Livereview: Architects + Support, Frankfurt Batschkapp 27.10.2016

Was fängt mit A an und ist der wichtigste Begriff im Alphabet? Abriss, ganz genau – zumindest, wenn man eine Architects Show besucht. Zusammen mit Stick To Your Guns und Bury Tomorrow wurde die Batschkapp regelrecht zerlegt. Das Ausmaß der Zerstörung erklären wir euch im Folgenden…

Bury TomorrowDen Anfang machen Bury Tomorrow und lassen es sich nicht nehmen, direkt Vollgas zu geben. Der Kontrast zwischen Bodenständigkeit der Band und tightem Zusammenspiel fällt hierbei besonders positiv auf: Im Zuge der kurzen aber prägnanten Setlist liefern die Briten ein Halligalli aus feurigen Riffs und starken Refrains ab, was das Publikum ihnen mit ersten verschwitzten Gesichtern nach nur wenigen Minuten im Moshpit dankt. Auch die Ansprachen des Sängers Daniel Winter-Bates spiegeln diese furiose Energie seitens des Publikums wieder als er sagt, es wäre nun eigentlich der Punkt gekommen, an dem er die Menge anheizen würde, dies aber nicht mehr nötig sei. Ein anderes wichtiges Thema, welches bei jeder ihrer Shows Anklang findet, ist das der vielumstrittenen VIP Packages. Kurz zur Definition: Man bezahlt mehr Geld, um ein Poster, irgendein Goodie und ein Foto mit der umworbenen Band zu bekommen – in Winter-Bates‘ Augen eine Geldmaschine, die die Fans ausnutzt. Aus eben diesem Grund sind sich die fünf Musiker auch nicht zu schade, nach ihrem 30-minütigen Set direkt zum Merchandise Stand zu schlendern und dort den restlichen Abend zu verbringen. Dafür ziehen wir unseren Hut, Jungs!

Stick to your GunsBrauchen wir eine Einleitung? Der Name ist Programm: Stick To Your Guns verzichten wie gewohnt auf jeglichen Schnickschnack und baden sich in Rückkopplungen, ehe Jesse Barnett in seiner markanten Stimme die ersten Worte der Single „Nobody“ zum Besten gibt. Die Batschkapp ist von Sekunde eins an dabei und gröhlt lauthals jedes Wort mit, bevor auch der Rest der Band einsetzt und jegliche Glieder in fröhlich-aggressive Schwingungen versetzt. Die Könige des modernen Hardcore liefern wie gewohnt ab und legen großen Wert darauf, eine Message zu vermitteln. Hierbei fällt besonders „Universal Language“ auf: Heute spricht Jesse das Thema der Nationalität im Lichte der Flüchtlingskrise an und erklärt, ohne belehrend zu wirken, wie unwichtig nationale Identität und Grenzen doch seien. Diese Verschnaufpausen sind auch bitter nötig, da die eng bestückte Performance während der Songs wenig Raum für Frischluft lässt. Knaller nach Knaller, All Killer No Filler lautet die Devise. Neue Lieder von der vor Kurzem erschienenen EP „Better Ash Than Dust“ finden ihren Platz und reihen sich problemlos im Songkatalog der starken Liveband ein. Wenngleich ein Song mehr wie „I Choose Nothing“ keinem weh getan hätte (im übertragenen Sinne), bleibt nur noch zu sagen, dass man live wie auch auf CD mit Stick To Your Guns nie etwas falsch machen kann. Das Quintett ist nicht mehr wegzudenken aus der Szene und hat einen so großen Fußabdruck hinterlassen, dass man ihnen einfach nicht ausweichen kann – und das sollte man auch nicht.

Architects-1„Vorhang auf für Architects“ – gebührend dem Sprichwort hängt in der Tat eine große Leinwand unmittelbar vor der Bühne, auf dem in großer, weißer Schrift der Titel des neuesten Albums „All Our Gods Have Abandoned Us“ zu sehen ist. Eine düstere Aussage, die ein durchweg melancholisches Konzert untermalt. Als jedoch ohne Vorwarnung der Vorhang zu Sam Carters einzigartiger Stimme fällt fragt man sich, ob ebenjene Götter nicht gerade vor uns stehen. Wuchtig und energetisch zeigen sich die Jungs mit dem Opener „Nihilist“, welcher unmittelbar sowohl Publikum wie Band dazu versetzt, sich wie Flummis zu bewegen. Vorneweg sei gesagt, dass die Fans an diesem Abend außerordentlich Dampf ablassen und keineswegs stillstehen.

Architects-3Albumgetreu geht es ohne lange zu fackeln weiter mit „Deathwish“, was ebenso wie der Vorgänger die höchste Eskalationsstufe ausrufen lässt. Der simple aber effektive Breakdown des Liedes massiert mit seinen Bässen alle Körper, die dazu wild durch den Saal dreschen. Zwischen vielen Klassikern finden sich auch Raritäten wie „Follow The Water“ und „Early Grave“, die besonders die alten Fans zu begeistern wissen. Den gesamten Abend überdeckt jedoch der dunkle Schleier von Tom Searles Tod vergangenen August. Man darf sich gar nicht ausmalen, wie schwer es für die Band und besonders den Bruder Dan sein muss, jeden Abend ohne ihn auf verschiedensten Bühnen zu stehen. An verschiedenen Stellen gibt Sam Carter den Ton an und der Raum schweigt wie gebannt und hört, nahezu ehrfürchtig, den Widmungen des Sängers zu.
Doch auch musikalische Gänsehautmomente finden ihre Zeit im Rampenlicht, als die Streicher des tragischen „Colony Collapse“ den Raum füllen. Der Abend fühlt sich spätestens jetzt wie ein riesiges Fest für Tom an, und das brillante Songwriting kommt hier immer mehr zur Geltung. Die vertrackte Rhythmik der Gitarren als auch das virtuose Zusammenspiel der Jungs lässt den Zuschauer mehrfach hinterfragen, wie man auf solche Ideen kommt – das musikalische und lyrische Genie Tom Searles ist nicht zu imitieren. Auch gesanglich zeigt sich Sam Carter stark und gibt im finalen „Gone With The Wind“ den wohl erschütterndsten Scream des Tages zum Besten.

„This song, no, every song tonight – every song on this tour is for Tom. Without him, we wouldn’t have come to be“

Architects-2Der Abend in Frankfurt wird uns noch lange in Erinnerung bleiben, da hier mehrfach ein solches Gefühl von Familiarität vorhanden war, dass einem warm ums Herz werden konnte. Sei es die Tatsache, dass Tom die Batschkapp am meisten mochte oder auch, dass die Band dieses Konzert zu den besten ihrer Karriere zählte… Jedes Puzzlestück dieses Tages bildete ein perfektes Bild eines Konzertes, das man vollends genießen konnte. Mit zwei Vorbands, die den Nagel auf den Kopf getroffen haben und einem keine Ruhe zum Langweilen gelassen haben ist die All Our Gods Have Abandoned Us Tour wohl eine der wichtigsten und besten, die Deutschland im vergangenen Jahr erleben durfte. Danke für alles, was du uns gegeben hast, Tom!

© Fotos von Joshua Lehmann