Livereview: Comeback Kid / Every Time I Die + Support, Zoom Frankfurt, 19.11.2017

Die kleinen Shows sind doch am Ende immer die schönsten. Wir waren bei der Doppelheadliner Tour von Comeback Kid und Every Time I Die im Zoom Club in Frankfurt und können bestätigen: Diesen Sonntagabend hätte man nicht besser verbringen können.

Comeback Kid-1Das Beste an kuschligen Hardcore Shows ist, dass die Fans meistens schon von Anfang an da sind. So konnte sich der Opener Higher Power bereits über einen vollen, wenngleich schläfrigen Raum freuen. Das Quintett aus Leeds präsentierte seinen speziellen Hardcore überzeugend, wenngleich die absurde Mischung verschiedener Tempi ohne roten Faden nach ein paar Songs etwas einschläfernd wirkte. Das dachte sich auch das Publikum, welches mit müden Blicken das Spektakel lieber betrachtete, statt aktiv zu werden. Shouter J Town machte dabei den Eindruck, als käme er gerade von einer exzessiven Hörprobe der alten Limp Bizkit Platten. Während die Musik Druck machen konnte und den NuMetal Geist aus seinem Tiefschlaf holte war die Performance unglücklicherweise von technischen Problemen übersät. Das Mikrofon quietschte und fiepte, sodass der Fokus leider stark von der eigentlichen Musik ablenkte. Schade! Higher Power sind versprechende Newcomer, die noch lernen müssen, aus ihren aneinander gereihten Passagen ein kreatives Chaos zu schaffen.

Knocked Loose-2Weiter ging es mit den Durchstartern Knocked Loose, bei denen sich auch direkt ein kläffendes Loch vor der Bühne bildete. High kicks incoming, sozusagen. Gesagt, getan: In ihrem knapp 25 Minuten langen Set gaben die Amerikaner alles und marschierten mit derartiger Inbrunst durch ihre Songs, dass einem schwindelig wurde. Frontmann Bryan Garris ließ dabei die mit Abstand höchsten Screams von sich hören, die mir je zu Ohren gekommen sind und konnte dieses Niveau konstant halten. Nix da mit überproduziertem Studiogesang, der Mann kann es live ebenso gut. In ähnlicher Manier zu den ebenso talentierten Code Orange kloppten die Jungs einen Song nach dem anderen durch und zuckten nie mit der Wimper. Mit „Deadringer“ ließen die wuchtigen Musiker die Bühne und den Pit verwüstet zurück. Nach dem Motto alles oder gar nichts war es quasi unmöglich einen Schwachpunkt in der Darbietung der Band zu finden. Ich sage: Wenn das die Zukunft von Hardcore ist, dann kann man beruhigt schlafen gehen. Knocked Loose sind zurecht auf dem aufsteigenden Ast, sowohl auf Platte als auch live.

Every Time I Die-3An diese Zerstörung anknüpfend waren Every Time I Die quasi dann das Hauptgericht. Trotz gebrochenem Fuß hampelte Gitarrist Jordan Buckley ekstatisch über die Bühne, sein Bruder Keith sprang ins Publikum, und der Rest der Band lebte die Musik ebenso wild. Von alten Songs wie „Floater“ bis zu dem finalen „Fear And Trembling“ schafften sie es, in nur 40 Minuten eine ihre Karriere abdeckende Palette an Songs anzubieten. Textsichere Fans sprangen vermehrt von der Bühne, stellten sich auf Gitter um den Buckleys ihre eigenen Worte ins Gesicht zu schreien – die Atmosphäre war absolut unkontrolliert und ungebändigt. Keith Buckleys Geburtstag wurde zwar mit keiner Torte zelebriert, dafür aber mit der Aufforderung seines Bruders, 38 Circle Pits und Stagedives zu bekommen. Ob diese Zahl nun auch erreicht wurde, ist zwar schwer zu sagen, die Schweißperlen und hochfliegenden Beine der Zuschauer sprachen aber eindeutig dafür. Ein paar Lieder mehr hätten zwar nicht geschadet, aber die Bühne musste frei werden für…

Comeback Kid-4Comeback Kid. Die Hardcore-Veteranen aus Kanada übernahmen den bereits kochenden Topf mit ihrem melodischen Einschlag. Die Headliner des Abends klangen deutlich positiver als ihr Vorprogramm und evozierten in den Fans mehr Wille zum Pogen als Violent Dancing. In einem ebenso kompakten Set war hohe Publikumsenergie und die Interaktion der Band mit diesem der Schlüssel zum Erfolg: So waren die Kehlen lauter und passionierter am Gröhlen als bei jeder anderen Band. Mit „False Idols Fall“ wurde ihr Auftritt in rasanter Manier gestartet und ging ebenso treibend weiter. „Surrender Control“ und „G.M. Vincent“ wurden hüpfend abgefeiert, das Grinsen war der Menge ins Gesicht geschrieben. Ein schweifender Blick durch den Raum zeigte erfreulicherweise auch, dass jede Altersklasse vertreten war und gleichermaßen Freude an der Musik finden konnte. Sänger Andrew Neufeld fühlte sich nach eigenen Angaben „rowdy“, woraufhin die Jungs „Hell Of A Scene“ abfeuerten. Schnelle Blastbeats füllten in Abwechslung mit einer unwiderstehlichen Hook den Raum. Genau hier drin liegt die größte Stärke der Band, nämlich der Fähigkeit, raue Gitarren mit einprägsamen Melodien zu einen – wie aus dem Bilderbuch. Oldie „Wake the Dead“ bildete den krönenden Abschluss und verlangte dem Publikum noch einmal alles ab, bevor das Licht wieder anging.

Der vergangene Sonntag war ein schönes Beispiel dafür, wie schön auch kurze Auftritte mit breiterem Lineup sein können. Alle Bands legten solide Auftritte ab und luden zum Pogen ein. Mit einer kleinen Bühne und großer Nähe zum Publikum wurden die Lieder so gespielt, wie es sich gehört: ohne Grenzen, Fotograben oder Sorgen. Fans von intimen Shows ist diese Tour also wärmstens zu empfehlen!

Fotos von © Alexander Loeb