Zwischen zahlreichen Festivalshows haben sich While She Sleeps und Northlane für sechs Doppel-Headliner-Shows in der Schweiz, in Deutschland, der Slowakei sowie in Polen zusammengetan. Mit Novelists und SHVPES als Supports haben die vier Bands den ausverkauften Colos-Saal zum Beben gebracht.
An einem der heißesten Tage des Jahres erwartete alle Konzertbesucher ein straffes Programm. Vier Bands und Konzertbeginn um 20 Uhr. Da waren nur wenige Verschnaufpausen garantiert. Den Anfang machten SHVPES. Das Quintett fegte von der ersten Minute an wie ein kleiner Orkan über den Colos-Saal und weckte jeden, der aufgrund der immensen Hitze an leichter Müdigkeit litt, sofort auf. Die aus Birmingham stammenden Briten schraubten in einer knappen halben Stunde das Energielevel auf der Bühne in eine maximale Höhe. Insbesondere Sänger Griffin Dickinson dürfte am nächsten Tag mit einigen blauen Flecken aufgewacht sein. Zu Beginn des zweiten Songs stürzte er sich mit einem Salto ins Publikum und ließ sich dort immer wieder blicken, um dieses zu motivieren. Zudem holte er einige crowdsurfende Fans auf die Bühne und drückte diesen das Mikro in die Hand, um sie danach wieder ins Publikum zu werfen. Mit einem wilden Mix aus wütendem Rap, treibendem Metalcore und Clean-Gesang in den Refrains überzeugten SHVPES auf ganzer Linie.
Novelists hingegen wurden zur Enttäuschung des Abends. Die Franzosen spielten ihr halbstündiges Set zwar solide herunter, konnten dem Publikum jedoch nicht mehr bieten als ihre sich ständig wiederholenden, ähnelnden Breakdowns. Frontmann Matt Gelsomino kannte zudem nur ein Wort, um das Publikum anzutreiben. ,,Bounce’’, hallte es immer wieder durch den Colos-Saal. Davon ließen sich immerhin ein paar Fans motivieren und so wurde der Auftritt des Quintetts nicht zu einer trostlosen Nummer. Dafür präsentierten die Pariser zwei neue Songs aus ihrem kommenden Studioalbum, was im September erscheinen wird. Stilistisch hat sich nicht viel verändert, Sänger Gelsomino verwendet nun aber Clean-Gesang in den Refrains. Nach zwei stark unterschiedlichen Vorgruppen wurde es Zeit für zwei musikalisch sehr verschiedene Headliner!
Die Müdigkeit, die sich bei den Novelists ausbreitete, vertrieben Northlane sofort. Schon die Art und Weise, wie die Australier die Bühne betraten, machte klar, dass hier eine exzellente Liveband auf der Bühne steht. Mit dem dunkelsten Bühnenlicht aller vier Bands und einem elektronischen Intro, das Gitarrist Jonathon Deiley live spielte, bereiteten Northlane das Publikum auf die Stimmung ihrer Musik vor. Untypisch eröffnete das Quintett sein Set mit ,,Paragon’’, der auf der aktuellen Platte ,,Mesmer’’ an letzter Stelle zu finden ist. Mit der Intensität der Musik nahm auch die Intensität der Moshpits zu. Northlane präsentierten an diesem Abend größtenteils Songs von ,,Mesmer’’, sechs Stück an der Zahl. Alte Hits wie ,,Rot’’, ,,Dispossession’’ und ,,Quantum Flux’’ fehlten natürlich trotzdem nicht in der Setlist.
Soundtechnisch bekam das Aschaffenburger Publikum ebenfalls das Beste geliefert. Sänger Marcus Bridge, der an einer Fußverletzung litt und vor der Show mit Krücken zu unserem Interview kam, machte trotz dieser Umstände eine sehr gute Figur. Es gibt nicht viele Sänger, die innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde so stark zwischen Screams und Clean-Gesang wechseln können. Chapeau! Im Interview mit Bridge und Schlagzeuger Nic Pettersen erfuhren wir, dass sich Northlane und While She Sleeps jeden Tag als Headliner abwechseln. Dass die Australier in Aschaffenburg vor den Briten spielten, sollte sich als gute Wahl erweisen. Textsicher zeigten sich bei Northlane nicht allzu viele im Publikum. Das tat der Performance jedoch keinen Abbruch. Die Band hatte das Publikum trotzdem auf ihrer Seite und so wurde der letzte Song ,,Obelisk’’ zu einem großen Meer aus springenden Menschen. Northlane haben sich in 45 Minuten wieder einmal von ihrer besten Seite gezeigt.
Wie es sich für eine DIY-Band gehört, bauten While She Sleeps mithilfe ihrer Techniker selbst um und machten bereits währenddessen Faxen mit den Fans. Nachdem zuerst ein Intro erklang, das noch für unsichere Blicke im Publikum sorgte, lösten die ersten Töne von ,,You Are We’’, Titellied des aktuellen Studioalbums, für Jubelstürme. Die Menge ließ sich trotz abartiger Hitze im Saal nicht lange bitten und zeigte sich direkt text- und bewegungssicher. Die Briten aus Sheffield feuerten von der ersten Sekunde an eine einzige Energiewelle auf den Colos-Saal los und nach ,,Civil Isolation’’ gab es bei ,,Seven Hills’’ kein Halten im Publikum mehr. Frontmann Lawrence Taylor forderte Crowdsurfer und bekam diese in überwältigender Anzahl. Verschnaufpausen gab es keine. ,,Brainwashed’’ evozierte den ersten Circlepit der Show, während sich Fans bei ,,Four Walls’’ auf die Schultern nahmen und den Beginn des Songs innig sangen.
While She Sleeps haben es geschafft, mit ,,You Are We’’ ihre Livequalität um ein Vielfaches zu steigern. Die vorher schon unbändige Energie haben die Briten beibehalten, dafür wurde jeder der Songs auf den Punkt performt. Sänger Taylor bedankte sich nach einem von vielen Crowdsurf-Aktionen mit den Worten ,,wir haben unser aktuelles Album unabhängig veröffentlicht, doch das fühlt sich vereinigt an’’ bei den Fans. Diese waren an diesem warmen Sommerabend eine Klasse für sich und zeigten sich bei ,,Silence Speaks’’, dem neuen Vorzeigeschild der Band, extrem textsicher. Ihr mehr als kurzweiliges Set beendeten While She Sleeps mit dem äußerst sozialkritischen ,,Hurricane’’, bei dem nicht nur Lawrence Taylor, sondern auch Gitarrist Mat Welsh das Gleiten auf den Händen der Menge genoss. Selten hat es eine Band geschafft, ihr Publikum innerhalb von 45 Minuten so glücklich zu machen.
Was für ein Abend. Vier Bands in drei Stunden und 15 Minuten. Beachtet man den negativen Ausreißer der Novelists nicht weiter, hat sich die Qualität der Auftritte kontinuierlich gesteigert. SHVPES werden in Zukunft noch viel von sich hören lassen und Northlane haben wieder einmal unter Beweis gestellt, dass sie zu den besten Livebands der Core-Szene zählen. Für While She Sleeps geht es trotz bereits elfjähriger Bandkarriere jetzt erst so richtig los. Mit einem großartigen Album im Gepäck und neuem musikalischem Schwung im Rücken werden die Sheffielder in den nächsten Jahren noch ganz groß rauskommen und die britische Metal-Invasion weiter vorantreiben. Let’s feel this together!
© Fotos von Valentin Krach