CD Review: Pristine – Ninja

Hört man das Wort „Ninja“ in Verbindung mit Musik, denkt man womöglich an alles andere außer Hard Rock. Dennoch haben die Norweger von Pristine diesen Titel für ihr neuestes Werk gewählt und beschreiten zumindest namentlich neue Wege. Nach den Alben „Detoxing“, „No Regret“ und ,,Reboot“ wirkt der neue Name gänzlich unkonventionell. Dabei steht die Band um Frontfrau Heidi Solheim in alter Tradition: neben dem klassischen Ensemble aus Gesang, Gitarre, Bass, Drums und Orgel wurde die aktuelle Platte nach eigenen Angaben an einem einzigen Tag eingespielt und entspricht damit ganz der live-orientierten Arbeitsweise der Urväter des Genres. Ob ,,Ninja“ trotzdem mit der Tradition bricht und was sonst noch so mit der neuen Scheibe von Pristine geht, haben wir für Euch natürlich gecheckt.

Ein Traditionsbruch lässt sich beim ersten Song ,,Your Are The One“ zumindest noch nicht feststellen. Dennoch bereichert die Band ihre eigene Tradition mit neuen Elementen: einem vertrauten Gitarrenpicking folgt eine verzerrte Hohner-Orgel im Vers, die den Hörer direkt in die frühe 70er-Soul-Ära versetzt. Man könnte fast ,,abergläubisch“ werden. In Kontrast dazu bricht der Refrain mit breiten Chören und Hammond-Orgel herein. Powerstimme Heidi besingt in diesem Lied die zwei Seiten einer Medaille und wie sie zu dem Menschen geworden ist, der sie heute ist. Großartig sind auch Gitarrensolo und die experimentellen Cowbell-Rhythmen, die durch den Hintergrund wandern. Wem die fette Motown-Orgel gerade schon gefallen hat, wird die Bassline von ,,Sophia“ lieben. Der zweite Song überrascht nämlich mit einem Sound, der irgendwo zwischen besagtem Tasteninstrument und schlabbriger Basssaite liegt und definitiv ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern vermag. Im Refrain zeigt die Sängerin mit den feuerroten Haaren erneut, was in ihr steckt und liefert einen absolut eingängigen Refrain. Zweites Highlight dieses Songs ist die Bridge, welche zuerst spannungsvoll zurückhaltend, dann mit heißem Orgelsolo und schließlich mit exotischem Rhythmus aus rauschendem Ride-Becken, Stockschlägen und verschobenem Backbeat überzeugen kann.

Pristine - Ninja - Artwork ,,The Perfect Crime” kommt dagegen weit weniger experimentell daher. Ganz im Gegenteil: hier handelt es sich um eine standardmäßige Gospel-Blues-Nummer, die weniger mit ihren Instrumenten als mit der gewaltigen Stimme der talentierten Norwegerin glänzt. Ein harmonisches Orgelwimmern, ein feinfühliges Gitarrensolo und ein sparsames Drumming schaffen eine wohlige Atmosphäre und bieten Heidi platz, ihren Herzschmerz zu besingen. Bei solch einer Stimmgewalt wundert einen, wieso man im Mix der Platte so viel Hall auf die Stimmte der Frontfrau gelegt hat, wäre dies doch wirklich nicht nötig gewesen. Auch bei den Songs davor fällt die extensive Nutzung von Effekten, vor allem auf Main-Vocals und den Chören, auf, was den kernigen Rocksound etwas weichspült. Bei Songs wie ,,The Rebel Song“ oder ,,The Parade“ zwingt sich dies dem Hörer glücklicherweise weniger auf als beim sanften Vorgängerstück. Dennoch zeigen gerade derartig fetzige Nummern, dass der Produktion irgendwie die Rauheit und der Dreck fehlt, den man eigentlich erwarten würde. Details wie trashige Gitarrenriffs oder die wirre Cowbell im Hintergrund machen dafür ordentlich Laune, genauso wie psychedelische Bridgeparts, wo der beschriebene Hall durchaus auch songdienlich sein kann. ,,Ghost Chase“ verbreitet eine super relaxte Stimmung, obschon man beim Intro kurz an ,,Come Along“ von Titiyo denken muss. Spätestens das schräge, trompetenartige Solo lassen einen die Qualen, die uns der Hit von 2001 beschert hat, aber gänzlich vergessen.

Nach der Laid-Back-Atmo des vorherigen Songs bläst der Titeltrack ,,Ninja“ mit epischen Orgelklängen und straightem Groove durch die Anlage und offenbart die Idee hinter dem Albumnamen: es geht darum jemanden zu finden, für den es zu kämpfen lohnt und man sogar seine Ninja-Skills einsetzten muss. Ungeachtet dieses mageren Sinngehalts und der hinkenden Parallele zu den einstigen Auftragskillern des alten Japans bringt der Song aber alles mit, was ein Titeltrack haben sollte. Stampfende Drum-Grooves, ein sich im Ohr festkrallender Refrain und die breit röhrende Hammond rocken mächtig ab. Für alle, denen das etwas zu viel Action war, liefert die folgende Nummer ,,Jekyll & Hyde“ eine immerhin psychedelische Entspannung – singt Heidi doch über dunkle Gedanken und Dämonen. Auch die Orgelfans (so wie ich) kommen wieder auf ihre Kosten! Der durchgehend tiefe und totgedämpfte Schlagzeug-Sound funktioniert in den ruhigen Stücken erneut wesentlich besser, als es in den lauten und schnellen der Fall war. Wie der Name es vermuten lässt, geht die Spannungskurve bei ,,Jekyll & Hyde“ rauf und runter, mal dröhnt die Orgel, mal quietscht die E-Gitarre mit scharfen Tönen.
Nein, der letzte Track ,,Forget“ ist kein Tribute an einen Simon & Garfunkel-Klassiker, auch wenn die ersten Töne fast so klingen. Eine kurze, aber intensive Ballade offenbart nochmal die feinen Züge der talentierten Sängerin und lässt das Album mit glasigem, aber zufriedenem Blick ausklingen.

,,Ninja“ ist das vierte Album der Norweger Pristine und hinterlässt gemischte Gefühle: wem die vorige Scheibe ,,Reboot“ schon gefallen hat, der könnte mit dem neuen Werk des Quintetts sehr glücklich werden. Wer auf rotzige Rockmusik steht, die sich eher an „die guten alten Zeiten“ anlehnt, der könnte sich am übertriebenen Hall, den nicht immer ganz zündenden Drumsounds und der Experimentierfreudigkeit an sich stoßen. Trotzdem gehen zumindest einige Songs extrem gut ab und der ein oder andere Refrain setzt sich schon nach erstmaligem Hören im Gehörgang fest. Live sollte man sich aber die Rockröhre Heidi Solheim und ihre Mannen wohl nicht entgehen lassen. Dazu bekommen die deutschen Fans übrigens im September Gelegenheit!