Eine Nachholshow auf der Abschiedstournee. Klingt wie das Ende vom Ende, doch The Dillinger Escape Plan legten keinen Wert auf große Trauer und zelebrierten stattdessen einen einzigen großen Abriss.
Als God Mother um 20 Uhr die Bühne betraten, finden sie einen noch eher spärlich gefüllten Schlachthof vor. Kein Wunder, dass der Band der Kontakt zu den Fans fehlte und sich Sänger Sebastian Campbell schon früh ins Publikum begab und dort einen großen Teil der Show performte, was sich gegen Ende auszahlen sollte, als sich eine große Menschentraube um den Schweden bildete und ihm dabei zusah, wie er mit seiner Band im Hintergrund alles in Grund und Boden schrie. Das Quartett aus Stockholm schreibt sich selbst dem Genre ,,Fast Hardcore Noise’’ zu. Können wir so unterschreiben.
Ein ganz anderes Bühnenbild präsentierten Warsawwasraw. Die französische Band besteht aus zwei Mitgliedern – Mathieu Luckas Betard am Schlagzeug und John Anthony Huss an der Gitarre und am Gesang. Das Duo ist auch unter dem Namen Crime & Punishment bekannt. So hörten sich die Pariser auch an. Immer, wenn man dachte, das Duo könnte dem aktuellen Song nichts mehr hinzufügen, setzten Warsawwasraw noch eine Stufe drauf. Avant-Trash/Experimental-Hardcore, wie er im Buche steht. Doch leider hatten die Franzosen mit technischen Problemen zu kämpfen. So musste Sänger Huss während einem Song sein Monitorkabel austauschen, während beim finalen Song sein Mikro ausfiel. Nichtsdestotrotz war das Publikum nach diesen Vorgruppen gut auf den Headliner vorbereitet.
Es dürfte nicht viele im Publikum gegeben haben, die die Band an diesem Abend zum ersten Mal live sahen. Die, die dazu gehörten, dürften von dem Orkan, den The Dillinger Escape Plan zu Beginn ihrer Show entfesselten, weggeblasen geworden sein. Zu einem elektronischen Intro betrat das Quintett die dunkle Bühne, bevor sie mit ,,Panasonic Youth’’ aus ihrem 2004 erschienenen zweiten Studioalbum ,,Miss Machine’’, welches zugleich das erste mit Sänger Greg Puciato ist, eröffneten. Als hätte ein Außenstehender einen Knopf gedrückt, fegten die US-Amerikaner von der einen auf die andere Sekunde wie losgelassene Wölfe über die Bühne. So ging es auch mit der Songauswahl weiter. ,,Prancer’’ und ,,When I Lost My Bet’’ folgten. Die beiden Songs sind beide auf der vorletzten Platte ,,One of Us Ist he Killer’’ zu finden, welches an diesem Abend mit vier Songs die größte Beachtung fand, gefolgt vom aktuellen Album ,,Dissociation’’ mit drei Songs.
Das Augenmerk dürften die meisten Fans auf Gitarrist Ben Weinman, einziges verbliebenes Gründungsmitglied und Kopf der Band, gelegt haben. Dieser turnte teilweise über die Bühne, erklomm Boxentürme, stellte sich auf das Publikum, surfte gitarrenspielend auf der Crowd und warf den ein oder anderen Mikroständer über die Bühne. Erstaunlich, was für eine Energie man auch nach 20 Jahren Bandgeschichte noch auf die Bühne bringen kann. Bis auf Vocalist Puciato, der einen sehr guten Job machte und auch die sehr seltenen Gesangspassagen hervorragend meisterte, konnte keiner der Bandmitglieder Weinman Konkurrenz machen. Die Setlist gestaltete die Band aus New Jersey sehr ausgeglichen und so fanden auch melodischere Songs wie ,,Black Bubblegum’’ einen Platz im Set. Nach 55 Minuten verabschiedeten sich The Dillinger Escape Plan von der Bühne, um mit ,,Good Neighbor’’, ,,Sunshine the Werewolf’’ und ,,43% Burnt’’ drei Zugaben zu performen. Ein letztes Mal zu dem einzigartigen Mathcore der US-Amerikaner abgehen, ein letztes Mal Ben Weinman auf seinen Armen spüren und schon ist es vorbei. Danke für 20 Jahre Einzigartigkeit, The Dillinger Escape Plan!
Das war es also. The Dilinger Escape Plan treten von der großen Bühne ab. Nicht im Streit, nicht wegen des Alters. Die Band sei produktiv wie nie und man wolle auf dem künstlerischen Zenit abtreten, erklärte Ben Weinman vor der Veröffentlichung von ,,Dissociation’’ im letzten Jahr. Anstatt große Reden zu schwingen, beließ es die Band bei einem einfachen Danke.
Während sich die musikalische Schaffenszeit der Band dem Ende nähert, wird die Musik der Mathcore-Helden die Zeit überdauern. This feels like never-ending!
© Fotos von Valentin Krach