Album, Touren, Album, Touren, Album…So oder so ähnlich fühlt sich der Tourzyklus von Bring Me The Horizon an. Als nun also noch vor Veröffentlichung des anstehenden Albums Amo eine riesige Europatour vornedrangehängt wurde, konnte ich mir es nicht verzeihen, die Augenbrauen hochzuziehen. Würde die Gruppe bereits viel neues Material präsentieren und ihr Liveset aufstocken, um mehr als nur 15 Lieder zum Besten zu geben? Das und mehr erfahrt ihr hier.
Alles auf Anfang. Es ist Punkt 19:00 Uhr, als die Newcomer aus Brighton namens Yonaka den Abend mit einem überraschend klaren Sound eröffnen: Besonders Bassist Alex Crosby bietet einen kratzigen Basssound, welcher es dem Zuhörer erlaubt, jede einzelne Note des treibenden Indierocks genauestens zu hören. Das Quartett legt weiterhin eine enorme Präzision an den Tag, wodurch alle Parts kristallklar herüberkommen und die Menge beeindrucken. Seitens aller Mitglieder ist zu erkennen, dass ihnen der Spaß sichtlich ins Gesicht geschrieben steht. Elektroniksamples werden effektiv eingesetzt und fügen sich optimal in das Klangbild der Gruppe ein, welches sowohl im Studio als auch live wuchtig und eingängig ist. Gestützt von der von Tanzbewegungen aufgeladenen Performance der Sängerin Theresa Jarvis und phänomenalen Gesangsleistungen formt sich so ein Gesamtpaket, das überzeugt und wahrscheinlich in Zukunft noch ähnliche Größe wie zuletzt Pvris erreichen wird. Hut ab!
Es ist wahrscheinlich eines der wohl vielfältigsten Lineups für eine Tour, das man sich vorstellen kann. Nach dem ruhigen aber musikalisch eindrucksvollen Set Yonakas legen FEVER 333 mit ihrer politischen Message und energiegeladener Musik voller Moshpits ein vollkommen anderes Performanceverhalten an den Tag. Eskortiert mit einem schwarzen Sack auf den Kopf steht Jason Aalon zu Beginn alleine auf der Bühne, während ein Intro vom Band läuft, das die derzeitige Lage in den Vereinigten Staaten zusammenfasst. Gewalt, Amokläufe, Rassismus und Zwiespalt sind ein Paar der Themen, die von dem neuen Trio zumeist angesprochen werden. Setzt jedoch der erste Ton der neulich veröffentlichten Single „Burn It“ an, streift Aalon seine Maskierung vom Kopf und beginnt wild umherzuspringen, was mit tosendem Jubel belohnt wird. Mindestens so aufgedreht wie zu Zeiten von letlive. sind auch Auftritte von FEVER 333, die keine Grenzen zu kennen scheinen. So findet man ein Schlagzeug / Beatbox Battle, durch Trommeln gesteckte Mikrofone, als auch einen versehentlich final nur in Unterhose dastehenden Sänger in der Frankfurter Jahrhunderthalle vor. Abgesehen von dem, was auf der Bühne geschieht, ist auch die Musik aggressiv und veranlasst erste Bewegung im Publikum. Es dauert nicht lange, ehe die Band die Zuschauer in der Hand hat und spätestens beim Abschlusssong „Hunting Season“ ist klar, dass das Trio bestehend aus letlive., The Chariot und Night Verses Mitgliedern nicht zum letzten Mal in Deutschland gewesen ist. Was FEVER 333 in einer halben Stunde reißen, bekommen manche Acts nicht einmal in 90 Minuten hin. Womit wir beim Headliner des Abends wären, denn…
…Bring Me The Horizon tun sich trotz einer instrumental perfekten Darbietung sehr schwer, an die Energie der vorherigen Gruppe anzuknüpfen. Doch zuerst zur Bühne selbst: Das Setup für die aktuelle Tour stellt sich als sehr minimalistisch heraus: Kein Banner, sondern ein schwarzer Hintergrund mit der Projektion des „Mantra“ / „Drown“ Sterns dominieren die Bühne, über welcher ein rechteckiger mit LEDs gefüllter Kasten hängt. Dieser bewegt sich im Laufe des Abends sowohl vertikal als auch diagonal, was beim sarkastischen „wonderful life“ die Message des Liedes unterstützt. Davon abgesehen erinnert die Lichtkonstellation sehr an die der Nine Inch Nails, indem die Mitglieder meist seitlich bestrahlt werden. Klingt ja eigentlich vielversprechend? Was macht denn nun besagten Energieverlust aus?
Der Grund dafür dürfte den meisten schon bekannt sein: Frontmann Oliver Sykes kämpft seit mehreren Jahren mit seiner stimmlichen Leistung, was unglücklicherweise den gesamten Abend überschattet. Unsichere Passagen wie beispielsweise die Bridge beim Opener „Mantra“ werden mit Playback zu übertünchen versucht, was jedoch sofort auffällt, als dieses bei Weitem leiser als die Stimme des Frontmanns ertönt, während dieser seine Lippen zum Klang bewegt. Um nun nicht jeden einzelnen Teil der gesanglichen Leistung hier auseinanderzunehmen ist es für die nächsten Paragraphen wissenswert, dass die Band durchweg solide zusammenspielt. Drummer Matt Nicholls variiert beispielsweise bei „Can You Feel My Heart“ oder auch dem lange ersehnten „It Never Ends“ sein Schlagzeugspiel so, dass ein wenig frischer Wind in das Geschehen kommt. Grundsätzlich wird außer besagtem Oldie und den beiden neuen Singles wenig Neues geboten, was in Anbetracht der Ticketpreise und des Versprechens der Promotour zum neuen Album ein wenig enttäuschend ist. Eine Akustikversion von „Drown“ fordert Sykes‘ Gesangsleistung besonders heraus, wobei hier anzumerken ist, dass dieser sichtlich besser geworden ist als zuvor. Obwohl man noch merkt, dass er seine Noten nicht sonderlich lange halten kann ist es respektabel, dass Sykes sich an diesem Abend auch ’nackt‘ ohne Backing Tracks oder Playback zeigt. Dieser intime Moment macht auch das stimmlich stark mißglückte „Antivist“ zumindest teilweise wett. Der größte Glanzmoment liegt wohl in den anderen Liedern von „Sempiternal“, mit „Shadow Moses“ als Paradebeispiel für den perfekten Metalcoresong für eine jede Konzerthalle.
Wer also eine Bring Me The Horizon Show besucht, darf sich dieser mit einem gewissen Doppelstandard annähern. Musikalisch legt die live als Sextett spielende Gruppe einen äußerst guten Job hin, was nicht zuletzt auch Jordan Fishs Samples und flächendeckenden Keyboardklängen geschuldet ist. Dem gegenübergestellt ist sowohl eine gefühlt zu kurze Setlist mit nur 15 Liedern in 80 Minuten als auch die noch immer nur akzeptable Darbietung des Frontmanns. Wenn Bring Me The Horizon wirklich einmal Festivalbühnen headlinen wollen, ist es jetzt allerhöchste Eisenbahn, dafür zu üben.
© Fotos von Joshua Lehmann