Review: Van Holzen – Regen

Zwischen einem drückenden Alternative-Sound begleiten Van Holzen auf ihrem zweiten Album Regen ihren Protagonisten auf einer Reise der Katharsis.

Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass das Ulmer Trio sein Debütalbum Anomalie veröffentlicht und somit ein Ausrufezeichen in der deutschen Rockmusik gesetzt hat. Eine deutschsprachige Alternative-Rock-Band, die den Sound von UK-Größen wie Royal Blood oder Biffy Clyro dermaßen inhaliert hat und eigenständig genug weiterdenkt, gab es zu diesem Zeitpunkt nicht und auch 2019 stellen Van Holzen ein echtes Unikat in der hiesigen Musiklandschaft dar. Umso besser, dass sie ihren Sound nur in Nuancen angepasst haben und keine 180-Grad-Wendung vollziehen. Zwar experimentieren die noch jungen Musiker vor allem in Royal auch mal mit Post-Punk-Elementen, flächendeckend nistet sich Regen allerdings in druckvollem Alternative Rock, ergänzt von Stoner-Rock-Elementen, ein.

Wie auch schon Anomalie beginnt auch Regen mit der Vorabsingle Alle meine Freunde stürmisch. Diese ruht sich in den Strophen allerdings auch mal in einem ruhigeren Soundbett aus und thematisiert die Überforderung junger Menschen im digitalen Zeitalter, die nicht wissen, was sie mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten anfangen sollen. Im folgenden Titeltrack schimmert der leicht arrogante Gesang von Frontmann Florian Kiesling durch, gepaart mit einer starken Gitarren-Leadmelodie, einem hymnischen Refrain und mystischen Chören in der Bridge, kurz: perfekter Alternative Rock. Irgendwas setzt auf schleppenden Stoner Rock, während das Mitläufer thematisierende Schwimmen mit dem Titeltrack um die Krone für den besten Alternative-Rock-Song der Platte konkurriert. Absolutes Highlight des Albums ist dagegen Allein, das von schwerem Stoner Metal durchzogen ist.

Während das ruhige s/w anschließend für eine packende Atmosphäre sorgt, fallen die folgenden Songs etwas ab. Stark spielt musikalisch zwar alle Stärken von Van Holzen aus, kratzt lyrisch aber stark an der Grenze zum Kitsch: ,,Du bist so stark/ Du hörst mir zu, ich brauch dich/ Und wenn mir jemand wehtut, lass ich‘s dich wissen/ Ich brauch dich“. Das finale Schrammbock beginnt mit einem Schrei von Bassist Jonas Schramm, der seine Screaming-Künste live schon länger unter Beweis stellt und dies nun auch endlich auf Platte tun darf. Der Protagonist hat hier endgültig zu seinem Selbstvertrauen zurückgefunden und steht wortwörtlich nicht mehr im Regen. Für viele Bands wird das zweite Album oft zum schwierigsten Werk der Diskographie, Van Holzen untermauern hingegen ihren Anspruch als eine der besten Rockbands Deutschlands. Dass es am Tag der Veröffentlichung von Regen regnen soll? Bestimmt kein Zufall.

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Label: Warner
VÖ: 26.04.2019

Genre: Alternative Rock, Stoner Rock, Post-Punk

Vergleichbar:
Royal Blood – How Did We Get So Dark?
Die Nerven – Fake

Wertung:
11/15