Livereview: Impericon Festival, Messe Leipzig, 28.04.2018

Auch dieses Jahr fand wieder das erfolgreiche Impericon Festival in der Mutterstadt des Online-Merchandisehändlers in Leipzig statt. Bei herrlichen Temperaturen zieht es bereits am frühen Morgen die ersten Menschenmassen auf das Leipziger Messegelände. Die freudig gestimmten Besucher erwartet ein langer Tag, der durch sein facettenreiches Line-Up und den nahtlos getakteten Ablauf begeistern wird.

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Eröffnet wird die Leipziger Ausgabe von der lokalen Band Black Tooth Scares. Das bereits im vergangenen Jahr erprobte Konzept, beide Bühnen unmittelbar nebeneinander zu positionieren, bewährt sich auch in diesem Jahr wieder. Eine Neuheit des diesjährigen Festivals war die am Abend zuvor stattfindende Warm-Up-Party im Conne Island, bei der Bands wie Emil Bulls und Oceans Ate Alaska auftreten. Die Marshall Stage in der Messehalle dient als erster Austragungsort für Black Tooth Scares, die ihre Musik selbst mit „Heavy…but different!“ betiteln. Gefolgt von der US-Metalcore-Band The Plot In You und den Australiern Polaris erstrahlt das Congress Center Leipzig erstmals in vollem Glanz. Boston Manor, die das Publikum schnell auf ihre Seite bringen können, beigeistern mit einer energetischen Performance. Die melodischen Songs der Engländer zielen mit überwiegenden Clean Vocals, aber auch druckvoll eingängigen Passagen auf verschiedenste Emotionen an, die größtenteils im melancholisch-nachdenklichen Bereich liegen.

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Die nächste Band Novelists betritt mit einem sphärischen Intro die Marshall Stage, vor der sich mittlerweile eine erstaunlich große Anzahl an Fans der Pariser eingefunden hat. Mit aggressiven Gitarrenriffs und einer punchigen Bassdrum geht es bereits zur frühen Mittagsstunde für viele Besucher auf direktem Wege in den Moshpit. Die Kanadier von Obey The Brave, die gegen 14 Uhr die Bühne betreten, haben das Publikum direkt unter Kontrolle und steuern es mit einer authentischen Bühnenpräsenz und abwechslungsreichen Songs durch ihr halbstündiges Set. Beeindruckend ist die harmonierende Interaktion mit dem Publikum und auch ebenso unter den Bandmitgliedern selbst. Auf der Monster Stage ziert mittlerweile ein riesiges Banner die Bühne, dessen Name Programm ist: Knocked Loose übernehmen die heiter gestimmten Gäste und lassen das Leipziger Messegelände in Schutt und Asche zerfallen. Ein brutales Soundgewand ertönt aus den Lautsprechertürmen, bestimmt von markerschütternden Shouts und frischen Arrangements der Hardcore-Gruppe aus Oldham, Kentucky. Das Publikum bewegt sich großflächig zu den aggressiven Tracks und kommt somit erstmals richtig ins Schwitzen.

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Nach einer soliden Performance von We Came As Romans betritt die Band Alazka, die den meisten unter dem alten Bandnamen „Burning Down Alaska“ besser bekannt sein dürfte, die Bühne. Tighte Drums und eine starke Publikumsinteraktion zählen zum Repertoire der Band aus Recklingshausen. Die melancholisch-atmosphärischen Zustände, die von der Band transportiert werden, laufen allerdings Gefahr, den ein oder anderen Festivalbesucher etwas nachdenklich zu stimmen. Mit Bierduschen und einer kollektiven Euphorie wird die nächste Band auf der Marshall Stage begrüßt: Die Jungs von Attila aus Georgia, USA verstehen tatsächlich etwas davon, das Publikum wieder aufzuwecken und mit neuer Power zu versorgen. Der im ausgefallenen Outfit erschienene Sänger Chris Fronzak bedankt sich mehrfach bei der begeisterten Menge und kündigt für die Zukunft viele weitere Konzerte in Deutschland an, da die Band hier sehr gerne spiele. Ein durchwachsenes Klangbild und Crowdsurfer, die im Sekundentakt im Fotograben ankommen und dort von den Securitys aus der Menge gefischt werden, machen den Auftritt von Attila zu einem Highlight für viele Besucher des diesjährigen Impericon Festivals.

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Die aus Oberhausen stammenden Metalcore-Band Any Given Day liefert ebenfalls eine starke Performance ab. Die Stimme von Frontmann Dennis Diehl hebt sich gut von dem instrumentalen Soundbild der Band ab und wechselt regelmäßig zwischen aggressiven Shout-Parts und atmosphärischen Clean-Vocal Passagen. Eine kleine musikalische Abwechslung bringt die Acoustic Session von Boysetsfire mit sich, die im Außenbereich neben der Messehalle auf einem Truck über den Köpfen der Besucher ausgetragen wird. Inmitten der zahlreichen Essensstände dient der zur Bühne umfunktionierte Truck vor dem Auftritt von Boysetsfire bereits als Karaoke-Bühne, wo Songs mit Unterstützung einer Live-Band gesungen werden können. Trotz des aufziehenden Regens und der parallelen Show von Lionheart im Inneren der Halle, feiert das Publikum ausgelassen zu akustisch performten Klassikern der Band.

