Review: Idles – Joy As An Act Of Resistance

Gesellschaftlich schwierige Zeiten sind gleichzeitig die Motivation für viele Künstler, ein aussagekräftiges Werk zu veröffentlichen. Nachdem Donald Trump und die Überhand nehmende Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in den USA das zentrale Thema auf dem Body Count-Album “Bloodlust“ waren, bekommt nun auch der Brexit seine erste große Platte spendiert: Idles erreichen mit “Joy As An Act Of Resistance“ den vorläufigen Gipfel der britischen Noise- und Post-Punk-Bewegung.

Dabei geht es auf dem zweiten Album des Quintetts speziell nur im stürmischen “Great“ um den Brexit. Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Gruppe aus Bristol vor allem aufgrund der katastrophalen politischen Entscheidung noch angepisster klingt als auf ihrem tollen Debüt “Brutalism“, das gerade einmal 17 Monate alt ist. Zunächst einmal strapazieren Idles jedoch die Nerven ihrer Hörerschaft: Der Opener “Colossus“ baut mit seinem lang gezogenen Intro über vier Minuten lang Spannung auf, bis der pochende Bass und das pulsierende Schlagzeug verstummen und der Post-Punk-Slalom beginnt. Durch diesen geleitet vor allem Schlagzeuger Jon Beavis, der mit seinem treibendem Schlagzeugspiel die Songs voranscheucht und vereinzelt so fest draufhaut, als würde er Schläge in die Magengrube verteilen. So auch in “I’m Scum“, der nach diesen Hieben im Pre-Chorus einen melodiösen Refrain auffährt, als säße die Band gerade in einer Kneipe und würde Sauflieder anstimmen. Dass das nicht das Ziel der Briten ist, wird spätestens klar, wenn Frontmann Joe Talbot im gleichen Song das britische Aushängeschild James Bond als Rassisten bezeichnet.

Ruhig wird es lediglich in “June“, in dem Talbot vom Verlust seiner Tochter singt und Verletzlichkeit durchblicken lässt. Eine Eigenschaft, die auch das folgende “Samaritans“ bestimmt, welches das stereotypische Rollenbild des Mannes kritisiert (“The mask of masculinity/ Is a mask/ A mask that’s wearing me“) und dieses mit einer Katy Perry-Referenz aufbricht: “I kissed a boy and I liked it“. “Danny Nedelko“, zugleich der zugänglichste Song des Albums, nimmt sich dagegen die Flüchtlingskrise vor und dabei allen besorgten Bürgern den Wind aus den aus Abneigung bestehenden Segeln: “My blood brother is an immigrant/ A beautiful immigrant“. Während es bei vielen Bands peinlich wirkt, wenn diese einzelne Wörter ausbuchstabieren, gerät dieses Stilmittel bei Idles zum Markenzeichen und lässt die damit vermittelte Botschaft “Danny Nedelko/ Community/ So fuck you“ erst richtig wirken. “Television“ richtet sich wiederum gegen digitale Konsumgüter und erinnert an vergangene Zeiten, in denen man noch regelmäßig Freiheit in der Natur genossen hat. Das finale “Rottweiler“ setzt sich in über fünf Minuten zum Ziel, das Album so rau und zerstörerisch wie nur möglich zu beenden. Das gelingt natürlich – so wie anscheinend alles, was diese Teufelskerle musikalisch anpacken.

Joy-Idles

Label: Partisan
VÖ: 31.08.2018

Genre: Noiserock, Post-Punk

Vergleichbar:
Sleaford Mods – “English Tapas“
Slaves – “Are You Satisfied?“

Wertung: 14/15