Livereview: Scorpions + Support, Frankfurt Festhalle, 27.11.2016

18 Studioalben, über 100 Millionen verkaufte Tonträger und in 51 Jahren Bandgeschichte insgesamt 19 Bandmitglieder. Die Scorpions gehören seit Ewigkeiten zur internationalen Speerspitze der Rock-Musik. Doch kann die Band auch 2016 auf dem zweiten Teil ihrer Deutschlandtournee überzeugen? Wir waren in Frankfurt vor Ort und berichten.

Beyond the Black

Den Abend eröffnen durfte die Mannheimer Symphonic Metal Band Beyond the Black. Wer bei diesem Genre nur an Nightwish denkt, wird beide Bands sofort miteinander vergleichen. Auch bei Beyond the Black hat mit Jennifer Haben eine Frau das Sagen. Nachdem im Juli 2016 alle Bandmitglieder außer der Sängerin die Band verlassen haben, besteht die Band in der neuen Besetzung erst seit Anfang November. Für diese kurze Zeitspanne zeigte sich das Sextett jedoch schon sehr eingespielt und konnte die ausverkaufte Frankfurter Festhalle absolut überzeugen. Gesanglich wurde Jennifer Haben durch platzierten gutturalen Gesang von Gitarrist Chris Hermsdörfer unterstützt. In ihr Set packte die Band sogar eine Ballade, für die die Frontfrau Platz am Keyboard nahm. Nach einer guten halben Stunde verabschiedete sich die Newcomer-Band – ihr zweites Album stieg im Februar auf Platz 4 der deutschen Albumcharts ein – von der Bühne und kündigte sich für den Merchandise-Stand an. Beyond the Black werden ab Januar mit Powerwolf und Epica auf Tour gehen und man darf gespannt sein, in welche Gefilde es die Band noch verschlagen wird.

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Bereits beim Auftritt von Beyond the Black konnte man das Bühnenbild erahnen. Bevor allerdings etwas zu früh preisgegeben wurde, fiel unmittelbar nach dem letzten Song der Vorgruppe ein großer Vorhang von der Decke, der die gesamte Bühne verdeckte. Um 21 Uhr war es dann soweit: Das Licht erlosch und während den ersten Tönen von ’’Going out with a Bang’’ fiel der immense Vorhang von der Decke und die Scorpions betraten die Bühne. Sänger Klaus Meine, Bassist Paweł Mąciwoda und die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs fanden sich vor einer gigantischen LED-Bühnenplatte wieder, auf der Neu-Schlagzeuger Mikkey Dee thronte. Der Drummer war von 1992 bis Ende 2015 Mitglied von Motörhead und ersetzt seit Mai 2016 den erkrankten James Kottak. Bereits beim ersten Song des Sets konnte man als Zuschauer erkennen, was für eine großartige Bühnenshow an diesem Abend vonstatten gehen wird. Hinter Mikkey Dee erfüllte eine riesige Leinwand die Bühne und an den Seiten der Bühne hingen ebenfalls zwei Leinwände, die das Geschehen auf der Bühne einfingen und viele Videoprojektionen zeigten. Musikalisch griffen die Scorpions ihr gesamtes Repertoire auf und performten sowohl Songs aus dem neuesten Studioalbum ’’Return to Forever’’, welches 2015 erschienen ist, als auch Hits aus den 70ern wie ’’Top of the Bill’ ‚ ’’Steamrock Fever’’, ’’Speedy’s Coming’’ und ’’Catch your Train’’ in einem Medley. Das Quintett zeigte dabei eine Bühnenpräsenz, die nur so vor Erfahrung strotzte. Mit seinen Ansagen moderierte Frontmann Klaus Meine die nächsten Programmpunkte an, bedankte sich aber auch bei allen Fans für ihr Verständnis, dass 5 Konzerte der Deutschland-Tour vom Frühjahr in den Spätherbst verlegt werden mussten, da Meine im Frühjahr an einer Virusinfektion erkrankt war. Ehrensache.

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Musikalisch boten die alten Herren einiges. Der Wechsel an den Drums brachte viel Frische in die Band und Mickey Dee zeigte sein ganzes Können. Beim Motörhead-Song ’’Overkill’’, den die Band zu Ehren Lemmy Kilmisters’ coverte, wirbelten seine Arme mit den Drum Sticks nur so durch die Luft. Im anschließenden Drum Solo schwebte er aus dem LED-Podest an Seilen befestigt auf einer kleinen Bühne in schwindelerregende Höhen, während am Fuße dieser kleinen Bühne einige Scheinwerfer befestigt waren, die für die passende Beleuchtung sorgten. Was für eine Show!
Die Band wusste jedoch nicht nur mit Spektakel zu gefallen. Mit einem Akustik-Medley, das am Ende des Laufstegs vorgetragen wurde, traf die Band auch leisere Töne und spätestens jetzt konnte Klaus Meine all seine Kritiker zum Schweigen bringen. Seine Stimmprobleme waren wie weggeweht. ’’Wind of Change’’ mutierte zu einem großen Hoffnungsschimmer inmitten einer unsicheren Welt. Mit ’’Big City Nights’’ beendete die Band ihr Set, bevor sie mit ’’Still loving you’’ und dem immer noch großartigen ’’Rock you like a hurricane’’ nach einer Stunde und 45 Minuten von der Bühne verschwanden, nachdem sie sich noch minutenlang gebührend feiern ließen.

Die Scorpions wissen auch 2016, wie man die Massen zum Kochen bringt. Eine großartige Bühnenshow traf auf eine gute Live-Performance und kein Hit wurde ausgelassen. Vor allem Gitarrist  – und einzig verbliebenes Gründungsmitglied – Rudolf Schenker trotzte nur so vor Spielfreude und rannte unzählige Male die Bühne hoch und runter. Ob es die letzte Tournee der Hard Rock Legenden in Deutschland ist? Man weiß es nicht. Sollte es so sein, wäre es ein würdiger Abschied.

© Fotos von Joshua Lehmann