Split-Livereview: Arcane Roots + Support, Blue Shell Köln, 22.09.2017 + Lux Hannover, 24.09.2017

Arcane Roots schaffen es wie keine zweite Band ruhige, melancholische Töne mit exzessiven Wutausbrüchen zu verbinden und lassen sich somit in kein festes Genre einordnen. Mit ihrem am 15.09. erschienenen neuen Album ,,Melancholia Hymns’’ tourt das Trio aktuell durch Europa. Stehen die Briten vor ihrem großen Durchbruch?

Köln

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Vier Jahre nach ihrem Debütalbum ,,Blood & Chemistry’’ konzentriert sich sein Nachfolger noch mehr auf elektronische, verspielte Indie-Momente, vergisst dabei aber nicht seine Post-Hardcore Interessen. Bevor die Briten das ausverkaufte Blue Shell in der Domstadt zum Kochen brachten, durften sich Toska gute 50 Minuten auf der kleinen Bühne des Nachtclubs austoben. Die Briten flankierten den schon gut gefüllten Zuschauerraum mit ausuferndem Progressive Metal. Mit rein instrumentaler Musik sorgte das aus Brighton stammende Trio für eine angenehme Atmosphäre und ließen sich auch von einer kaputten Snare nicht aufhalten. Fürs nächste Jahr kündigten Toska ihr Debütalbum an. Wir sind gespannt!

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Nach einer längeren Umbaupause von gut 35 Minuten eröffneten Arcane Roots ihr Set mit ,,Before Me’’, der auch den Beginn von ,,Melancholia Hymns’’ darstellt. Nicht wenige Konzertbesucher dürften sich gewundert haben, wie die Londoner ihr ganzes Equipment auf der kleinen Bühne unterbrachten. Pedalboards in der Größe von Keyboards waren notwendig, um den einzigartigen Sound der Band live zu kreieren. Mit dem zweiten Song ,,Matter’’ verpassten sie dem Publikum erstmals ein blaues Auge, das sich aber dagegen wehrte und den ersten Moshpit startete. ,,Sacred Shapes’’ war die einzige Vertretung von ,,Blood & Chemistry’’ und mit ,,Rouen’’ schaffte es sogar ein Song von der Debüt-EP ,,Left Fire’’, sich ins Blue Shell zu mogeln. Nach anfänglichen Soundproblemen, die sich damit erklären ließen, dass es erst die zweite Show mit neuen Songs war und somit verziehen wurden, spielten sich Arcane Roots regelrecht in einen Rausch. ,,Curtains’’ stellt wie kein anderer Song die musikalische Spannweite der Briten dar. Zunächst malen Sänger Andrew Groves und Gefährten die Wände des Blue Shell in angenehmem Rosa an, um den Club am Ende des Songs mit einem Flammenwerfer niederzubrennen. Nach dem vorläufigen Höhepunkt der Show überbot die Underground-Band diesen Moment mit dem finalen ,,If Nothing Breaks, Nothing Moves’’, bei dem sich alle Zuschauer textsicher zeigten. Nach etwa 70 Minuten verließ das Trio ohne Zugabe die Bühne, da sie schon eine Viertelstunde über der Zeit waren. Andrew Groves kündigte in einer abschließenden Rede weitere Ankündigungen der Band an. Arcane Roots haben gerade erst so richtig begonnen.
[von Jonathan Schütz]

Hannover

Arcane Roots-2Überzeugen konnten Toska auch in Hannover: Mit einem Publikum, welches scheinbar allein für die Vorband angereist war, stand stetiges Kopfnicken bis zum Schleudertrauma auf dem Programm. In der instrumentalen Musik des Trios ist so viel gesagt, dass das Hinzufügen einer Gesangsspur einfach nur lästig wäre. Der Sound der Band bewegte sich hier zwischen verträumt atmosphärischen Passagen bis hin zu rhythmischen Anomalien, die den Großteil ihrer Setlist auszeichneten. Es braucht mehr Gruppen, denen man ihre Spielfreude so sehr ansieht wie Toska. Frontmann Rabea Massaad grinste fast durchweg, während wütende Riffs aus den Verstärkern schossen. Wir sind gespannt auf das Album und hoffen auf baldiges Wiedersehen!

Arcane Roots-3Anders verhielt es sich dann auch für die Hauptband im Lux: Erholt von den ersten Schwierigkeiten, die die Tour in Form von Lichtproblemen, Soundausfällen oder zeitlicher Überschreitung mit sich brachte zeigten Arcane Roots wahre Größe. Zuvor raue Übergänge waren fließender und der Spaß am Musizieren war allen drei stark anzusehen. Besonders Drummer Jack Wrench verausgabte sich, wie von seiner Studioarbeit zu erwarten, immens. Da musste der erste Stick schon nach dem dritten Song „Slow“ zu Grabe getragen werden. Obwohl er gepaart mit ständig wiederkehrenden Backing Vocals wirklich dauerhaft gefordert war, lieferte Wrench zu Hundert Prozent ab. Grundsätzlich ist Arcane Roots eine der Bands, bei der nie ein Wettkampf auf der Bühne herrscht, was ganz einfach daran liegt, dass alle drei Mitglieder technisch in einer ganz hohen Liga mitspielen. So klingen Bretter wie „Matter“ oder „Sacred Shapes“ unglaublich tight und vermitteln den Eindruck, die Roots hätten von Geburt an Instrumente in der Hand gehabt. Der Einsatz von Synthesizern mag angesichts ihrer einst nur den Gitarren verordneten Vorlieben merkwürdig erscheinen, geht aber äußerst gut auf. Einer der Höhepunkte war außerdem das extrem mitreißende „Off the Floor“, wobei das Trio gebadet in mysteriösem Strobolicht eine Soundwand produzierte, die man so nur von ihnen kennt. Eben diese Mischung aus Momenten, die den Zuhörer streicheln („Indigo“) und purer Ekstase („Slow Dance“) machen Arcane Roots zu einer wirklich spannenden Liveband, die ihr Instrumentarium jedes Jahr endlos auszuweiten scheint.
[von Alexander Loeb]

Vom sanft umarmenden Anfang mit „Before Me“ bis zum Feuerwerk in Form von „If Nothing Breaks, Nothing Moves“ spielten Arcane Roots in circa 80 Minuten eine klasse Show, die mit Songs von allen Veröffentlichungen einen runden Eindruck ihrer Diskografie vermittelte. Mit Toska als Vorband waren die beiden Konzerte im Blue Shell und Lux ein wahres Zuckerschlecken. Fans des Mathrock und großartiger Klänge sind also dazu aufgefordert, beiden Bands mal live oder im Studio ein Ohr zu leihen – es lohnt sich!

Fotos von Valentin Krach und Till Holland