,,Fjord“ ist ein Meeresarm. FJØRT ist eine Band. Ersteres ist in Norwegen und malerisch ruhig, letzteres aus Aachen und alles andere als ruhig. Das Trio dürfte mittlerweile einer der Geheimtipps der deutschen Post-Hardcore-Szene geworden sein. Wobei, betrachtet man das unermüdliche Touren und die Größe der Festivals, die die Band schon im Portfolio hat, kann man von ,,geheim“ fast nicht mehr sprechen. Hinzukommt, dass ihre letzte Veröffentlichung ,,KONTAKT“ auf dem Label Grand Hotel van Cleef erschienen ist, welches von keinen geringeren als Thees Uhlmann (Tomte), Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff (beide Kettcar) gegründet wurde. Mit dieser Scheibe haben FJØRT sich nun erneut auf Tour begeben. Dieser durften wir im Schlachthof Wiesbaden beiwohnen und haben uns die Band und deren Support ashes of pompeii live angeschaut.
Obwohl das Konzert im Vorfeld nicht ausverkauft war, rächt sich schon eine dezente Verspätung. Das Kesselhaus, der kleinere Saal des Schlachthofs, ist nämlich von Beginn an ordentlich voll, weshalb man ashes of pompeii nur von weiter hinten zu sehen bekommt. Dem klanglichen Erlebnis tut das jedoch keinen Abbruch: die breiten, atmosphärischen Klänge des Quartetts sind in jedem Bereich des Raumes ein Genuss. So ist auch das Publikum sichtlich begeistert von den groovigen Midtempo Songs, den echobeladenen Gitarren und den vielen Interludes, die die einzelnen Songs zu einem Guss werden lassen. Sänger Tobi Mösch verwendet seinen Gesang sparsam aber bewusst und setzt so Highlights in den stellenweise ruhigen, tiefgründigen Songs. Feiner Nebel hüllt die Bühne in Dunst und wird von weißem Scheinwerferlicht durchstoßen. Sound und Licht verbinden sich so zu einer wohligen Atmosphäre, die die Crowd bestens auf den Hauptact des Abends vorzubereiten vermag.
Mit wohligem Weißlicht ist es dann aber auch vorbei. Ein Meer aus blauem Licht erfüllt die Bühne, bevor ein mysteriöses Intro ertönt. Unter großem Jubel treten die Musiker von FJØRT auf die Bretter, stets versteckt hinter der nun rhythmisch aufflackernden Beleuchtung. Dem brachialen Intro folgt ein nüchternes ,,guten Abend“ und es bricht eine Welle aus verzerrten Klampfen und donnernden Drums auf die Menge herein. Gebündelte Lichtstrahlen blenden die Zuschauer, erhellen das Dunkel des Saals. Dennoch bleiben die Protagonisten im Schatten verborgen, wodurch den Songs die volle Aufmerksamkeit zukommt. Der Gesang ist wütend, die Gitarren melancholisch, der Bass massiv, die Drums brachial. Alles zusammen lässt eine gewaltige Energie entstehen, die auf das Publikum überspringt.
Zwischen den lauten, heftigen Songs bilden immer wieder effektbeladene Gitarrenklänge kurze Phasen des Innehaltens, bevor der rohe Sound erneut durch die Lautsprecher bricht. Vor allem die tiefen, zerrenden Wellen, die Bassist David Frings dort oben produziert, gehen jedem Anwesenden durch Mark und Bein. Doch auch seine Ansagen wissen die Zuschauer zu begeistern. Herzliche Danksagungen, die entgegen mancher Befürchtung keineswegs übertrieben ankommen, Sozialkritik und mahnende Worte, die zu Solidarität für jene auf der Flucht aufrufen, ernten eine Flut von Begeisterung und Applaus. Dem Aufruf zum Sturm gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit folgt der politischste Song der Aachener, ,,Paroli“, der die Crowd ordentlich bewegt. Als sich nach weiteren umjubelten Stücken der Vorhang aus Licht schließt und die Bühne wieder im Dunkel versinkt, erhellen nur die ,,Zugabe“-Rufe des Publikums den Saal. Diese werden darauf von einem düsteren Einspieler unterbrochen, dem eine abermals vor Power strotzende Zugabe in nun violettem Licht folgt. Bis zuletzt liefert das Trio, mit voller Energie und Leidenschaft, Stücke von größter musikalischer und spielerischer Qualität ab.
FJØRT zeigen eindrucksvoll, wieso ihr Bandname von den Plakaten der hiesigen Shows nicht mehr wegzudenken ist. Eine Performance, der man das exzessive Touren eindeutig anhört und eine gehörige Portion Sympathie zwingen einen quasi dazu, diese Band zu feiern. Auch ashes of pompeii hätten mit ihrer nicht ganz so heftigen, aber nicht minder hervorragenden Show keinen besseren Einstieg für den Abend abliefern können. Die Mischung aus emotionalen Songs und die großartige Performance ist der Grund, wieso man FJØRT unbedingt einmal persönlich erleben sollte.
© Fotos von Valentin Krach