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Am frühen Abend betreten Silverstein die Marshall Stage und liefern dem Publikum die gewohnt abwechslungsreiche Show, für die die Kanadier seit vielen Jahren bekannt sind. Von melodisch bis pulsierend, von akustisch bis atmosphärisch. Die zuvor geplante Acoustic Session im Außenbereich ist aus unbekannten Gründen leider ausgefallen. Doch das Publikum verzeiht der Band schnell – mit Moshpits und vielen Crowdsurfern. Schnell bewegt sich der Fokus auf die Monster Stage, wo die mittlerweile eingeheizte Menschenmenge mit den ebenfalls aus Kanada stammenden Comeback Kid den letzten Albumrelease der Hardcore-Band feiert. „Outsider“ ist im vergangenen September erschienen und erntet auch an diesem Abend einen kollektiven Bewegungsdrang auf dem Leipziger Messegelände. Daraufhin übernehmen die Jungs von Neaera die bebende Halle. Seit der Auflösung im Jahr 2015 spielte die Band keine Konzerte mehr, doch in diesem Jahr haben sich die Münsteraner wieder zusammengetan, um zwei exklusive Shows auf den Impericon Festivals in Oberhausen und eben Leipzig zu spielen. Auch hier bleibt die zuvor aufgebaute Energie erhalten und bildet einen guten Übergang zu den folgenden Eskimo Callboy.

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Der rundum solide Auftritt der sechsköpfigen Fraktion wird eingeleitet mit dem Internet-Klassiker „Man’s Not Hot“ und generiert somit eine allgemeine Euphorie, bereits bevor die Musiker die Bühne betreten. Eine wilde Party mit Konfetti, Liebeserklärungen an Leipzig und einem Gastauftritt von Attila-Frontmann Chris Fronzak zum Titeltrack des aktuellen Albums „The Scene“ begeistert die wildgewordene Menge. Verhältnismäßig leer wirkt die Halle bei den nun in voller Besetzung auftretenden Boysetsfire. Ein politisches Statement von Sänger Nathan Gray dürfte bei einigen Fans glatt eine Gänsehaut verursacht haben. Er spricht die Missstände in der Welt an, appelliert an ein allgemeines Miteinander und erntet dafür einen enormen Applaus im Innenraum und auf den mittlerweile restlos gefüllten Rängen im hinteren Bereich der Halle.

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Abgeschlossen wird das Festival von Heaven Shall Burn, die in der Leipziger Messehalle ihre letzte Show auf unbestimmte Zeit absolvieren. Mit „Downshifter“ und „Bring The War Home“ erfolgt der Einstieg in die anderthalb Stunden lange Show des Headliners. Flammen steigen auf, die Menge rastet aus. Ein absoluter Höhepunkt des Tages: der riesige Circlepit, den Sänger Marcus Bischoff anstiftet. Menschenmassen rennen durch das riesige Congress Center, um die Barrieren und das FOH herum, die das Publikum zuvor geteilt hatten. Vereint bietet das Publikum der Band einen Anblick, den sie wahrscheinlich nicht so schnell vergessen wird. Wenn seine Band zurückkehrt, dann nur mit einer neuen Platte im Gepäck, betont Bischoff. Somit habe man nun die vielleicht letzte Gelegenheit zu diversen Songs der Band zu feiern. Allerdings sei es wichtig klarzustellen, dass sie sich nicht auflösen, sondern lediglich eine Pause einlegen werden. Eine bereichernde Beschäftigung in dieser Zeit wird sicherlich Marcus Bischoffs neu ins Leben gerufenes Soloprojekt sein. Nach weiteren, dankbaren Ansagen und energetischen Klassikern der Band spielen sie „Hunters Will Be Hunted“. Die Band verschwindet von der Bühne, doch das Publikum lässt nicht lange auf sich warten und verlangt eine Zugabe, die sich gewaschen hat. Mit „Endzeit“, „Godiva“ und „Blind Guardian“ beenden Heaven Shall Burn ihr Set und verlassen mit Jubel und Applaus die Bühne. Ein würdiger Abschied der energetischen Formation, die sich an diesem Abend noch ein letztes Mal von ihrer besten Seite zeigt.

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Die diesjährige Ausgabe des Leipziger Impericon Festivals bot den aus ganz Europa angereisten Fans eine einzigartige Show mit vielen Höhepunkten. Die schon früh erschienenen Besucher unterstützten ihre Lieblingsbands über den ganzen Tag und halfen mit, den Tag zu etwas ganz besonderem zu machen. Bis hin zur großen Abschiedsshow von Heaven Shall Burn zog sich ein roter Faden durch das Line-Up. Ein Höhepunkt der diesjährigen Ausgabe des Festivals ist nur schwer zu bestimmen und liegt stattdessen auf dem gesamten Tag und den abwechslungsreichen Shows aller Bands. Nicht wenige Besucher werden sich schon auf das nächste Jahr freuen.

© Fotos von Jonathan Schütz