze zu Ende geht. Aber dafür freue ich mich auch wieder total auf das Schreiben! Ich kann es kaum abwarten, mich zu Hause einzuschließen und neue Songs zu machen.

SL: Also bist du, kurz nach dem Release deines zweiten Albums, schon wieder beschäftigt mit Songwriting?

MINE: Ja. Ich meine, das letzte Mal war es sogar so, dass ich die Songs schon fast fertig hatte, als das vorherige Album herauskam. Dieses Mal bin ich erst am Anfang vom Schreiben angelangt, aber mir fehlt es einfach. Mir geht es gar nicht darum, dass ich jetzt denke, ich müsste jetzt Songs schreiben für das nächste Album. Ich habe eher so eine ungeheure Lust, nach diesem Videodreh, der Promotionphase, Live Vorbereitungen und so weiter meine notierten Ideen mal vorzuproduzieren und festzuhalten.

SL: Dein neues Album heißt „Das Ziel ist im Weg“. Was genau hat dieser Titel für eine Bedeutung?

MINE: Also in erster Linie fand ich den Satz einfach total krass. Ich habe den auf einem Kühlschrankmagneten in der Weinraumwohnung in Mainz gelesen und dachte sofort, „das muss ich in einen Song packen“. Der Satz hat unglaublich viele Aussagen; jeder kann ihn selbst interpretieren und trotzdem empfinde ich ihn als wahnsinnig stark. Außerdem passt es zum Album, da es ein wenig das beschreibt, was in meinem jetzigen Leben so passiert. Ich bin jetzt auch 30 und dann erkennt man schon viele Dinge, kann aber doch auch oft nicht die richtigen Fäden ziehen, um sich so richtig glücklich machen zu können. Und das, obwohl ich weiß, was ich machen müsste – es gelingt mir einfach nicht so recht. Zeitweise habe ich auch das Gefühl, dass man denkt, irgendetwas fungiert im Leben als Ziel. Dann findet man sich damit ab, bis man plötzlich merkt, dass das Ziel gar nicht von einem selbst kommt, sondern beispielsweise von der Erziehung aufgesetzt wurde. Das kann jemanden dann schon eher von dem abbringen, was ihn glücklich macht.

SL: Dieses Mal hast du klanglich mehr Wert auf einen Bandsound gelegt. Man findet somit zum Beispiel ein gigantisches Gitarrensolo von Haller wieder. Wie lief der Prozess im Studio im Vergleich zum Debüt ab?

MINE: Es war gleich und doch total anders. Im Prinzip waren wir wieder das selbe Team (Markus Wüst, Dennis Kopacz), ich habe die Demos mitgebracht und wir haben angefangen zu produzieren. Man muss dabei aber sagen, dass es dieses Mal sehr viel mehr Auswahl gab und man gemäß des Trial and Error Prinzips Vieles wieder verwerfen musste. Es waren generell weniger akustische Sessions als zuvor. Die elektronische Seite wurde mehr ausgebaut, wir haben uns alle drei ein wenig ausprobiert und das ist daraus geworden. Die Band hat selbstverständlich mit ihrem Sound Einfluss darauf genommen, die Entscheidungsfreiheit lag aber dennoch bei mir und den zwei Jungs.

SL: Du hast eine Textzeile in deiner Single „Katzen“, die wie folgt heißt: „Ich habe nie in die Uniform gepasst“. Inwiefern kann man das auch auf deine Musik und dein stilistisches Antischubladendenken übertragen?

MINE: Ich glaube, ich bin gar nicht so Antischubladendenker, wie viele es immer von mir sagen. Jeder Mensch denkt ein bisschen in Schubladen, ist ja auch nicht schlimm! Wenn jemand meine Musik noch nicht gehört hat und man möchte sie dieser Person beschreiben, dann wird es doch zwangsweise nötig, auf diese Schubladen zurückzugreifen. Deswegen finde ich das auch gar nicht so verkehrt, aber ich habe gemerkt, dass mein Charakter und meine Art zu sein irgendwie oft anders sind. Ich habe das aber selbst nie sonderlich bemerkt, sondern eher durch die Ablehnung durch andere zu spüren bekommen. Somit habe ich konstant hinterfragt, warum ich nicht mit ihnen zurechtkomme oder sie mit mir – es war mir nie so richtig klar. Nie kam mir der Gedanke, ich könnte anders sein. Lediglich die letzten paar Jahre haben mir dabei gezeigt, dass ich in vielen Dingen merkwürdig und alternativ denke und bin. Vielleicht kann ich mich auch deswegen nicht so leicht anpassen.

SL: Du findest dich laut eigenen Aussagen im Hip-Hop zu Hause und hast in einem anderen Interview bereits erwähnt, dass du speziell den deutschen liebst, selbst aber nicht rapst. Was hat es damit auf sich und woher kommt diese Liebe?

