Bei der Anreise zum Mainzer Kulturclub Schon Schön kommt man heute Abend nicht drum herum, einem Pulk von Studenten in die Arme zu laufen, schließlich fällt das Konzert von Birds In Row auf den gleichen Abend wie die Semestereröffnungsfete der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. Umso erfreulicher, dass die Franzosen ihren brachialen Hardcore vor allem vor Menschen im besten Studentenalter entfesseln dürfen.
Vorher definieren allerdings noch La Petite Mort / Little Death das Wort ,,frickelig“ auf eine ganz eigene Art und Weise. Das Trio aus Rodgau (bei Offenbach) bezeichnet seine Musik selbst als ,,Screamo Pop“ und klingt entweder wie Tiny Moving Parts, nur ohne den eingängigen Pop-Punk-Touch, oder The Hirsch Effekt, nur ohne den überdrehten Core-Irrsinn. Überdreht ist allerdings der Sound der Hessen, denn der massiert einem auch außerhalb des Schon Schöns wohlwollend die Gehörgänge und reizt die Erträglichkeit des Konzerterlebnisses ohne Gehörschutz maximal aus. La Petite Mort / Little Death gehören zu den Trios, die ihren Sound mit nur drei Instrumenten perfekt auf dieses Bandgefüge abgestimmt haben.
In diese Sparte fallen natürlich auch Birds In Row. Die Franzosen spielen bereits seit 2009 als Trio zusammen, wenn auch mit manchen Änderungen in der Bandbesetzung. Da die Bandmitglieder anonym auftreten, auf Pressefotos nicht zu erkennen sind und nur unter einem Buchstaben bekannt sind, fällt dies allerdings erst bei genauerer Recherche auf. Auf der Bühne wirkt das Bandgefüge dagegen so, als spiele es schon mindestens zehn Jahre in der gleichen Besetzung zusammen, so gut klingt die Symbiose aus Gitarre, Schlagzeug und Bass sowie mal stürmischem Geschrei, mal ruhigem Gesang. Dieser unterscheidet sich bei Birds In Row sowieso im Vergleich zu anderen Bands des Genres. Während ein Jeremy Bolm von Touché Amoré lediglich auf unterschiedlichen Graden der Verzweiflung wandelt, passt sich der Gesang bei Birds In Row immer der Stimmung der Musik an. Diese ist auf dem aktuellen Album We Already Lost The World zwar genau so verzweifelt wie auf den vorherigen Veröffentlichungen, findet aber öfter im Post-Hardcore und mit ruhigeren Zwischenpassagen statt. Die meisten Songs des Konzertes entfallen auch auf das neueste Werk, zwischen dem ersten Song We Count So We Don’t Have To Listen und dem finalen I Don’t Dance sticht natürlich 15-38 mit seinem ,,Hate me, love me/ We already lost the world“-Refrain heraus und hängt auch nach Ende der knackigen 50 Minuten noch ganz tief im Ohr fest. Ebenso erinnerungswürdig sind die Ansagen der Band, die sich mal der Dankbarkeit verschreiben oder zur Nächstenliebe aufrufen und zur Ermunterung von Freunden, die an Depressionen oder Selbstzweifeln leiden. Ein Konzert als Therapieerfahrung sozusagen. Birds In Row wissen um die Lage vor der Tür und machen das Beste daraus. Inspirierender als jedes Studenten-Besäufnis.
© Fotos von Valentin Krach