Livereview: Eskimo Callboy + Support, Schlachthof Wiesbaden, 24.11.2016

Endlich Wochenende – naja, fast. Beim Eskimo Callboy Konzert am letzten Donnerstag konnte man schonmal vergessen, dass man nochmal zur Arbeit muss. Schwamm drüber, egal. Ein Bier gezischt, die Freunde eingesackt und ab geht’s zum Konzert. Feierwütige Menschen wissen schon längst, dass Eskimo die Partyband schlechthin ist. Wie der Abend im Schlachthof verlaufen ist, lest ihr nur bei uns.

Her Name In Blood-1
Wer hat jemals gesagt, dass Trve Metal und Core nicht zusammenpassen? Her Name In Blood aus Japan beweisen in ihrem Warmup genau das Gegenteil und liefern in ihrem Set einen abgefahrenen Mix aus beiden Richtungen ab. Die Haare bewegen sich auf und vor der Bühne – wie es in der Death Metal Bibel geschrieben steht – rotierend im Kreis und verkörpern die Bedeutung des Begriffs der Windmühle per Definition. Der gutaussehende Sänger Ikepy brilliert sowohl optisch als auch gesanglich, während er zwischen den Songs mit Passion das Wort „Scheiße“ zelebriert. Auch die Aufforderung zum Abgehen lässt er sich nicht nehmen, was in einen dauerhaften Kampf gegen den leider arg leeren Raum ausartet. Die Jungs geben sich einfach nicht mit dem Mittelmaß zufrieden und malträtieren ihre Griffbretter so stark, dass man denkt, diese würden von der Reibung der flinken Finger gegen das Holz binnen Sekunden Feuer fangen. Zum Glück bleiben uns die Feuerlöschdecken an diesem Abend erspart und es bleibt ein lebendiger Anfang des Konzerts in Erinnerung. Her Name in Blood werden wohl noch öfter unseren Kontinent besuchen und wir sind gespannt!

Palisades-1
In Schubladen denkt Folgeband Palisades auch nicht: ekstatische Elektrosounds des Hip-Hop und Dubstep treffen auf Riffs, die eindeutig Eier haben. Bei vielen anderen Bands geht diese Kombi schief und klingt sehr nach Recycling, bei dieser Formation jedoch nicht: Sänger Louis Miceli vermittelt den Eindruck eines Popstars, der in die falsche Band eingetreten ist, das Ganze aber eigentlich ziemlich abgefahren findet. Der Sound der Band findet seine Höhepunkte in Liedern wie „High and Low“, „Player Hater’s Ball“ oder „Fall“ – die Bässe pumpen mächtig und motivieren die Zuschauer erfolgreich zu erstem schüchternen Kopfnicken. Interessanterweise erfüllt die Band alle Stereotypen, die man von einer Risecore Band (das sind Bands, die bei Rise Records unter Vertrag sind) so zu erwarten hat, doch kann man nicht ignorieren, dass die Gruppe einfach Spaß macht und ihr Handwerk beherrscht. Die Synths dudeln mit ihren penetranten und witzigen Melodien laut im Vordergrund, die Beats schlagen mächtig aufs Maul, die Gitarren funkeln im klaren Mix. Wem bei Parties gute Musik fehlt, der kann mit Palisades nichts falsch machen.

Anniisokay-1
Der Fokus verschiebt sich auf den letzten der drei Kontinente, die an diesem Abend auf der Bühne repräsentiert werden. Annisokay aus Halle verzichten darauf, den Zuhörer mit elektronischen Klängen zu bombardieren und setzen auf treibende Rhythmik mit kraftvollen Clean Vocals. Was dort auf der Bühne passiert ist instrumental tight und baut vor Allem auf dem Powerdrumming von Nico Vaeen auf. Dieser spielt selbst die anspruchsvollsten Grooves (siehe „What’s Wrong“) mit Leichtigkeit daher und wirkt dabei tiefenentspannt hinter seiner Schießbude, die mächtig Dampf macht. Doch auch auf dem schönsten Bild finden sich Makel. Während Gitarrist und Clean Sänger Christoph Wieczorek live so klingt, als wäre seine Stimme immun gegen die Strapazierungen des Tourens, fehlt Screamer Dave Grünewald bei seiner von Bewegung geprägten Performance leider die Vielfalt in der Stimme. Hierbei darf man nicht vergessen, dass das Ganze sehr geschmacksabhängig ist. Wer live auf rauen Schreigesang steht, der sich in einer bestimmten Höhe ansiedelt und es sich dort gemütlich macht, findet hier genau das, was er braucht. Für mich fehlt es hier leider zu sehr an Variation und Spannung. Was im Studio genau die richtige Nuance besitzt, wirkt bei annisokays Sänger live leider ein wenig kraftlos. Dennoch sei gesagt, dass die Jungs sehenswert und absolute Durchstarter sind – das wird bestimmt nicht an unterschiedlichen Meinungen scheitern.

Eskimo Callboy-1
Mit Eskimo Callboy stehen dann letztendlich die Partykönige auf der Bühne des Schlachthofs. Ein starkes Eröffnungstrio von „Crystals“, „My Own Summer“ und „We Are The Mess“ eröffnet die Tanzfläche, auf der sich nun die Fans wie auf Befehl der Band raufen. Die Lichtshow strotzt nur so von Strobo; eine komplette Überdosis an Farbspielen und LED Lichtern kommen zum Einsatz und schicken die ersten Epileptiker nach Hause. Die beiden Sänger Sushi und Kevin duellieren sich mit abwechselnden Screams, Tanzeinlagen als auch gesungenen Vocals. Lustigerweise evoziert diese doppelte Konstellation den Eindruck, als hätten The Prodigy fix ein Nebenprojekt gestartet. Die Truppe aus Castrop-Rauxel will an diesem Abend nur das eine: Feiern, und zwar mit Allem, was dazugehört. Seien es die hymnenartigen Sauforgien à la „Party at the Horror House“, sexlastige Circle Pit Kracher wie „Pitch Blease“ oder auch der freshe Track „Best Day“ – Die Callboys sind mit all ihren Waffen am Start. Dabei stört es den leider spärlich gefüllten Raum auch nur wenig, dass live Autotune benutzt wird, um das Ganze ein wenig zu begradigen. Wieso auch? Die Masse will Feiern, Saufen, Pogen. Dabei rückt die musikalische Variable an die zweite Stelle. Das Zusammenspiel der Band ist im Gegensatz zu ihren Sängern auf einem handfesten Niveau, wobei die Breaks und harten Prügelanteile in Liedern wie „Baby (T.U.M.H.)“ oder dem abschließenden „Is Anyone Up?“ mächtig durch den Saal walzen und einen verschwitzten Club zurücklassen. Wer also bei Eskimo Callboy eine Band sucht, die live wie im Studio klingt, hat sich leider grob vergriffen und sollte sich eher an die Studioalben der Jungs halten. Wer jedoch gerne mal ein paar Bier zischt, um danach mächtig zu eskalieren, ist hier genau richtig.

An diesem Abend haben alle vier Bands Partypotenzial aufgezeigt und mit mehr oder weniger innovativen Klängen den Schlachthof gerockt. Wer eine ausgelassene Party sucht, um sich auszutoben, wird nach den Konzerten von Eskimo Callboy mit einem Lächeln nach Hause gehen.