Der Sonntag hat wieder gerufen. Dieses mal ging es in den Kulturpalast Wiesbaden, wo Grizzly, unterstützt von I Am Noah und These Days Remain, ihr neues Album ,,Kidlife Crisis“ auf einem kleinen Release-Weekender präsentiert haben.
Leicht irritierend begann der Abend, da hinter verschlossener Tür noch der letzte Soundcheck durchgeführt wurde, was den ein oder anderen doch gewundert hat. Kein Grund zur Panik, denn so blieb noch Zeit sich bei den schwülwarmen Temperaturen draußen mit einem kühlen Bier zu erfrischen.
Kaum zwei Schluck später öffneten sich die Pforten zum Konzertsaal und These Days Remain stimmten den ersten Song an. Die Wiesbadener machten vom ersten Song an keine Gefangenen und rüttelten mit wuchtigen Moshparts das noch spärliche Publikum wach. Dies lief dermaßen erfolgreich, dass schon beim dritten Song der erste Circle Pit los brach und die Stimmung steil nach oben ging. Vermengt mit melodischen Parts, melancholischen Gitarren-Intros und sphärischen Backing Tracks lieferten die fünf Musiker Songs, die immer wieder schwer zum Headbangen animierten und legten die Messlatte für die folgenden Bands mit einem hohen spielerischen und musikalischen Niveau ordentlich hoch. Dementsprechend kompromisslos zogen sie ihr Progressive Hardcore-Set durch und ließen der Crowd nur wenig Zeit zum Applaudieren.
Nach einer kleinen Umbaupause, welche wieder im verborgenen hinter verschlossener Tür stattfand, zogen I Am Noah aus Trier im kleinen finsteren Konzertraum ein. Verstärkt wurde diese düstere Atmosphäre durch das psychedelische Intro der Band, worauf diese sofort mit einem wahren Nackenbrecher nachlegten. Auch danach ließen die Jungs einem durch schnelle Tempowechsel und nagelnde Blastbeats nicht viel Zeit zum durchatmen. Gerade die hohe Dynamik aus Blasts, klassischen Hardcore-Parts und super bouncy Moshparts bereiteten der Halsmuskulatur der Zuschauer große Anstrengungen, welche spätestens am folgenden Tag Hangover-ähnliche Zustände bereiten dürften. Und als ob die Herren das gewusst hätten, kündigte Sänger Sören den nächsten Song an: One Man Wolfpack (Begriff aus dem Film ,,Hangover“). Die Stimmung bei Band und Publikum stieg, nicht zuletzt durch die, aus der Tour-Freundschaft mit Grizzly resultierenden Späße zwischen den Songs oder kurzweiligen Enrique Iglesias-Einspielern. Doch auch durch die hohe Qualität der Show, beispielsweise durch das behände Gitarrenspiel von Gitarrist Tim, wurde es zunehmend heißer im Kulturpalast. Dem tat auch kein Abbruch, dass Drummer Marius beim letzten Song nur noch die Hi-Hat als Becken zur Verfügung hatte, da sich die Jungs von Grizzly trotz der Kürze der Tour den obligatorischen Tour-Streich nicht nehmen ließen, die Bühne stürmten und sämtliche Beckenständer des Drum-Kits bis auf besagte Hi-Hat entwendeten. Mit einem Lachen, aber davon unbeeindruckt, wurde die Show beendet und die Türen schlossen sich erneut, damit der Headliner des Abends sich bereit machen konnte.
Zum letzten mal sollte sich der Raum auf und vor der Bühne füllen, damit Grizzly aus Karlsruhe das Konzert und somit auch ihre Release-Tour beenden konnten. Und voll war es dann auch: sämtliche Gäste, die Crew des Kulturpalasts und die vorherigen Bands versammelten sich vor der Stage um mit dem Tour-Headliner nochmal richtig zu feiern. Denn auf Party legte die sechsköpfige Band laut eigener Aussage wert. Hierfür spielten sie eine frische und energiegeladene Mischung aus Metalcore und Pop-Punk, welche sich insbesondere durch die Doppelbesetzung am Gesang auszeichnete. Ständig wurde Shouter Kevin durch die Clean-Vocals von Sänger Zig abgelöst, wobei letzterer noch zweistimmig von Gitarrist Florencio ergänzt wurde.
Überhaupt war mächtig viel los auf der Bühne, wo von allen Bandmitgliedern gesprungen, gesungen und gang-alike geshoutet wurde. Dieser Vibe hat sich natürlich auch auf das Publikum übertragen und es wurde ordentlich gemosht und gejubelt. Die ausdrucksstarken Songs der Truppe brachen mit dem finsteren Sound der Vorbands, was den Abend besser nicht hätte abrunden können. So konnte Shouter Kevin die Meute vor der Bühne sogar zu einer Wall of Death bewegen, welche trotz lichter Crowd erstaunlich gut funktionierte. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es so schön. Und der Wille war definitiv bei allen Anwesenden gegeben. Durch eine ordentliche Portion high school-Romantik, eines Gastauftritts des Sängers von I Am Noah und deren Tour-Streich-Rache in Form eines getapten Penis auf einem Sidedrop inmitten der Bühne und frontal vor Drummer Samuel, beendete das Sextett eine großartige Show und eine dementsprechend gelungene Release-Tour.
Wieder einmal hat die Mainz-Wiesbadener Musikszene bewiesen, dass man hervorragende Shows mit hervorragender Stimmung an einem stinknormalen Sonntag erfolgreich veranstalten kann. Zwar war der Kulturpalast nicht gerade voll, dem Gesamteindruck des Abends hat das jedoch nicht geschadet. Im Gegenteil, bedenkt man die Gewitterstimmung, welche in der Region derzeit herrscht. Da bevorzugt man doch lieber einen gepflegten Donner aus der PA!
© Fotos von Joshua Lehmann