Irgendwo hinter Rüsselsheim, im hessischen Trebur, hat vom 29. bis 31.Juli das 24. Trebur Open Air stattgefunden. Bei Sonnenschein haben die Festivalbesucher drei Tage zwischen den Feldern getanzt und Bands wie den Subways, Mother Tongue und Sondaschule gelauscht. Wir haben alles miterlebt und sind bereit euch von diesem lokalen Highlight zu berichten!
Am Wochenende spielen über 50 Bands auf den drei Bühnen des TOAs. Zwei davon befinden sich auf dem Festivalgelände, die „Discommunity Stage“ wurde im danebengelegenen Schwimmbad aufgebaut, das für die Camper zum zweiten Zeltplatz wird.
Um 16 Uhr öffnet das Festival am Freitag seine Pforten und die Besucher können nacheinander auf Metalcore von Any Given Day, Post-Hardcore von FJØRT, deutschsprachigen Indie-Rock von Kapelle Petra oder die Band KADAVAR abgehen. Letztere versetzen uns nicht nur durch ihren Classic Rock zurück in die Siebziger, auch tragen die drei Berliner eine ganz schöne Matte auf dem Kopf. Sie scheinen unverwüstlich in ihrem Auftreten- musikalisch vollkommen angekommen.
Nach mehr als einer halben Stunde wirkt der atmosphärische Rock leider etwas redundant, da keine Songs besonders herausstechen.
Obwohl harte Acts wie Any Given Day und FJØRT auf dem TOA eher die Ausnahme sind, haben sie es trotzdem geschafft, viele der Besucher vor die Bühne zu locken. Vor allem Any Given Day begeistern das Publikum, obwohl sie aus organisatorischen Gründen auf die Nebenbühne verlegt wurden. Man merkt, dass viele Zuschauer die Band schon kennen und textsicher sind. Any Given Day sorgen außerdem für die härtesten Moshpits des Festivals, welches eine willkommene Abwechslung für die Leute bietet, die sich mal richtig austoben wollen. Mit ihren Breakdowns und Djent-Einflüssen unterscheiden sie sich stark von FJØRT, aber auch diese können dem Publikum gut einheizen.
Sie überzeugen vor allem durch komplexere Texte und ihre tendenziell emotionale Musik. Auch lassen sie es sich nicht nehmen, eine Ansprache gegen die aufkommenden rechten Stimmen und die Fremdenfeindlichkeit zu halten, die vom Publikum eine sehr positive Reaktion erfährt.
The Subways haben ihren Platz als Headliner wirklich verdient, wie sie uns durch ihr Konzert beweisen. Das Trio aus England spielt als letzte Band des Abends von 23:45 Uhr bis 1:00 Uhr. Mit ihrem britischen Indie-Rock bringen sie die Masse von der ersten Minute an zum Tanzen, Moshen und Mitsingen. Sie beginnen das Set mit „Oh Yeah“ und „Shake! Shake!“ und erreichen direkt jeden Teil des Publikums durch eine geballte Ladung an Energie.
Charlotte Cooper, die Bassistin, springt mit ihrem Instrument durchgängig über die Bühne, ohne dabei der Qualität der Musik zu schaden. Die Subways strahlen nach mehr als zehn Jahren des gemeinsamen Tourens einen solchen Enthusiasmus aus, dass das Publikum vollständig mitgerissen wird. Sympathisch wirken sie auch, da der Sänger Anekdoten und Geschichten hinter Songs erzählt und versucht, möglichst viel Deutsch zu sprechen.
Sie lehnen das Konzept der Zugabe ab und beenden das Konzert mit „Rock & Roll Queen“ (den letzten Chorus singen sie zudem auf Deutsch). Ein wirklich würdiger Headliner mit Bühnenpräsenz, der den ersten Festivaltag gebührend enden lässt.
Jeder Besucher des Trebur Open Airs wird nach diesem Wochenende eine Band in ganz besonderer Erinnerung behalten. Die Rede ist von MEUTE, die eine unvergessliche Aktion am Samstag starten.