MINE: Ich finde im Hip-Hop sehr oft Texte, die im Deutschen Pop so nicht existieren. Mir fehlt da so ein wenig der Wortwitz als auch teilweise die schlaue Lyrik. Man kann sagen, dass es oft recht verkopft oder andererseits platt ist – dazwischen gibt es für mich momentan relativ wenig. Was ich ansprechend finde, ist zum Beispiel Balbina, mit der ich lustigerweise auch sehr oft verglichen werde. In der kommerziellen Musik entdecke ich aber nichts, was mir der Hip-Hop gibt. Besonders schön ist auch die Entwicklung, dass mittlerweile viele Leute dort extrem erfolgreich sind mit dem, was sie tun, ohne ihr Charisma oder intellektuelles Level abstumpfen zu müssen. Dort ist es ganz klar, dass die Künstler weitestgehend ihre Texte selbst verfassen. Im Pop hat man hingegen immer einen bestimmten Act, dem eine Single geschrieben wird, damit das Ganze erfolgreich wird… Ich finde es total schäbig und traurig, dass es in der deutschen Popindustrie nicht normal ist, seine Lieder selbst zu schreiben! Das ist doch frustrierend, wenn man dann von seiner Plattenfirma hört, „Jo, das ist super, wir laden jetzt noch jemanden ein, der dir noch eine Single dazu schreibt, damit du erfolgreich wirst“. Also ganz ehrlich, dann sollte man lieber einfach selbst das wählen, was einem gefällt, als sich auf fremde Hilfe einzulassen.
Ich bin früher mit Hip-Hop aufgewachsen und habe diese Musik immer gehört, weswegen ich sehr viel damit anfangen kann. Rappen kann ich hingegen nicht – was auch nicht schlimm ist, da die Texte dafür kaum geeignet sind und ich sie viel lieber singe.

SL: Mir ist aufgefallen, dass du auch gerne fremde Einflüsse in deine Musik integrierst. Besonders im Fall von „Findelkind“ ist das super interessant, da man das Lied nun mal nicht nur auf eine Schmalspur wie Hip-Hop oder Folk einordnen kann. Das Endprodukt ist Musik mit der Bezeichnung MINE.

MINE: Das kommt daher, weil ich eben auch alles höre. Ich möchte auch nicht sagen müssen, „Boah, das passt nicht, deswegen kann ich das nicht auf das Album packen“. Wenn ich eine Idee habe, sei sie noch so sonderbar, und sie gefällt mir – dann verpacke ich sie in einem Lied. Das hat natürlich zur Konsequenz, dass viele Leute damit nichts anzufangen wissen, da es ihnen zufolge zu sperrig als auch unterschiedlich zwischen den Titeln zugeht. Wie, als würde der Rote Faden fehlen. Für mich hat meine Musik ihn zum Glück noch und das ist mir auch das Wichtigste.

SL: Wie stehst du denn zu Genres als solches? Hast du das Gefühl, dass sich ihre Bedeutung innerhalb der letzten Jahre verändert hat?

MINE: Meines Gefühls nach liegt das daran, dass durch das Internet die Veränderungen innerhalb eines Genres sehr schnell passieren, was wiederum dazu führt, dass diese sich nicht richtig etablieren können. Generell wurden die Epochen ja immer schnelllebiger und kürzer: In der klassischen Musik sieht man das ja schon daran, dass die Klassik circa 150 Jahre lang war, die Romantik 50, … die Epochen wurden kürzer. Ebendies hat sich dann auch auf die populäre Musik des 20. Jahrhunderts übertragen: Jazz existierte noch 40 Jahre und die Zeiten der großen Einflüsse wurde immer gestaffelter. Grunge, Punk und alles, was danach kam, brachte jeweils noch einen gewissen Stil mit sich, sei es im Hip-Hop Street Art oder die Irokesenschnitte bei Punks. Es war eine Art zu Leben.
Heute ist dem gar nicht mehr so. Alles kann und darf sich miteinander vermischen – und es geht rasant schnell. Es dauert nicht mehr eine Weile, bis Musik aus einer Stadt herauskommt. Nein, sie ist direkt überall in der gesamten Welt vorhanden. Deswegen, glaube ich, gibt es auch diese Vermischungen und die Genres sind immer schwieriger zu bezeichnen. Und das ist doch schön: Man muss sich dann keine Gedanken mehr dazu machen, was nun wozu gehört.

SL: Was würdest du abschließend allen Songwritern raten?

MINE: Ich fände es schön, wenn sich Künstler nicht so viel reinreden lassen würden. Dabei spreche ich nicht von Tipps, im Gegenteil – ich bin sehr offen für Kritik und finde es wichtig, sich mit vielen zu verknüpfen. Doch ich spüre oft, dass viele sich businessmäßig zu viel sagen lassen, was denn gut für sie wäre. Dabei sollte doch das Wichtigste sein, dass man sich selbst genügend reflektiert, damit man am Ende ein Projekt hat, mit dem man komplett zufrieden ist. Nur was man selbst von sich denkt, zählt. Aber im Endeffekt muss das jeder für sich selbst entscheiden, was wichtig ist.

SL: Danke, dass wir hier sein durften!

Das neue Album von MINE könnt ihr auf Apple Music und Spotify streamen als auch in allen Geschäften erwerben!