Um kurz nach 15:00 Uhr wandert eine Prozession von einem Dutzend Männern in roten Uniformjacken, Badehosen und mit Instrumenten in den Händen den Feldweg zum Campingplatz entlang. Als sie zwischen den Zelten stehen, beginnen sie zu spielen. Saxophonisten, Schlagzeuger und Trompeter sind dabei und innerhalb von Minuten sammelt sich eine tanzende Traube an Campern an. Doch die „Techno Marching Band“ möchte nicht auf dem Zeltplatz verweilen, sie laufen beim Spielen zurück in Richtung Festivalgelände und Schwimmbad. Die tanzende Masse und MEUTE marschieren nun ins Freibad, bis hin zum Becken und schließlich ins Wasser. Über 25 Minuten feiert die Menge bei Sonnenschein im Schwimmbecken mit dem „akustischen Techno“ und wird von der musikalischen Darbietung sehr positiv überrascht. Am selben Abend, um 01:00 Uhr, spielen sie auf der Nebenbühne und haben das mit Abstand begeistertste Publikum vor sich. Es wird geraved, gesprungen und gejubelt.
Um 19:20 Uhr spielt Mother Tongue bluesigen Rock auf der Hauptbühne und motivieren die Besucher zum Tanzen. Die Songs sind komplex und von vielen Rhythmuswechseln geprägt, was das Tanzen fast unmöglich macht. Musikalisch sind die kalifornischen Musiker sehr sicher und die Stimme des Sängers hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Was darf auf einem kleinen Festival nie fehlen? Ganz klar, Ska. Sondaschule treibt das Publikum durch ihre ironischen Texte zum Abgehen an. Der Ska-Punk der Band aus Oberhausen veranlasst zum Tanzen und bei Songs wie „Für immer nie nüchtern“ auch zum Mitsingen.
Der zweite Headliner Jupiter Jones ist ein Act, von dem wir mehr erwartet hätten. Die vierköpfige Band ist vor allem mit dem Kuschelrocksong „Still“ bekannt geworden. Nach den ersten zehn Minuten wünscht sich das Publikum allerdings, Jupiter Jones wären still.
Zwar bemühen sie sich immer wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit der ausgedünnten Menge an Besuchern vor der Bühne zu erhalten, doch scheitern sie leider. Ein erinnerungswürdiger Moment ist jedoch das wortwörtliche „Crowdsurfen“ des Sängers. Auch die angepriesene Hip-Hop Band Antilopengang ist nur mäßig begeisternd. Bei Songs wie „Enkeltrick“ und „Fick die Uni“ finden sie zwar textsichere Fans im Publikum, doch unterscheiden sich die Lieder nicht stark voneinander. Etwas unsympathisch wirkt die Band auch, da der Inhalt der meisten Songs sie selbst sind.
Highlight des Festivals ist definitiv auch das Performancekollektiv um Bonaparte, das nicht nur eine musikalisch, sondern auch ästhetisch höchst ansprechende Darbietung liefert.
Zwei Tänzerinnen wechseln alle paar Minuten ihre Outfits und ein riesiger Ballon wird passend zur Textzeile „The world is one big balloon, I want to blow it up!“ in die Menschenmasse geworfen. Der Sänger springt gegen Ende des Konzerts von der Bühne um im Publikum zu tanzen und macht einen Handstand beim Stagediven- eine besondere Performance voller Überraschungen und begeisterten Zuschauern.
Mit knapp 6000 Besuchern ist das Trebur Open Air zwar ein relativ kleines Festival, doch gehört es zu den wichtigsten nichtkommerziellen des Bundeslands. Jedes Jahr arbeiten über 200 freiwillige Helfer daran, Festivalfreunden ein schönes Wochenende zu ermöglichen. Alles ist hier mit Liebe gemacht: das Arrangement der Bands, die Aktionen auf dem Campingplatz und das Angebot an Essensständen. Auch ist die TOA-Crew unwahrscheinlich freundlich und aufmerksam. Das Festival wird unverwechselbar durch seine familiäre Atmosphäre.
Für die Stammgäste geht es sekundär um das jährliche Line-up, sondern darum ein Wochenende mit Freunden zu zelten, Flunkyball zu spielen, sogar im Schwimmbad musikalische Begleitung zu haben und ein bisschen „Nachhause“ zu kommen. Auch von weit her reisen einige an, die für das Studium die Umgebung verlassen haben. Camper aus Holland und Köln haben wir getroffen. „Es ist mein Lieblingsfestival, weil man spüren kann, wie sehr viele Besucher es lieben hier zu sein. Man sieht sich jedes Jahr wieder.“
Fotos von Valentin Krach